OB-Wahl Heidelberg

Wie gehen Würzner, Bauer und Michelsburg eigentlich miteinander um? (plus Video)

Die RNZ lud die Kandidaten zum Minigolf-Triell ein. So locker kommen sie nicht mehr zusammen. Ihre Strategien ähneln sich. Aber manche sticheln mehr als andere.

30.08.2022 UPDATE: 30.08.2022 06:00 Uhr 5 Minuten, 27 Sekunden
Eine Runde Schere-Stein-Papier entscheidet, wer an Bahn eins anfängt. RNZ-Stadtredaktionschef Sebastian Riemer (l.) passt auf, dass niemand schummelt. Foto: Philipp Rothe

Von Sebastian Riemer

Heidelberg. Der Wahlkampf zehrt an den Nerven der Bewerberinnen und Bewerber um das Amt des Oberbürgermeisters in Heidelberg. Denn auch Politiker sind Menschen. Und wie gehen die eigentlich miteinander um, wenn es mal nicht um Politik geht? Um das herauszufinden, hat die RNZ die drei größten Konkurrenten zu einer Runde Minigolf eingeladen. Ortstermin in "Oma’s Biergarten" in Kirchheim, vor einer Woche, nachmittags, bei 30 Grad – es treffen aufeinander: Amtsinhaber Eckart Würzner (parteilos), Hauptkontrahentin Theresia Bauer (Grüne) und der Mann mit den Außenseiterchancen, Sören Michelsburg (SPD).

> Würzner scrollt, Bauer trägt Limette, Michelsburg frotzelt: Eckart Würzner ist schon da, als das RNZ-Team anrückt. Zehn Minuten zu früh. Er sitzt mit dem sommerlichen Strohhut, den er neuerdings dauernd trägt, und dem Handy in der Hand im Strandstuhl, scrollt, schreibt Nachrichten. Der Oberbürgermeister wirkt angespannt. Am Tag zuvor musste er um Entschuldigung bitten, weil er in seinem Wahlkampf-Podcast das N-Wort benutzt hatte, als er über seine Liebe zu Schaumküssen ("N... küsse") in Jugendzeiten sprach. Im Laufe dieses Tages greift sogar die Deutsche Presseagentur den Eklat auf. Doch davon ist beim Minigolf keine Rede. Auch seine Mitbewerber Theresia Bauer und Sören Michelsburg, die jetzt pünktlich eintrudeln, sprechen das Thema in den nächsten anderthalb Stunden nicht an.

Im Gegenteil: Freundliche Begrüßung, man kennt sich ja seit Jahren. Würzner legt das Handy weg, zieht die Sonnenbrille auf, schaltet im Kopf um, macht sich locker. Als Bauer und Michelsburg erzählen, sie seien mit dem Rad da, haut der OB den ersten Gag raus: "Ich auch, aber ich hab meinen Privatjet drüben am Airfield geparkt." Bauer (grünes Polo-Shirt, grüne Schuhe mit Limetten drauf) gibt sich ebenfalls entspannt – und gesteht: Sie hat vor ein paar Tagen geübt, mit Freundinnen und ihrer Nachbarin, auf genau dieser Anlage.

Würzner will jetzt anfangen, verweist freundlich auf Anschlusstermine: "Ich fänd’s gut, wenn wir in 90 Minuten durch sind." Das nutzt Michelsburg, der einzige in kurzer Hose ("30 Grad ist mein Grenzwert, dann ist kurze Hose okay"), für seine erste Frotzelei: "Also ich habe viel Zeit mitgebracht. Ich bin ja auch der Einzige hier, der noch 16 Jahre lang OB machen kann." Der 33-Jährige ist ein Vierteljahrhundert jünger als seine Konkurrenz. Würzner (60) und Bauer (57) ignorieren den Kommentar.

