"IBA-Spätsommer" in Patrick Henry Village

Spaziergang durch eine Geisterstadt (plus Fotogalerie)

Besucher konnten sogar in Wohnungen reinschauen - Breite Herde "für Truthähne"

22.09.2019 UPDATE: 23.09.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 10 Sekunden

Keine Menschenseele, seit sechs Jahren: So sieht es in Patrick-Henry-Village aus. Foto: Bechtel

Von Manfred Bechtel

Heidelberg. Fährt man auf der A 5 Richtung Süden, kann man vor der Abfahrt Heidelberg-Schwetzingen rechts kurze Blicke durch Fenster in der Schallschutzmauer werfen: Dahinter verbirgt sich das Patrick Henry Village (PHV). Im Stadtteil Kirchheim gelegen, war die Wohnsiedlung zwischen 1952 und 1955 für bis zu 8000 Angehörige der US-Armee errichtet worden. Doch 2013 zogen die Amerikaner ab.

Nun wurde der südliche Teil des Geländes am Wochenende - zum zweiten Mal dieses Jahr nach dem Streetart-Festival Metropolink im Juli - wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Denn die Internationale Bauausstellung (IBA) plant dort auf der größten zusammenhängenden Konversionsfläche Heidelbergs die "Wissensstadt der Zukunft" - und lud nun zum IBA-Spätsommer ein.

Da gab es geführte Erkundungstouren, Infos, Essen, Getränke und Musik. Vor dem ehemaligen Supermarkt war eine Art Stadtplan der Fläche im Maßstab 1:150 auf den Boden aufgebracht. In Riesenschritten konnten Besucher über das Modell stiefeln. Auch waren sie eingeladen, ihre Ideen einzubringen: Schon bald war dort mit lila Klebeband eine Tram-Linie markiert, die das Gelände mittig erschließen sollte. Jemand hatte notiert: "Wie heute sichtbar, ist die Nicht-Erreichbarkeit das größte Problem!" Hinzu kam die Anregung, die Straßenbahnlinie in die Stadt zu führen. Andere wollten die umliegenden Orte Eppelheim, Plankstadt, Sandhausen und Oftersheim in die Planung für PHV einbeziehen. Und jemand schlug auch vor: "Die Uni könnte Schulgebäude für Forschungsgruppen nutzen, die nicht auf den Standort Neuenheimer Feld angewiesen sind." Auch ein autofreier Stadtteil wurde gefordert und alternative Wohnkonzepte.

Mit einem großen Schlüsselbund ausgestattet, übernahm Moritz Bellers von der IBA die Führung. Er öffnete das Tor zum geschlossenen Bereich, bei Betreten und Verlassen wurde durchgezählt. Noch die Warnung, nicht in Karnickellöcher zu treten, dann ging es los: zur "Middle School", den beiden Kindergärten, über das Baseball-Feld in die Wohnblocks.

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Breite Straßen, jede Menge Parkplätze, es fehlen nur die amerikanischen Straßenkreuzer, die sich dort einst mit mäßiger Geschwindigkeit über den Asphalt bewegten. Das Gelände ist menschenleer, der Bewuchs vertrocknet, so stellt man sich eine Geisterstadt vor. Die Wohnungen großzügig geschnitten, Parkettböden, offene Schranktüren, die Herde sehr breit, "damit ein Truthahn reinpasst", erklärte Bellers.

Die Grundstruktur des Areals mit vielen Grünflächen und den alten Bäumen soll erhalten bleiben. Doch ist die Wiedernutzung der Gebäude teils technisch problematisch, weil die Infrastruktur - Wasser, Strom, Brandschutz - amerikanisch ist. Kindergärten und Schulen können so nicht in Betrieb genommen werden. Deshalb setzt man fürs erste auf "Pioniere" einer Zwischennutzung, die hier selbst Hand anlegen und etwa Büros einrichten.

Sie sollen hier wohnen, leben, arbeiten - und so relativ rasch Leben zurückbringen. Allerdings: Noch ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) Eigentümerin von PHV. "Wenn ich gefragt werde, wann wir loslegen, kann ich nur sagen: weiß ich nicht", meinte Bellers, "weil so viele Faktoren eine Rolle spielen, die nicht wirklich kalkulierbar sind."

Einen Stopp an den nördlichen Zaunanlagen nahm Bellers zum Anlass, über das dort untergebrachte Ankunftszentrum für Flüchtlinge zu sprechen. Zur Zeit wird in Heidelberg diskutiert, ob das Zentrum, statt umzuziehen auch in PHV bleiben könnte, wenn das Gelände entwickelt wird. "Normale Unterkünfte für Flüchtlinge können wir überall einstreuen, das ist überhaupt kein Problem", sagte Bellers. Die Landeserstaufnahme sei aber per se ein geschlossenes Gelände, zu dem kein Unbefugter Zugang habe - mit Mauern und Zäunen. Und das sei für die Entwicklung doch hinderlich.

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