Die Hausdämmung muss "sexy" werden
23 Jugendliche überlegten sich Maßnahmen, um Heidelberg klimaneutral zu machen. Dabei ging es auch um einen "Veggie-Tag" und mehr Fahrradständer.

Von Mia Bechberger
Heidelberg. Wie kann Heidelberg möglichst schnell klimaneutral werden? Mit dieser Frage beschäftigten sich 23 Jugendliche zwischen 15 und 27 Jahren Ende der vergangenen Woche beim Jugendklimagipfel. Unter dem Motto "Jetzt wirds brenzlig" diskutierten sie mit Fachleuten wie Stadtwerke-Geschäftsführer Michael Teigeler und Sabine Lachenicht, Leiterin des Umweltamts. Bei Vorträgen, Workshops und Diskussionsrunden informierten sie sich zum Klimawandel, in Gruppen entwickelten sie zudem Maßnahmen, mit denen die Stadt ihren CO2-Ausstoß senken kann. Der Gipfel wird alle zwei Jahre vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) veranstaltet. Dieses Jahr wurde er in Kooperation mit "Fridays for Future", der Klimaschutz- und Energieberatungsagentur Rhein Neckar und dem Institut für Energie- und Umweltforschung ausgerichtet. Die Jugendlichen erarbeiteten beim Gipfel zu den vier Themenbereichen Vorschläge, wie Heidelberg beim Klimaschutz vorankommen kann. Diese stellten sie zum Abschluss bei einem Pressegespräch mit Oberbürgermeister Eckart Würzner vor:
> Verkehr: In diesem Bereich sorgt das Pendeln für einen großen Teil der Emissionen. Hier sei ein struktureller Wandel notwendig, wie die Teilnehmer betonten. Deshalb fordern sie zum Beispiel mehr überdachte Fahrradabstellplätze, den öffentlichen Nahverkehr weiter auszubauen oder Radwege ins Umland fördern. Auch der Straßenraum müsse neu aufgeteilt werden: "Um Unfälle zu vermeiden und für jeden genügend Platz zu schaffen, ist es wichtig, den Verkehr zu entschleunigen und Fahrradwegen mehr Raum zu geben", forderte eine Teilnehmerin der Expertengruppe Verkehr.
> Konsum: Für mehr Klimaschutz sei es wichtig, dass der Fleischkonsum sinkt. Dafür könne man einen veganen oder vegetarischen Tag in Mensen und Kantinen einführen oder mehr dauerhaft günstige vegetarische Gerichte anbieten. Um weniger Dinge wegschmeißen und neu kaufen zu müssen, schlugen die Jugendlichen zudem eine Repair-App vor. Davon könnten Bastler, aber auch die, die etwas zu reparieren haben, profitieren. Da im Klimaschutz Bildung eine große Rolle spiele, seien mehr Umweltbildungsangebote an Schulen oder Universitäten notwendig. Gegen zu viel Müll durch Einwegverpackungen forderten sie mehr Mehrweg-Takeaway-Produkte. "Es gibt da schon so viele Anbieter, die Gastronomie in Heidelberg muss von diesen Angeboten nur mehr Gebrauch machen!", so eine Teilnehmerin der Expertengruppe Konsum.
> Landwirtschaft: Wie kann die Landwirtschaft zukunftsfähig werden? Photovoltaik und Landwirtschaft verbinden oder Agroforstprojekte umsetzen, lautet eine Antwort der Teilnehmer. "Bei Agroforstprojekten soll auf gleicher Fläche Agrar- und Forstwirtschaft betrieben werden. Das hat nicht nur positive Effekte auf das Klima, auch Tiere und der Boden könnten davon langfristig profitieren", so die Expertengruppe. Auch mit einer regionalen Bildungsstelle, die regenerative Landwirtschaft fördert, Landwirte, Netzwerkbetreiber und Forschende zusammenbringt, könne man zum Klimaschutz beitragen.
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> Wärme: Der Aspekt der Wärmeversorgung werde oft vernachlässigt, dabei ist sie für 30 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Senken kann man dies vor allem durch Dämmung. Doch das müsse populärer werden, das bestehende Förderprogramm der Stadt vereinfacht und für Privathaushalte zugänglicher gemacht werden, fordern die Gipfel-Teilnehmer. Das könne man zum Beispiel mit Infobroschüren oder mit Infoplaketten an bereits gedämmten Häusern erreichen. Da zur Umsetzung mehr Fachhandwerker benötigt werden, müsse deutlicher auf die entsprechenden Berufe aufmerksam gemacht und Jugendlichen die Möglichkeit gegeben werden, solche Berufe auszutesten. Um das Problem zu lösen, gab es aber noch eine andere Idee: "Wenn wir Asylsuchenden gezielt anbieten, eine Ausbildung in Handwerksberufen zu machen, wäre das eine Win-Win-Situation für alle", so ein Jugendlicher.
> So reagierte der Oberbürgermeister: Das Stadtoberhaupt zeigte sich beeindruckt von den Vorschlägen der Jugendlichen, betonte aber: "Wir sind bei den meisten Punkten schon gut dran, aber wir müssen noch mehr tun. Das ist nur leider oft nicht so einfach." Vor allem in der Landwirtschaft sei es schwierig, die Vorschläge umzusetzen, denn hier gäbe es einen großen Nutzungskonflikt um die Flächen. Da die Böden in Heidelberg sehr gut seien, setzt die Stadt darauf, Photovoltaik und Windanlagen lieber woanders zu fördern. "Bei uns in der windschwachen Rheinebene macht es eben keinen Sinn, Windräder zu bauen. Da schließen wir uns lieber mit kommunalen Stadtwerken im Norden zusammen und fördern die Anlagen dort", so Würzer. Außerdem sprach sich der OB dafür aus, flächendeckend im Stadtgebiet Tempo 30 einzuführen und einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr anzubieten. Schnellradachsen in das Umland sollen zudem den Umstieg aufs Rad einfacher machen. "Wir müssen auch an die denken, die nicht privilegiert im Stadtinneren leben", betonte er. Dämmung habe, wie schon die Expertengruppe zuvor betonte, die größten Klimaschutzeffekte, es sei nur "leider häufig keine sexy Story", bedauerte Würzner.
Auf dem Weg zur Klimaneutralität sei es auch wichtig, dass sich viele Menschen so engagiert einbringen wie die Jugendlichen bei dem Gipfel. Damit es aber nicht dabei bleibt, bot der Oberbürgermeister den Teilnehmern an, ihre entwickelten Maßnahmen im Rahmen eines Praktikums bei der Stadt weiterzuverfolgen.



