Thomas Strobls Hand beim "Faulen Pelz" bleibt "ausgestreckt"
Im Interview spricht der Innenminister über den Streit um das leerstehende Heidelberger Gefängnis und seine Sorgen um die Cybersicherheit im Land.



(62) Innenminister
Von Klaus Welzel
Heidelberg. Thomas Strobl (62) war am Donnerstag in Heidelberg, um sich mit seinen Länderkollegen über Cyberkriminalität auszutauschen. Beim RNZ-Redaktionsbesuch ging es auch um das Dauerstreitthema "Fauler Pelz" sowie eine mögliche Laufzeitverlängerung für Neckarwestheim 2.
Herr Minister Strobl, warum meint es die Landesregierung so schlecht mit Heidelberg? Erst wird - entgegen der anfänglichen Zusicherung - aus der Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge eine Dauereinrichtung, jetzt will das Land - wieder angeblich vorübergehend - den "Faulen Pelz", das hiesige leerstehende Gefängnis, für den Maßregelvollzug nutzen - und das gegen den Willen des Gemeinderates.
Die Stadt Heidelberg und das Land Baden-Württemberg machen viel Gutes miteinander. Wir arbeiten seit vielen Jahren hervorragend zusammen. Gerade heute Vormittag haben wir das digitale Bürgerbüro miteinander zum Laufen gebracht. Das Amt kommt hier zum Bürger. Ein Projekt, das vom Land mit 880.000 Euro unterstützt wird. Zusammen mit Heidelberg stellen wir ein tolles zukunftsweisendes Projekt miteinander auf die Beine – und machen Baden-Württemberg zum Trendsetter in Sachen Digitalisierung.
Jetzt weichen Sie aber aus …
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Seit 2016 fahren wir als Land eine milliardenschwere Investitionsoffensive, um den digitalen Wandel voranzubringen. Rund 3,6 Milliarden haben wir dafür in die Hand genommen – und damit nicht nur die digitale Infrastruktur massiv ausgebaut, sondern auch digitale Leuchttürme wie das digitale Bürgeramt mit an den Start gebracht. Nehmen Sie den Breitbandausbau: Da haben wir richtig den Turbo eingelegt – und durch eine intelligente Förderpolitik mehr Mittel vom Bund abgeholt als jedes andere Bundesland. Über 3,2 Milliarden Euro sind seit 2016 von Bund und Land in den Breitbandausbau geflossen – und die Maßnahmen wirken.
Das Thema fällt nicht in Ihr Ressort, aber Sie sind ja auch der stellvertretende Ministerpräsident im Land. Und jetzt haben wir mit der Nutzung des "Faulen Pelzes" für den Maßregelvollzug einen handfesten Konflikt. Wie kommunizieren Sie solche Problemfälle eigentlich im Kabinett?
Wie Sie richtig sagen: Der Maßregelvollzug fällt in das Ressort des Kollegen Manne Lucha. Der Kollege Lucha hat im Ministerrat darüber berichtet. Das war für mich nachvollziehbar und ich weiß, dass der Kollege sich die Sache sehr intensiv angeschaut hat. Ganz grundsätzlich muss man sehen: Maßregelvollzug und Haft sind zwei sehr unterschiedliche Dinge. Beim Maßregelvollzug geht es um Menschen, die krank sind, suchtkrank und denen wir eine Therapie anbieten. Umgekehrt – und da teile ich die Sorgen in Heidelberg – muss man sicherstellen, dass die Betroffenen gut untergebracht sind. Und das sage ich als Innenminister: Es darf keine Sicherheitsdefizite geben. Insofern sind wir verpflichtet, weiterhin gut und konstruktiv miteinander zu arbeiten. Die Hand des Landes Baden-Württemberg bleibt jedenfalls ausgestreckt.
In Heidelberg haben Sie nicht nur das digitale Bürgerbüro eröffnet, sondern sich auch mit den Digitalministern aus den Bund und Ländern getroffen, um über Cyber-Sicherheit zu beraten. Gibt es da Erfahrungsunterschiede zwischen den Ländern?
Zunächst einmal müssen wir sehen: Mit dem völkerrechtwidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine hat sich die Cybersicherheitslage in Deutschland dramatisch verändert. Cyberangriffe, Propaganda und Desinformation sind Teil dieses Kriegs. Die Lage hat sich verschärft.
Ist sie gestiegen durch den Krieg in der Ukraine?
Absolut. Als ich vor Jahren vor Cyberangriffen und auch den Gefahren eines Cyber-Wars gewarnt habe, haben viele nur milde gelächelt. Spätestens heute ist allen klar: Kriege werden jetzt auch über das Netz geführt. Dafür müssen wir uns aufstellen, dagegen müssen wir uns wappnen. Putins Krieg ist ja nicht nur ein territorialer Krieg, sondern auch ein Krieg im Netz. Und dort sind jetzt sind nicht nur Hacker oder Kriminelle aktiv, sondern auch Staaten, die uns angreifen. Konkret heißt das: Wir müssen uns künftig nicht nur für die territoriale Souveränität, sondern auch die digitale Souveränität kümmern – und weiter massiv und verstärkt in die Cybersicherheit investieren. Denn das sind Investitionen in die Sicherheit unseres Landes, in unsere Versorgungssicherheit und die Unversehrtheit unserer lebenserhaltenden Infrastrukturen.
