OB-Wahl Heidelberg 2022

Bauers Pläne gegen die Wohnungsnot

Die OB-Kandidatin diskutierte in der Bahnstadt über eines der größten Probleme der Stadt.

04.05.2022 UPDATE: 05.05.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 27 Sekunden
Beim inhaltlichen Wahlkampfauftakt der grünen OB-Kandidatin Theresia Bauer (3.v.r.) im Bürgerhaus Bahnstadt ging es am Dienstagabend ums Thema Wohnen. Zu der Dialogveranstaltung hatte Bauer einige Experten geladen (vorne stehend, v.l.): Sebastian Erhard, Peter Stammer, Moderator Manuel Steinbrenner, Lothar Binding, Leander von Detten. Foto: Rothe

Von Sebastian Riemer

Heidelberg. Sechs Monate vor der OB-Wahl am 6. November hat Grünen-Kandidatin Theresia Bauer ihren Wahlkampf inhaltlich begonnen. Zum Auftakt der vierteiligen Reihe "Theresia Bauer im Dialog" ging es am Dienstagabend im Bürgerhaus Bahnstadt ums Wohnen. "Bauen, bauen, bauen – das allein reicht nicht, um den Mangel an bezahlbarem Wohnraum in unserer Stadt zu beseitigen", sagte Bauer in ihrem Eröffnungsvortrag vor 60 Besuchern. In den letzten 20 Jahren seien in Heidelberg 11.000 Wohnungen entstanden – aber 20.000 Einwohner dazugekommen. "Immer weiter Flächen erschließen auf Kosten von Natur und Landwirtschaft, ist nicht die richtige Antwort", so die Landtagsabgeordnete.

Es gebe weniger einen Mangel an Wohnraum, sondern vor allem ein Verteilungsproblem. Bauer illustrierte das an der Bahnstadt: Ursprünglich bekamen dort 372 Haushalte – zwölf Prozent aller Wohnungen im Stadtteil – über die sogenannte Subjektförderung Mietzuschüsse. Ende 2023 endet diese Förderung. Doch bis dahin wird es als Ersatz wohl nur 86 Einheiten – also weniger als drei Prozent der über 3000 Bahnstadt-Wohnungen – in der Objektförderung geben. Dabei wird der Wohnungsbau gefördert, um die Miete zu senken. "Diese Zahlen erklären einen großen Teil unseres Problems", so Bauer.

In Heidelberg würden Flächen häufig schnell weitergegeben: "Oft in wenig transparenten großen Vergaben nach der Logik: Wer bezahlt am meisten?" Davon profitierten große Konzerne. "Kleine Baugruppen haben da keine Chance", sagte Bauer. "Wir haben hier acht tolle Projekte von Baugruppen realisiert oder in Planung – in Tübingen waren es in den letzten Jahren 150!"

Bauer plädiert für eine "aktivere Wohnungspolitik" mit kleinteiliger Vergabe von Flächen etwa an Genossenschaften. Es brauche "ein Set an Instrumenten". In Heidelberg gebe es über 500 Baulücken, die man füllen könne. "Und wir müssen mehr in die Höhe bauen", so Bauer. Viele Häuser könne man aufstocken oder den Dachstuhl ausbauen – so entstehe mehr Wohnraum ohne neue Versiegelung.

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Richtig emotional wurde die 57-jährige Pfaffengrunderin beim Thema Patrick-Henry-Village (PHV): "Immer wenn ich an diesen leer stehenden Häusern in PHV vorbeijogge, packt mich die Wut." Sie verstehe nicht, wieso die Gebäude dort nicht wenigstens als Zwischennutzung bewohnt werden könnten. "Seit acht Jahren stehen die leer. Ich finde das moralisch verwerflich!" OB Würzner habe 2019 in der RNZ angekündigt, dass 2020 die ersten Pioniere ins PHV einzögen. "Jetzt ist 2022 und da wohnt immer noch keiner." Da man auf dem Areal einiges abreißen müsse, plädiere sie dafür, dann ein Bauprojekt mit Recyclingbeton zu starten.

Nach Bauer kamen vier geladene Experten zu Wort – schließlich gehe es Theresia Bauer um den Dialog, sagte der Moderator des Abends, Grünen-Stadtrat Manuel Steinbrenner: "Wir wollen nicht alles besser wissen, wir wollen es besser machen."

Die Lage auf dem Bau- und Wohnungsmarkt schilderte Peter Stammer von der Baugenossenschaft Familienheim Heidelberg in düsteren Worten. "Ich mache das seit 35 Jahren – und war noch nie so verzweifelt wie in den letzten fünf Monaten", so Stammer. Durch die Decke schießende Bau- und Grundstückspreise, Handwerkermangel, Lieferengpässe – all das habe zu dem Beschluss geführt, dass die Genossenschaft mit ihren über 1100 Mietwohnungen nach 74 Jahren keine Neubau-Projekte mehr angehe. "Wir widmen uns dem Bestand, weil es uns nicht mehr möglich ist, günstige Wohnungen neu zu bauen." Die Familienheim ist zwar Teil der Projektgesellschaft, die in Mark-Twain-Village günstigen Wohnraum schafft. Aber Stammer sagt auch: "Ich bin seit 1998 in Heidelberg. Seitdem durften wir kein einziges städtisches Grundstück bebauen."

Sebastian Erhard von der Gruppe "Wohnso", die in Heidelberg gemeinsam ein Haus kaufen möchte, und Leander von Detten vom "Collegium Academicum" plädierten dafür, die halbe Stelle im Amt für Stadtentwicklung, die sich um Wohnprojekte kümmert, aufzustocken. Und Mietervereinsvorsitzender und Ex-SPD-Bundestagsabgeordneter Lothar Binding bestärkte Theresia Bauer darin, dass die Stadt stärker gegen Leerstand vorgehen müsse. Der Haken an der Sache sei: "Die Stadt lässt selbst seit Jahren eigene Gebäude leer stehen."

Bis kurz vor halb elf dauerte die Diskussion mit dem Publikum. Theresia Bauer hatte viel mitgeschrieben – und resümierte: "Ich habe viel gelernt heute."

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