Heidelberger Neckarwiese

"Jüngste Stadt Deutschlands bietet kaum Raum für ihre Jugendlichen"

Das Jugendlichen-Projekt kritisiert Neckarwiesen-Sperrung. "Unsere Bedürfnisse werden nicht respektiert"

15.07.2021 UPDATE: 16.07.2021 06:00 Uhr 1 Minute, 43 Sekunden
Jugendliche und Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner fordern, dass das Airfield im Pfaffengrund freigegeben wird. Foto: Rothe

Heidelberg. (ani) Auch dieses Wochenende ist auf der Neckarwiese um 21 Uhr Schluss. Bis 2. August gilt das aktuelle Aufenthaltsverbot. Die Stadt hatte die Uhrzeit zuletzt von Mitternacht auf 21 Uhr vorgezogen und dies mit bundesweiten Aufrufen in sozialen Medien, für Krawalle nach Heidelberg zu kommen, begründet. Schon letzten Samstag hatten rund 70 überwiegend junge Leute auf der Neckarwiese gegen das Aufenthaltsverbot demonstriert. Jetzt meldet sich eine weitere Gruppierung zu Wort: Der "Youth Think Tank" versandte am Donnerstag einen offenen Brief mit dem Titel: "Die jüngste Stadt Deutschlands bietet kaum Raum für ihre Jugendlichen."

Der "Youth Think Tank" ist ein Heidelberger Projekt, das sich zum Ziel gesetzt hat, "ernsthafte Jugendbeteiligung einzufordern und Adultismus zu bekämpfen", wie die Jugendlichen schreiben. Unter Adultismus versteht man die Bevormundung und den Ausschluss junger Menschen aufgrund ihres jungen Alters. Nick Sliwka (16) vom "Youth Think Tank" erklärt auf RNZ-Anfrage: "Es kann nicht sein, dass die Jugend in der jüngsten Stadt Deutschlands so bevormundet wird, dass ihr kein Raum gegeben wird."

Die letzten anderthalb Jahre mit allen Social-Distancing-Maßnahmen und Lockdowns sei eine Zeit großer Entbehrungen gewesen. In dem offenen Brief heißt es: "Nach anhaltender solidarischer Zurückhaltung besteht bei vielen von uns nun das Bedürfnis nach Ausgelassenheit, Freiheit und Selbstbestimmung." Die Neckarwiese sei einer der wenigen Orte Heidelbergs, wo man sich treffen könne, ohne Geld auszugeben. "Daher wehren wir uns entschieden dagegen, Treffen auf der Neckarwiese zu kriminalisieren und uns junge Menschen unverhältnismäßig zu bestrafen."

Die Stadt müsse dringend weitere Freiräume schaffen – etwa auf der Ochsenkopfwiese oder dem ehemaligen US-Airfield zwischen Pfaffengrund und Kirchheim. Letztgenannte Fläche gehört der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima). Die Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner (Grüne) hat daher am Donnerstag einen Brief an die Bima gesandt mit der Bitte, das Airfield temporär für die Freizeitgestaltung von jungen Menschen freizugeben.

Der "Youth Think Tank" fordert aber mehr: Die Jugendlichen wollen einbezogen werden in Entscheidungen, die sie direkt betreffen. Das sei bei der Neckarwiese nicht passiert: "Wir wurden im gesamten Prozess der Lagebewertung und Lösungsfindung weder gefragt noch rechtzeitig einbezogen. Die Stadtverwaltung hat entschieden, was für die Stadt am einfachsten ist, ohne unsere Bedürfnisse zu respektieren, geschweige denn uns nach unseren Ideen und Meinungen zu Fragen", schreiben die Jugendlichen. Am Mittwoch gab es zwar ein Treffen von Oberbürgermeister Eckart Würzner mit dem Jugendgemeinderat und weiteren Jugendorganisationen – das sei ein guter Weg, findet Nick, komme aber zu spät.

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Das Problem mangelnder Angebote für junge Menschen sei in Heidelberg nicht neu: "Es fehlt schlichtweg an einer mittel- und langfristigen Lösung." Dafür brauche es eine gemeinsam mit Jugendlichen, Sozialarbeitern und Kulturschaffenden erarbeitete Präventions- und Awareness-Strategie gegen Gewalt und für eine positive Feierkultur in Heidelberg. Nicht zuletzt müsse die Verhältnismäßigkeit der bestehenden Verbote geprüft werden.

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