Krankenpfleger am Uniklinikum

"Wir wissen nicht, was auf uns zukommt"

Julian Sanwald ist auszubildender Krankenpfleger am Heidelberger Uniklinikum – In einem Facebook-Post appelliert er dafür, zu Hause zu bleiben

20.03.2020 UPDATE: 21.03.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 13 Sekunden
Julian Sanwald.Foto: Thilo Ross

Von Philipp Neumayr

Heidelberg. Lokalpolitisch Interessierten ist der Name Julian Sanwald ein Begriff. Seit Mai 2019 sitzt er für die Heidelberger Grünen im Gemeinderat. In den vergangenen Tagen dürfte sich seine Bekanntheit aber noch einmal deutlich gesteigert haben. Der Grund: ein Facebook-Post, den der 24-Jährige am Mittwochnachmittag abgesetzt hat. Sanwald, auszubildender Gesundheits- und Krankenpfleger am Uniklinikum, appelliert darin an die Vernunft der Heidelberger, angesichts der Ausbreitung des Coronavirus zu Hause zu bleiben. Bis Freitagabend haben diesen Post weit über 3000 Menschen geteilt.

Herr Sanwald, Ihr Post hat für viel Aufmerksamkeit gesorgt. War das geplant?

Das war ehrlich gesagt eine spontane Sache. Auf dem Weg von der Arbeit habe ich viele Menschengruppen gesehen, die auf Bänken saßen, spazieren gingen oder Selfies von sich machten. Das hat mich einfach geärgert, jetzt, wo man weiß, wie gefährlich die Situation ist und wie viele Menschen in der Stadt alles dafür tun, damit sich die Krise nicht verschlimmert. Also habe ich mich zu Hause hingesetzt, einen Text formuliert, den ich dann online gestellt habe.

Sie haben angesprochen, was in den letzten Tagen oft zu beobachten war: Menschen, die Empfehlungen und Verordnungen von Behörden ignorieren oder sich sogar zu Corona-Partys verabreden. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?

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Ich habe das Gefühl, dass einigen Menschen das Verständnis für den Ernst der Lage fehlt. Es sind nicht nur jüngere, sondern auch ältere Leute, die sich nicht an die Empfehlungen halten. Dabei gibt es derzeit wirklich keinen Grund, sich zum Feiern zu treffen. Ich bin kein großer Fan von einer Ausgangssperre, aber bei diesem Verhalten, das manche da gerade an den Tag legen, wird das immer wahrscheinlicher.

In Ihrem Post rufen Sie gleichzeitig zu mehr Solidarität mit denjenigen auf, deren Arbeit gerade jetzt als besonders "systemrelevant" gilt. Warum?

Diese Menschen müssen sich täglich der Gefahr einer Infektion aussetzen, haben Familienangehörige daheim, die sie pflegen. Oder sie müssen zusätzlich Kinder betreuen. Wenn nun der öffentliche Personennahverkehr eingeschränkt wird, werden viele Pendler Probleme haben, zur Arbeit oder wieder zurückzukommen. Daher müssen seitens der Politik schnelle und pragmatische Lösungen gefunden werden, um die Kinderbetreuung und den ÖPNV weiterhin zu gewährleisten.

Was kann jeder Einzelne tun, um diese Menschen zu unterstützen?

Es wäre eigentlich so einfach, diesen Menschen zu helfen – indem man daheim bleibt. Im Moment ist es einfach super wichtig, die Infektionskette zu unterbrechen und sich solidarisch zu zeigen. Wer vor die Tür geht, sollte den empfohlenen Abstand zu seinen Mitmenschen einhalten. Jeder, der jung ist und nicht zur Risikogruppe gehört, kann anderen helfen – etwa, indem er der Nachbarin, die nach einer Acht-Stunden-Schicht im Krankenhaus nach Hause kommt, den Einkauf abnimmt. Hier gibt es ja bereits einige Netzwerke in Heidelberg, die eine Nachbarschaftshilfe organisieren.

Da Sie als Pfleger selbst in der Corona-Krise besonders gebraucht werden: Verhalten Sie sich vorsichtiger als sonst?

Seit dem Wochenende habe ich mich mit niemandem getroffen, verlasse meine Wohnung nur, um einzukaufen und zur Arbeit zu gehen. Zudem habe ich unnötigen Kontakt zu Patienten verringert. Ich arbeite mit Mundschutz und halte mich konsequent an die Hygienebestimmungen. Denn derzeit bin ich in der neurologischen Frührehabilitation im Kurpfalz-Krankenhaus tätig, wo viele Patienten Hochrisikopatienten sind. Generell versuche ich, alle Kontakte zu beschränken und auf Telefon und E-Mail auszuweichen.

Sie sind auch stellvertretendes Mitglied im Personalrat am Uniklinikum. Wie ist dort derzeit die Stimmung?

Den Umständen entsprechend noch relativ ruhig. Aber natürlich bereitet man sich auf die nächsten Tage und Wochen vor. Man merkt eine gewisse Anspannung bei allen. Denn wir wissen nicht, was genau da noch auf uns zukommt.

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