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> Kinderspiele an Bahn eins: Würzner verliert bei Schere-Stein-Papier ("Jetzt spielen wir schon Kinderspiele", lacht er) und muss an Loch eins als erster ran. Michelsburg siezt Würzner – wahrscheinlich, weil die RNZ zuhört. Aber Würzner duzt ihn so penetrant zurück, dass Michelsburg ebenfalls zum Du übergeht. Auch Bauer und Michelsburg duzen sich. Würzner und Bauer wiederum vermeiden die direkte Anrede bis zum Schluss. Die erste Bahn ist gerade und hindernislos. Würzner braucht vier Schläge, Bauer und Michelsburg drei. Schnell ist klar: Das wird spannend, denn das Niveau bewegt sich bei allen dreien im Hobbybereich – auch wenn Bauer ab und zu ein wenig über den Ball haut.

> Harmlose Sticheleien: "Du hast doch heimlich trainiert, du bist doch mit deinen Schülern jedes Jahr hier", stichelt Würzner in Richtung Gemeinschaftsschullehrer Michelsburg – der seine Umhängetasche das ganze Spiel über trägt. Würzner ist jetzt gut drauf, lacht viel und hat offenbar Spaß am Spiel. Michelsburg kontert, als Würzners Ball kurz vor dem Loch abgelenkt wird: "So ist das mit den Schlaglöchern." Bauer reißt keine Sprüche, ist die zurückhaltendste der Drei. Als sie an Bahn fünf beim Abschlag erst von rechts, dann von links an den Ball tritt, kommentiert Würzner augenzwinkernd: "Da wird wieder taktiert." Kritischer werden seine Kommentare in ihre Richtung heute nicht mehr.

> Die Locker-und-sympathisch-Strategie: Die drei OB-Kandidaten sind ausnehmend freundlich zueinander. "Oh, bitter", fühlt Bauer mit, wenn Michelsburg das Loch verfehlt. "Das war knapp", muntert Würzner auf, als Bauer daneben schlägt. Alle drei jagen heute dem Fairness-Preis nach. Über Smalltalk kommen sie aber nicht hinaus. Die RNZ ist da, schreibt mit – doch keiner der drei nutzt die Chance, ein Thema zu setzen. Offenbar hat das Trio die gleiche Strategie: Sympathisch und locker rüberkommen, keine Angriffsfläche bieten. Man merkt: Abseits des Minigolfspiels will niemand einen Fehler machen, ja nicht in ein Fettnäpfchen treten.

> Breite Mitte oder Engstelle rechts? Auf Bahn sechs gibt es in der Mitte einen breiten und rechts einen schmalen Tunnel – beide führen in Richtung Loch. Wer die Mitte wählt, kommt leichter durch das Hindernis, kann aber nicht direkt einlochen. Der Tunnel rechts ist schmaler, doch wer ihn trifft, landet vielleicht direkt im Loch. Alle drei Kandidaten wählen die Mitte. Alle drei Kandidaten brauchen drei Schläge. Würzner liegt im Gesamtklassement vorne.

> Bauer tröstet ihre Konkurrenten: Der OB haut an Bahn sieben so stark auf den Ball, dass der einfach über das Spiralhindernis hinaus in Richtung Loch fliegt. "Das gildet", grinst er, geht zielstrebig zum Ball – und nimmt ihn auf, um ihn wieder auf die Startposition zu legen. Sportsmann Würzner. Aber Michelsburg und er kriegen den Ball beide nicht ins Loch, müssen die erste sieben eintragen. Bauer, die in vier Schlägen einlocht, tröstet ihre Konkurrenten: "Das wird uns jetzt allen passieren."

> "Ein bisschen selbstbewusster": Bauer trifft den Ball manchmal nicht richtig, wie Michelsburg analysiert hat. "Du bist in Rückenlage", sagt er. Sie müsse anders zum Ball stehen, rät der Stadtrat der Ministerin, "ein bisschen selbstbewusster". Bauer beherzigt’s und locht an Bahn acht nach mehreren Fehlversuchen doch noch ein.

