Heidelberger Haushalt

Das Ende der Sparsamkeit

Gruppierungen im Gemeinderat melden Wünsche in Millionenhöhe an - Nicht alles ist gegenfinanziert

23.11.2018 UPDATE: 24.11.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 25 Sekunden

Alle zwei Jahre bringt Oberbürgermeister Eckart Würzner (oberer Bildrand, Mitte) den städtischen Haushalt im Gemeinderat ein. Am Donnerstagabend nutzten die Gruppierungen - mit Ausnahme des erkrankten Waseem Butts - die Gelegenheit, eigene Akzente im Zahlenwerk zu setzen. Foto: Rothe

Von Micha Hörnle

Heidelberg. Wenn die Gruppierungen im Gemeinderat über den Haushalt reden, kann man zweierlei tun: Man kann die, je nach Fraktionsstärke, unterschiedlich langen Reden - sie dauerten insgesamt knapp drei Stunden - mitschreiben. Und man kann sich die Mühe machen, die Anträge nach der jeweiligen Fraktion oder Gruppierung einmal zusammenzurechnen.

Dabei fällt eines deutlich auf: So richtig sparsam sind beim aktuellen Doppelhaushalt nur FDP/Freie Wähler und die AfD. Oder genauer gesagt: Matthias Niebel hatte keine Änderungsanträge, was den städtischen Haushalt angeht, mahnte vor allem Sparsamkeit an - und nahm sich in seiner Rede ansonsten haushaltsferner Themen wie Merkel, Migration und Europa an. Die Liberalen und die Freien Wähler waren schon immer zurückhaltend bei Mehrausgaben, umso mehr verwundert, wie sehr sich die sonst so sparsamen "Heidelberger" und die "Bunte Linke" einen ordentlichen Schluck genehmigen. Die Extra-Wünsche gehen fast ausnahmslos in den Millionenbereich, am heftigsten langen "Die Linke" und die "Bunte Linke" mit fünf Millionen Euro pro Haushaltsjahr zu.

In einem sind sich die meisten Parteien einig: Sie verzichten zumeist auf konkrete Einsparungen und verordnen der Stadtverwaltung eine sogenannte globale Minderausgabe, sie muss also bei laufendem Betrieb einen gewissen Betrag "herausschwitzen"; gelegentlich werden auch höhere Gebühren oder Steuern vorgeschlagen. Insgesamt formulierten die Gruppierungen 344 Haushaltsanträge, beim letzten Mal, 2016, waren es 280 - und natürlich werden längst nicht alle durchgehen.

Trotz dieser recht imposanten Zahl an Änderungswünschen wird der ursprüngliche, vor einem Monat vorgestellte Haushaltsentwurf von Kämmerer Hans-Jürgen Heiß nicht über den Haufen geworfen. Zumal das Haushaltsvolumen 2019/2020 bei über 660 Millionen Euro pro Jahr liegt. In erster Linie "bedienen" die Gruppierungen ihre Kernanliegen und gelegentlich auch ihre Klientel - beispielsweise die "Linken" soziale Themen (bezahlbares Wohnen oder Kinderbetreuung), während die "Rechten" die Vereine oder den Sport stärken wollen.

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Hier eine Übersicht der Anträge:

CDU: insgesamt 67, Mehrausgaben 2019: 4,8 Millionen Euro, 2020: 3,8 Millionen Euro; Gegenfinanzierung: Verzicht auf Verkehrsberuhigungskonzept Altstadt (eine Million Euro).

Grüne: insgesamt 82, Mehrausgaben 2019: 2,7 Millionen Euro, 2020: 4,2 Millionen Euro; Gegenfinanzierung: globale Minderausgabe von drei Millionen Euro pro Jahr, außerdem höhere Parkgebühren (200.000 Euro im Jahr).

SPD: insgesamt 72, Mehrausgaben 2019: 3 Millionen Euro, 2020: 6,4 Millionen Euro; Gegenfinanzierung: erwartbarer Haushaltsüberschuss von 6,7 Millionen Euro 2019, außerdem höhere Landes- und Bundeszuschüsse bei der Kita-Förderung.

> "Heidelberger": insgesamt 8, Mehrausgaben 2019: 0,8 Millionen Euro, 2020: 3,6 Millionen Euro; keine Gegenfinanzierung.

FDP/FWV: insgesamt 8, Mehrausgaben 2019: 67.000 Euro, 2020: 59.000 Euro; Gegenfinanzierung: Streichungen beim Amt für Chancengleichheit, reduzierter Zuschuss für Fotofestival.

GAL/Heidelberg Pflegen und Erhalten: insgesamt 22, Mehrausgaben 2019: 2,2 Millionen Euro, 2020: 2,2 Millionen Euro; keine Gegenfinanzierung.

Linke/Piraten: insgesamt 31, Mehrausgaben 2019: 5,3 Millionen Euro, 2020: 6,4 Millionen Euro; Gegenfinanzierung: globale Minderausgabe von zwei Millionen Euro pro Jahr, außerdem höhere Gewerbesteuer (2,5 und 5,5 Millionen Euro 2019 und 2020).

Bunte-Linke: insgesamt 31, Mehrausgaben 2019: 5,1 Millionen Euro, 2020: 9,6 Millionen Euro; Gegenfinanzierung: globale Minderausgabe von zwei Millionen Euro pro Jahr, außerdem Verzicht auf neues Konferenzzentrum (2019: 500.000 Euro, 2020: 945.000 Euro).

AfD: 0, keine Mehrausgaben.

Waseem Butt: insgesamt 20, Mehrausgaben 2019: 0,8 Millionen Euro, 2020: 1 Millionen Euro; Gegenfinanzierung: globale Minderausgabe von zwei Millionen Euro pro Jahr.

Auch die Bürger waren aufgefordert, sich zum Doppelhaushalt zu äußern. Insgesamt gab es 72 Anregungen, davon betrafen allein zwei Drittel (48) die Heidelberger Sinfoniker. Eindeutiger Tenor: Die Stadt soll dem Ensemble einen Zuschuss geben. Bisher hat sich nur die FDP/Freie-Wähler-Fraktion diesem Wunsch angeschlossen: Sie beantragt einen jährlichen Zuschuss von 10.000 Euro.

Sechs Beiträge beschäftigen sich mit dem Thema Schulsanierungen. So schreibt der Gesamtelternbeirat Heidelberg, dass "der Sanierungs- und Optimierungsbedarf der Schulgebäude immer noch enorm" sei, und dass es einen "Rückstand in der Bearbeitung" dringender Projekte gebe: Ab 2021 gebe es einen Investitionsbedarf von 75 Millionen Euro an zwölf Schulen.

Besonders dringend scheint die Situation in der Kurpfalzschule in Kirchheim zu sein. Hier mahnte der Elternbeirat eine zügige Sanierung an - nachdem das die Stadt schon vor fünf Jahren versprochen hatte. Immerhin haben sich mittlerweile CDU und SPD dieses Anliegen zu eigen gemacht. Die Christdemokraten fordern zusätzlich 50.000 Euro für die Planung einer Generalsanierung, die Sozialdemokraten wollen erst einmal die ärgsten Probleme, wie die kaputten Fenster, beseitigt sehen.

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