Karlheinz Meier hatte immer das große Ganze im Blick
Forschungspreis ging an den verstorbenen Physiker

Den Forschungspreis für Karlheinz Meier nahmen anstelle des verstorbenen Physikers Annette Schimpke-Meier und Arbeitsgruppenleiter Johannes Schemmel (2.v.r.) von Stifter Manfred Lautenschläger (l.) und Unirektor Eitel entgegen. Foto: Joe
Von Ingrid Thoms-Hoffmann
Heidelberg. Es gibt Momente, selbst in einem wissenschaftlichen Rahmen, die sehr berührend sind. Eine zu Herzen gehende Ausnahmesituation erlebten die Gäste am Freitag in der Alten Aula der Universität, als der Lautenschläger-Forschungspreis an einen wegweisenden Wissenschaftler ging. Entgegengenommen wurde die hohe Auszeichnung von der Witwe. Der Preisträger, der Physiker Prof. Karlheinz Meier, war wenige Wochen zuvor plötzlich verstorben, kurz nachdem er erfahren hatte, dass der mit 250.000 Euro dotierte Preis an ihn und somit an sein Institut fallen würde.
Zum ersten Mal, so Unirektor Bernhard Eitel, gehe der Preis, der seit 2001 alle zwei Jahre vergeben wird und der höchstdotierte Forschungspreis eines privaten Stifters in Deutschland ist, an einen Forscher, "der nicht mehr unter uns ist". Eitel sprach von der "grandiosen Forschungsleistung" des Experimentalphysikers, dessen Visionen in seiner Arbeitsgruppe am Kirchhoff-Institut unter der Leitung von Johannes Schemmel lebendig bleiben werden. Meier, der nur 63 Jahre alt wurde, gilt als der Begründer des neuromorphen Rechnens an der Ruperto Carola. Die von ihm und seinen Kollegen entwickelten Chips verfügen über eine Besonderheit: Sie sind in der Lage, wichtige Eigenschaften biologischer Gehirne wie Energieeffizienz, Robustheit und insbesondere Lernfähigkeit nachzuahmen. Damit könnten sie eine wichtige Grundlage für die weitere Entwicklung künstlicher Intelligenz bilden, denn Computer sind beim Lösen von Rechenaufgaben zwar um ein Vielfaches schneller als Menschen, aber gegen die analytischen Fähigkeiten des Gehirns haben sie bislang keine Chance.
"Schreiben Sie bitte nicht, dass mein Mann mit dem ‚Human Brain Project‘ das menschliche Gehirn nachbauen wollte", sagte die Witwe Annette Schimpke-Meier am Rande der Preisverleihung. Ihr Mann habe sich immer schrecklich aufgeregt, wenn seine Arbeit wieder einmal falsch wiedergegeben wurde. "Er war Physiker und erkannte die Begrenztheit von Computern, hier wollte er weiterforschen. Und das Gehirn mit seinen unglaublichen Leistungen faszinierte ihn."
Auch das machte dieser Abend klar: Wie groß die Bandbreite des Wissens an dieser Universität ist. So berichtete Prof. Axel Michaels, Preisträger von 2015, über die Verwendung der Forschungsgelder zu Indiens und Nepals heiligen Kühen, gefolgt von einer kleinen Laudatio von Prof. Jana Zaumseil auf die junge promovierte Physikerin Claudia Backes, die sich mit Nanomaterialien beschäftigt. Sie bekam als Erste den Lautenschläger-Nachwuchs-Preis (25.000 Euro).
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Dann wurde Preisstifter Manfred Lautenschläger grundsätzlich: "Wissenschaft ist ein Schlüssel zur Zukunft. Wir müssen ihn allerdings mit Bedacht verwenden, denn er kann ebenso die Büchse der Pandora öffnen wie die Schatzkiste großartiger Erkenntnis." Und er mahnte an: "Gerade die naturwissenschaftliche Forschung ist zunehmend geprägt von der teamorientierten Arbeit an Mosaiksteinchen." Das berge auch die Gefahr, dass man nicht nur die Bedeutung des forschenden Individuums vergesse, sondern auch das große Ganze aus dem Blick verliere. Das "große Ganze" ist für Lautenschläger eine Welt, in der die gegenwärtige und auch nachfolgende Generationen gerne leben werden. Dafür unterstützt er die Wissenschaften - und fordert andere auf, es ihm nachzutun.



