Heidelberg soll die Blockadehaltung aufgeben
Streit um "Faulen Pelz": Das Ministerium sieht kein eigenes Verschulden und hofft auf eine Einigung.

Das ehemaligen Gefängnis "Faule Pelz" in der Heidelberger Altstadt. Archivfoto: Dagmar Welker
Heidelberg. (hob) Das Land bittet die Stadt Heidelberg, den Maßregelvollzug im "Faulen Pelz" nicht weiter hinauszuzögern oder gar zu blockieren. "Wir sind auf jeden Tag angewiesen", sagte Leonie Dirks, Amtschefin im Sozialministerium im Gespräch mit der RNZ. Die bis zu 80 Plätze würden dringend gebraucht, ansonsten könnten weitere suchtkranke Straftäter in Freiheit entlassen werden. 17 Mal sei dies in diesem Jahr schon gesehen, hatte Minister Manne Lucha bereits Anfang Juni im Heidelberger Gemeinderat bekundet.
Die Stadträte werden an diesem Mittwoch im Haupt- und Finanzausschuss darüber beraten, wie es im Streit zwischen Stadt und Land weitergehen soll. Aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses, nämlich der Wahrung der öffentlichen Sicherheit, hat das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Antrag des Sozialministeriums stattgegeben und der Stadt Heidelberg die Planungshoheit für den "Faulen Pelz" entzogen. Der Gemeinderat hatte hingegen beschlossen, gegen solch eine Entscheidung beim Verwaltungsgericht Klage einreichen zu wollen. Bislang ist das noch nicht geschehen. Bis zur endgültigen Entscheidung müssen die Arbeiten für den Maßregelvollzug ruhen.
Eine Umfrage der RNZ bei den zuständigen Ministerien in Bayern, Rheinland-Pfalz und Hessen hatte ergeben, dass die Nachbarländer Baden-Württembergs bislang noch keine Straftäter freilassen mussten. Dirks und ihr Mitarbeiter Udo Frank vom Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg weisen aber Vorwürfe zurück, wonach das Sozialministerium seinen Engpass beim Maßregelvollzug selbst verschuldet habe. "Bis Ende 2017 ist der Bedarf nur leicht gestiegen, seitdem haben sich die gerichtlichen Zuweisungen erheblich gesteigert", sagt Frank. Trotzdem sei es gelungen, in Baden-Württemberg in den letzten vier Jahren rund 300 zusätzliche Plätze für suchtkranke und psychisch kranke Straftäter zu schaffen. "Wenn man berücksichtigt, dass eine durchschnittliche Klinik etwa 150 Plätze hat, ist das sehr viel", so Frank: "Ich glaube nicht, dass das viele Länder hätten stemmen können."
An allen acht Standorten im Land sei extrem nachverdichtet worden. Im Übrigen hätten sehr wohl alle Bundesländer ähnliche Probleme wie Baden-Württemberg. Erst vor Kurzem hatte Sachsen-Anhalt alle anderen Länderregierungen angefragt, ob sie mit freien Plätzen im Maßregelvollzug aushelfen könnten – und von allen eine Absage erhalten.
Der größte Mangel in Baden-Württemberg besteht in den Augen Franks an den "besonders gesicherten Plätzen", also für die Straftäter, die frisch vom Gefängnis in den Maßregelvollzug verlegt werden und daher besonders bewacht werden müssen. Der "Faule Pelz" sei dafür nicht nur die beste, sondern die einzige Lösung. In Heidelberg sollten die Patienten auf Therapieeignung geprüft und antherapiert, bevor sie in andere Entzugskliniken verlegt werden.
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Mit der Vorlage eines neuen Vertragsentwurfs, in dem das Ministerium garantiert, den "Faulen Pelz" bis zum Sommer 2025 wieder freizugeben, sei man deutlich auf die Stadt zugegangen, sagt Dirks: "Wir wollen auch die universitäre Nachnutzung vorantreiben." Auch wenn sich aktuell die Nutzung des "Faulen Pelzes" verzögere, wolle man am Auszugsdatum festhalten. Wenn die Heidelberger kein Vertrauen darin haben, dass das Land diesen Termin halten kann, könne über die Vertragsstrafe gesprochen werden. Im aktuellen Entwurf ist solch eine Strafe bei Fristüberschreitung genannt, ihre Höhe müsste noch ausgehandelt werden.