Genug Platz für so viel Solarenergie?
Nur noch "grüner" Strom: Die Stadt will die Fotovoltaik massiv ausbauen. Dazu werden auch Parkplätze überdacht.

Von Denis Schnur
Heidelberg. Die Klimaschutz-Maßnahmen der Stadt werden – wenn sie konsequent umgesetzt werden – weitreichende Konsequenzen für Heidelberger, Gäste und Beschäftigte in der Stadt haben. Welche das sind beziehungsweise sein könnten, zeigt die RNZ in ihrer Reihe zum Aktionsplan.
Im dritten Teil geht es darum, wie die Stromversorgung klimaneutral werden soll.
Denn in den letzten Jahren hat zwar der CO2-Ausstoß pro Kilowattstunde deutlich abgenommen, dafür ist jedoch der Verbrauch in Heidelberg gestiegen – sodass die Gesamtemissionen heute etwas höher sind als 1987. Um das zu ändern, soll vor allem mehr Ökostrom erzeugt werden, sodass die Stadtwerke bis 2025 nur noch klimaneutralen Strom an die Bürger liefern.
> Ausbau der Solarenergie: Wie das erreicht werden soll, lässt der Aktionsplan jedoch offen. Lediglich Photovoltaik (PV) wird direkt angesprochen: Deren Erzeugung in Heidelberg soll bis 2025 von derzeit etwa zehn auf 35 Megawatt gesteigert werden – ein Plan, der für Streit im Gemeinderat sorgte. Schließlich hat ein Gutachten der Stadt bescheinigt, dass die konsequente Nutzung aller städtischen Dachflächen (inklusive Gebäuden der Wohnungsbaugesellschaft GGH) sowie aller Dächer von Landesgebäuden (inklusive Uni und Uniklinik) lediglich für 9,7 Megawatt mehr Leistung reiche. "Mit diesem Ziel sind wir auch in die Diskussion gegangen", erklärt Umweltamtsleiterin Sabine Lachenicht. "Doch der Gemeinderat hat eine Steigerung um 25 Megawatt beschlossen."
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Das sei ambitioniert, aber nicht unmöglich. Um es zu schaffen, will die Stadt bei ihren Liegenschaften anfangen. Neben Gebäuden wie Schulen und Sporthallen betrifft das vor allem Parkplätze, die mit PV-Anlagen überdacht werden sollen – etwa an den S-Bahnhöfen Schlierbach und Wieblingen. Doch auch das wird für den geforderten Ausbau nicht reichen: "Das schaffen wir nur gemeinsam mit Privatpersonen, Uni, Kliniken und Unternehmen", so Lachenicht. "Wir wollen auf alle zugehen, die große Hallen und Parkflächen in der Stadt haben", ergänzt Verkehrsamtsleiter Alexander Thewalt. Ein kommunales Förderprogramm, das Firmen und Privatpersonen bei der Installation unterstützen soll, werde gerade vom Umweltamt vorbereitet. Die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen, wie sie Oberbürgermeister Eckart Würzner in die Diskussion eingebracht hatte, sieht Lachenicht jedoch kritisch, da die Landwirte ihre Existenz gefährdet sehen, wenn die Areale für die Nahrungsmittelproduktion immer kleiner würden.
Stattdessen sei Kreativität gefragt: "Wir brauchen alle Ideen, sonst kommen wir nicht auf 35 Megawatt", so Lachenicht. Denkbar sei etwa, PV-Anlagen auch an Fassaden von Gebäuden anzubringen – oder auf Wartehäuschen an Bushaltestellen. "Darüber kann man nachdenken", sagt Thewalt, fügt aber hinzu: "Das reicht für den Fahrkarten-Automaten, ist aber nicht die Rettung."
> Windenergie: Der größte Teil der erneuerbaren Energien stammt in Deutschland aus der Windkraft. Und auch in Heidelberg werden noch immer zwei mögliche Standorte diskutiert: "Kirchheimer Mühle" und "Drei Eichen". Alle anderen Areale wurden nach einer Prüfung durch den Nachbarschaftsverbund und der Beteiligung der Bürger vom Gemeinderat verworfen. Daran dürfte auch der Klimanotstand nichts ändern, den Heidelberg im Mai 2019 ausgerufen hatte. Und ob am Rande von Patrick Henry Village Windkraftanlagen entstehen, wie Würzner vorgeschlagen hat, ist auch unklar. Dies hängt vor allem davon ab, ob der Bund einen gesetzlichen Mindestabstand der Windräder von Wohnsiedlungen festlegt.
> Biomasse: Schon jetzt betreiben die Stadtwerke ein Blockheizkraftwerk mit einer Leistung von drei Megawatt, das zudem Fernwärme für die Bahnstadt liefert. Um mehr Ökostrom – und Ökowärme– zu erzeugen, könnte eventuell ein zweites errichtet werden: "Wir bekommen jetzt Grünschnitt und Landschaftspflegematerial aus einem Umkreis von 70 Kilometern, um das Kraftwerk zu betreiben. Das müsste man erweitern", so Lachenicht. Das sei durchaus möglich, jedoch habe das erste Kraftwerk 20 Millionen Euro gekostet. Eine solche Investition wäre wohl wieder nötig.
> Energie von außerhalb: Selbst bei einem konsequenten Ausbau dürfte es für Heidelberg schwierig werden, seinen Strombedarf komplett vor Ort zu erzeugen. Der "grüne" Strom muss zugekauft werden. Das geschieht schon jetzt – vor allem aus Windenergie. "Die Mengen Ökostrom, die wir zusätzlich möchten, kaufen wir überwiegend aus Wasserkraftwerken unserer benachbarten Alpenländer Schweiz, Österreich und Slowenien zu", so Ellen Frings, die Pressesprecherin der Stadtwerke.
> Folgen für die Verbraucher: Grundsätzlich kann jeder Heidelberger selbst entscheiden, ob er seinen Strom von den Stadtwerken bezieht oder nicht. Wer sich für einen anderen Anbieter mit einem anderen Strommix entscheidet, bleibt von den Plänen erst einmal unberührt. Jedoch betont Sprecherin Frings, dass die Umstellung auf erneuerbare Energien für die Verbraucher kaum Nachteile habe: "Ökostrom kostet gegenüber ,grauem’ Strom gar nicht so viel mehr." Zudem gebe es schon jetzt eine große Bereitschaft bei den Heidelbergern, den Ausbau erneuerbarer Energien zu unterstützen – mit speziellen Verträgen bei den Stadtwerken: "Mit unseren Prämienprodukten kann man ab rund 30 Euro im Jahr noch viel mehr erreichen und den Bau neuer Ökostromanlagen unterstützen", so Frings. Die Anzahl der Kunden mit entsprechenden Verträgen sei in den vergangenen zehn Jahren von einigen Hundert auf rund 15.000 gestiegen.