Heidelberger Studierende bauen ein eigenes Wohnheim
Die Preise für WG-Zimmer steigen. Nutzen Vermieter die angespannte Lage aus?

Von Jana Esken
Heidelberg. Die Wohnkosten steigen – auch für Studierende. Für ein WG-Zimmer werden mittlerweile im Durchschnitt 400 Euro verlangt, für eine typische Studentenwohnung in Heidelberg sind es sogar über 500 Euro. Viel Geld für wenig Wohnraum. Ein Heidelberger Student hält dagegen. Gemeinsam mit einer Projektgruppe entwickelte er eine pfiffige Idee: Er baut sein eigenes Wohnheim.
Es ist ein kleines Zimmer auf einer großen Baustelle. Zwischen piepsenden Baggern und Kränen, die Betonplatten verladen, steht ein kleiner Container – in ihm die typische Studenteneinrichtung: Ein Schreibtisch, ein kleines Bett, ein Bücherregal und ein Wasserkocher. Auf das Bett ist Claus Sarnighausen besonders stolz: "Die Architekten haben das so designt, aber wir haben darunter noch mehr Platz geschaffen", erzählt der 21-jährige Physikstudent, während er die Holzkonstruktion nach oben klappt.
Auf der Heidelberger Konversionsfläche "US-Hospital" entsteht ein neues Studierendenwohnheim. Das Besondere: Die Bewohnerinnen und Bewohner werden es selbst verwalten. Miethöhe, neue Bewohner, Projekte – über all das werden sie basisdemokratisch entscheiden, nach dem Konzept des Mietshäusersyndikats. Die dreißigköpfige Projektgruppe "Collegium Academicum" ist für das Projekt zuständig. Claus Sarnighausen ist einer von ihnen und kümmert sich hauptsächlich um die Möbel. Nicht nur die Betten, auch die Wände der Zimmer bestehen aus Holz und lassen sich flexibel klappen: "Man kann größere Einzelräume haben und die dann verkleinern, wenn man mal eine WG-Party schmeißen will", freut sich Sarnighausen.
Wohnheime sind eine günstige Möglichkeit für Studierende, in Uninähe zu wohnen und mit anderen zusammenzukommen. In Heidelberg war laut Deutschem Studierendenwerk 2020 ungefähr jeder sechste Studierende in einem Wohnheim untergebracht – ein höherer Anteil als in Baden-Württemberg und Deutschland. Ein Wohnheimzimmer des Heidelberger Studierendenwerks kostet zwischen 170 und 350 Euro. Private Wohnheimbetreiber wie "Campus Viva", "Focus Homes" oder "Campus Gardens" verlangen über 400 Euro Kaltmiete für 20 Quadratmeter.
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Auch WG-Zimmer, in denen laut Deutschem Studierendenwerk ein Drittel der Studierenden lebt, sind oft teuer. In Deutschland lag der Preis eines WG-Zimmers 2020 bei durchschnittlich 400 Euro, wie das Moses-Mendelsohn-Institut berichtete – trotz Corona 10 Euro mehr als im Vorjahr. Am teuersten war München mit durchschnittlich 650 Euro, Heidelberg liegt mit 390 Euro etwas unter dem Durchschnitt. Wohnen Studierende alleine oder mit ihrem Partner (21 Prozent), dann oft in sehr kleinen Wohnungen. Laut Institut der deutschen Wirtschaft kostet eine 30-Quadratmeter-Wohnung in Heidelberger Uninähe knapp über 500 Euro.
Peter Abelmann ist Vorsitzender des Heidelberger Studierendenrates. Nachdem er 2017 seinen Studienplatz bekommen hatte und aus Essen nach Heidelberg kam, wohnte er wochenlang im Hotel und besichtigte zig Wohnungen und WGs. "Bei der 60. Besichtigung, ich habe die Zahl nicht mehr im Kopf, hatte ich dann Glück – aber nur, weil ich dem Vormieter sympathisch war", berichtet der 31-jährige.
Peter wohnt in einer relativ großzügigen, bezahlbaren Wohnung – zumindest mit mehreren Aushilfsjobs an der Uni kann er sie finanzieren. Vorher hätte er jedes Wohnungsangebot angenommen – ohne Erfolg. "Die berühmten Altstadtwohnungen mit aufgezogenen Trennwänden, wo die Toilette mitten im Wohnzimmerbereich reingebaut ist, die hätte ich auch genommen. Am Ende hätte ich alles genommen, auch das Klappbett im feuchten Keller", sagt Peter. Der 31-Jährige glaubt nicht, dass seine Wohnung und Lebenshaltungskosten allein durch Nebenjobs finanzierbar wären, wenn er nur 40 Stunden im Monat arbeiten würde. So sind es 85.
Laut einer Sozialerhebung des deutschen Studierendenwerks von 2016 hatten Studierende durchschnittlich 918 Euro im Monat zur Verfügung – der aktuelle BaföG-Höchstsatz liegt bei 861 Euro. 323 Euro gehen im Monat durchschnittlich für die Miete drauf. Hier werden auch die 20 Prozent mit eingerechnet, die bei den Eltern leben und keine Miete zahlen.
Peter Abelmann hat den Verdacht, dass Vermieter ihn nicht wollten, weil er zu genau nachgefragt hat – beispielsweise danach, ob Küche oder Bad den Instandhaltungsrichtlinien entsprechen: "Ich habe bei einigen das Gefühl gehabt, die nutzen das so ein bisschen aus, dass die Studenten so wild suchen und alles nehmen, was geht". Auch der Studierendenrat würde von einigen kontaktiert, die sich ausgenutzt fühlen.
Beate Otto, Rechtsanwältin beim Heidelberger Mieterverein, kennt die Situation, dass Studierende von Vermietern ausgenutzt werden – hauptsächlich bei WGs: "Wenn einer auszieht, versuchen die Vermieter oft zu tricksen und die Miete zu erhöhen". Außerdem wüssten WGs oft nicht, was es bedeutet, wenn alle als Hauptmieter einziehen – wenn einer nicht zahlungsfähig ist, haften die anderen.
Davon, dass eine Toilette mitten im Wohnzimmer verbaut ist, hat Beate Otto noch nicht gehört – "ich kenne aber viele Fälle, wo Billigstmobiliar aus Pressspanplatten vermietet wird und die Mieter beim Auszug penibel Schäden in Rechnung gestellt bekommen". Ottos Erfahrung nach sind Studierende allerdings gut über ihre Rechte als Mieter informiert: "Studenten googeln ja auch und sind oft klug genug, noch einmal nachzufragen".
Seine Rechte kennen und nachfragen – das ist auch für Claus Sarnighausen wichtig. Ihm hat es geholfen, sich mit einem Projektteam zusammenzutun: "Was ich hier cool finde, ist, dass man immer wieder merkt, wie Sachen, die unmöglich scheinen, möglich werden durch gute Organisation. Menschen von der Stadt ansprechen, von der Bank oder Architekten. Aber mehr Zeit hat Sarnighausen nicht. Er muss weiter, Über Betonklötze klettert der quirlige Student, am Baustellenschlamm vorbei, zum nächsten Termin. Es müssen noch viele Möbel gebaut und viele Menschen angesprochen werden, damit im November 176 Studierende ein neues Zuhause bekommen – für 315 Euro und selbstverwaltet.