> Wie der Wahlkampf nervt: Nach Loch neun bringt Oliver Lechner von "Oma’s Biergarten" stilles Wasser für alle. Halbzeit. Würzner erzählt, wie anstrengend der Wahlkampf ist: "Wir sind zu 14 Podiumsdiskussionen eingeladen!" Bis zur Wahl habe er quasi keinen freien Abend. Das sei ja okay, aber was ihn schon schlauche: "Social Media – das kommt heute ja auch noch alles dazu. Instagram, Facebook, das war früher nicht so." Würzner wird im Wahlkampf stets von einem mehrköpfigen Filmteam begleitet, das aufwendig und professionell produzierte Inhalte für alle Kanäle produziert. Bauer und Michelsburg steigen nicht groß auf Würzners Klage ein.

> Michelsburg löst Wahlkampfslogan ein: An Bahn elf – in der Mitte ein Hügel, darauf das Loch – will Würzner direkt versenken und trifft mit keinem Schlag. Michelsburg legt sich den Ball klug vor, macht eine Drei – und freut sich diebisch: "Hier war Cleverness gefragt", lacht er, "da muss man mit Köpfchen spielen." Das ist er jetzt ganz nah an seinem Wahlkampfslogan "Heidelberg kann smarter". Er hat Spaß – die anderen beiden schweigen lächelnd.

> Die Killerbahn: Bahn 14, die Nemesis aller Hobby-Minigolfer: das erhöht hängende Netz. Bauer trifft nicht. Michelsburg trifft nicht. Würzner scherzt: "Wenn wir gleich an die Bar gehen, sagen die: Das Netz hat noch nie einer getroffen." Dann versucht er’s – und versenkt im vierten Anlauf. Würzner ballt die Faust, freut sich sichtlich – versagt sich aber jedes Triumphgeheul. "Das hat doch nur was mit Glück zu tun", sagt der Oberbürgermeister. In diesem Moment wirkt er staatsmännisch.

> So ist es im Leben: Fünf Bahnen vor Schluss führt Würzner nur knapp vor Michelsburg und Bauer. Doch dann geht bei der Ministerin nichts mehr: vier Siebener in Folge. Als sie an einem recht leichten Loch Probleme hat, analysiert Würzner: "Bei schwierigen Aufgaben ist die Konzentration höher, bei leichten lässt sie nach. Das ist oft so im Leben." Dann ist er dran – und muss auch eine Sieben eintragen.

> Wie im Gemeinderat: Angesichts der vielen Fehlversuche aller drei an Loch 17 fällt Michelsburg ein Spruch ein: "Das ist wie in der Heidelberger Politik: Der Versuch war noch nicht ganz perfekt – da drehen wir lieber noch ne Extrarunde."

> Am letzten Loch: Die finale Bahn, Nummer 18, endlich locht Bauer mal wieder ein. "Super", kommentiert Würzner fast euphorisch. "Die Bahn soll am Ende noch mal trösten", analysiert die Grüne lächelnd.

> Minigolf ist Minigolf – und Wahlkampf ist Wahlkampf: Die RNZ zählt als unabhängige Jury das Ergebnis aus: Würzner gewinnt mit 68 Schlägen, vor Michelsburg mit 74 und Bauer mit 82. Michelsburg hat wieder als erster einen Spruch auf den Lippen: "Zweiter – mit dem Ergebnis kann ich im ersten Wahlgang leben." Im Videointerview lässt sich auch Bauer auf das Spielchen des RNZ-Reporters ein, aus dem Minigolfspiel Prognosen für den Wahlausgang herauszulesen: "Ich würde sagen, bei der Wahl läuft’s umgekehrt." Würzner sagt indes: "Also ich glaube, wir haben heute nett Minigolf gespielt. Daraus was abzuleiten, ist schon ziemlich anstrengend." Zu weiteren Wahlanalogien lässt sich dann keiner der drei mehr hinreißen. "Wir haben zwei nette Stündchen miteinander verbracht", resümiert Bauer.

Noch ein gemeinsames Getränk an der Bar? Nein, keine Zeit. Alle drei zieht es weiter: Der echte Wahlkampf ruft.

 
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