Sie reden von Russland oder auch China?
Wir haben Angriffe aus allen Himmelsrichtungen – weltweit. Russland spielt eine große Rolle, aber es gibt auch andere Staaten – etwa Nordkorea.
Es gibt ja auch viel Desinformation im Netz – auch seitens Russland. Wie stehen Sie denn zur Idee einer europäischen Internet-Plattform nach dem Vorbild des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland, um einen Platz für vertrauenswürdige Nachrichten zu schaffen?
Leider müssen wir feststellen, dass Soziale Medien zum Brandbeschleuniger von Desinformation, von Hass und Hetze werden. Hier liegt viel Arbeit vor uns, darum kümmern wir uns als Landesregierung ganz intensiv. Hier brauchen wir auch eine gesellschaftliche Kurskorrektur. Und natürlich geht es in dem Zusammenhang auch um die digitale Souveränität in Europa. Wir können uns dabei weder auf Asien noch auf Amerika verlassen. Wir brauchen Plattformen, die unseren Wertevorstellungen entsprechen. Kurz: Wir brauchen einen europäischen Weg zu Datensicherheit und Datensouveränität.
Kommen wir noch einmal auf die Cybersicherheit zurück: Kann das Land hier alleine überhaupt etwas ausrichten. Der Kriminalität im Netz ist ja international?
Wir haben seit vielen Jahren eine eigene Abteilung Cybercrime im LKA mit einer dreistelligen Anzahl an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich ausschließlich um Kriminalität im Netz kümmert. Das Netz ist kein rechtsfreier Raum. Wir waren eines der ersten Länder mit einer Cybersicherheitsstrategie. Dann haben wir die Cybersicherheitsagentur Baden-Württemberg gegründet. Sie soll die zentrale Stelle beim Thema Cybersicherheit sein, wichtig in der Prävention, ein wichtiger Ansprechpartner, der Wissen verknüpft und ganz konkret bei Cyberangriffen Hilfe leistet.
Von Putins Krieg ist es ein kurzer Weg zur Energiekrise: Wie stehen Sie zur Verlängerung der Laufzeit für Neckwestheim 2, das Atomkraftwerk soll ja Ende des Jahres vom Netz gehen?
Die CDU Baden-Württemberg und auch ich persönlich können uns eine sehr kurze Verlängerung vorstellen, damit wir gut durch den nächsten Winter kommen. Der Winter 2022/23 wird voraussichtlich der schwerste seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Wir sollten alles tun, um gut durch den Winter zu kommen! Wir reden hier von zwei bis maximal drei Monaten. Hier gibt es unterschiedliche Positionen und ich habe auch zur Kenntnis genommen, dass diese Frage in der Ampel-Regierung sehr schnell abgehakt wurde, was mich angesichts der Dramatik der Lage sehr irritiert.
Die Argumentation lautete ja: Wir brauchen keinen Strom, wir brauchen Gas.
Kohlekraftwerke produzieren auch kein Gas. Es geht darum: Mit den AKW's können wir Strom produzieren und dadurch Gaskraftwerke, die Strom produzieren, an der Stelle entlasten. Wir haben dadurch zwar nicht mehr Strom, aber einen geringeren Gasverbrauch. Zudem müssen wir davon ausgehen, künftig einen höheren Strombedarf zu haben, zum, Beispiel wenn wir Gasheizungen durch Wärmepumpen ersetzen.
Aber Kohlekraftwerke können länger laufen. Die Kohleverstromung ist ja mit Sicherheit auf Jahre angelegt.
Unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes sehe ich das sehr kritisch bis gar nicht. Im Grunde müssen wir eines verstehen: Im Lichte des Ukraine-Krieges ist der Ausbau der Erneuerbaren nicht nur zu einer klimapolitischen, sondern zu einer sicherheits-, wirtschafts- und geopolitischen Aufgabe geworden. Deshalb brauchen wir jetzt einen massiven Booster beim Ausbau der Erneuerbaren und müssen den noch viel stärker vorantreiben, als das bislang der Fall war!
Sie selbst haben einem Journalisten ein vertrauliches Dokument gegeben
Ein Anwaltsschreiben...
Sie haben ihm ein Anwaltsschreiben gegeben und müssen sich deshalb einem Untersuchungsausschuss im Landtag stellen.
Wir sollten uns in Erinnerung rufen: Ausgangspunkt ist der Vorwurf der sexuellen Belästigung gegen einen hochrangigen Mitarbeiter der Polizei. Ich habe in diesem Fall gesagt, dass wir von Anfang an mit maximaler Transparenz und maximaler Aufklärung vorangehen werden. Ich habe nichts verheimlicht, sondern einem Journalisten das Schreiben überlassen.
Ihr Ministerium hat aber anfangs die Weitergabe bestritten.
Das ist so nicht richtig. Das Innenministerium hat den Hergang um die Weitergabe des Schreibens im Unklaren gelassen.
Würden Sie die Weitergabe im Nachhinein als Fehler bezeichnen?
Es gibt manchmal Dinge, da ist man im Nachhinein klüger. Das möchte ich auch gar nicht in Abrede stellen. Fehler können passieren, keiner ist frei davon. Es gibt im Übrigen Menschen, die beschäftigen sich in erster Linie damit, welche Fehler andere machen. Ich beschäftige mich damit, das Land Baden-Württemberg voranzubringen.