Heidelberger Fastnachtsumzug 2020

Kuscheltiere und Karotten liegen als Wurfmaterial voll im Trend

Nass war’s - aber lustig - Dennoch gute Stimmung - Hexen verhafteten einige Zuschauer

25.02.2020 UPDATE: 26.02.2020 06:00 Uhr 3 Minuten, 54 Sekunden
Im bunten Häs und mit weißer Maske: Die Wollhansele aus Möhringen trotzten – wie alle Teilnehmer und die 50.000 Zuschauer – dem Wetter beim Fastnachtszug. Auch am Bismarckplatz war deutlich weniger los als vergangenes Jahr. Foto: Philipp Rothe

Heidelberg. (rie/ani/bik/dns) Mehr Regen, weniger Zuschauer: Auf diese Prognoseformel ist bei der Heidelberger Straßenfastnacht Verlass. Weil es immer wieder nieselte, kamen am Fastnachtsdienstag laut Polizei nur rund 50.000 Menschen zum Fastnachtszug durch die Innenstadt. Das sind noch einmal rund 20.000 weniger als im Vorjahr.

Doch die vielen Heidelberger und Auswärtigen, die dabei waren, hatten bei dem rund einstündigen Zug mit 66 Zugnummern Spaß. Lokalen Fastnachtsgrößen wie die ZKG aus der Narrenhochburg Ziegelhausen, die Kurpfälzer Trabanten oder die Perkeo-Gesellschaft (mit nagelneuem, glänzend-gelbem Elferwagen) brachten tonnenweise Popcorn, Bonbons und – ein neuer Trend – Kuscheltiere unters Volk.

Allerdings: Die Zahl der Körperverletzungsdelikte und der Alkoholexzesse habe trotz weniger Fastnachter deutlich zugenommen. Das erklärte am Dienstagabend Uwe Schrötel, Leiter des Polizeireviers Mitte. Aus polizeilicher Sicht zieht er eine deutlich negative Bilanz des Umzugs. "Ich bin sehr unzufrieden mit dem Verlauf", sagte Schrötel.

Insbesondere junge Menschen seien deutlich früher und deutlich stärker alkoholisiert gewesen als in den vergangenen Jahren. "Die Kollegen von den Rettungsdiensten haben noch alle Hände voll zu tun", berichtete Schrötel. Alle Polizisten seien durchweg in verschiedene Einsätze involviert gewesen – und das auch lange nach Ende des Zuges.

> Die ausführliche Polizeibilanz gibt es hier.

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> Wie viele da sind: Die Pechsträhne hält an: Es dürfte vor allem am durchwachsenen Wetter gelegen haben, dass in diesem Jahr nur 50.000 Zuschauer zum Zug kommen. 2019 waren es bei ähnlichem Nieselregen noch rund 70.000 Zuschauer. Das letzte richtig gute Jahr war 2018, als bei strahlendem Sonnenschein über 100.000 da waren. Der Negativrekord der letzten Jahre wurde gestern aber nicht gebrochen: Nur 40.000 kamen an einem nasskalten Fastnachtsdienstag 2017.

> Was geworfen wird: Das Popcorn dominiert mal wieder – auch wenn viele sich nicht mal mehr danach bücken. Doch einige heben sich wohltuend ab, etwa die Perkeo-Gesellschaft, die offenbar dieses Jahr am meisten Budget für Wurfmaterial hat. Dort scheint man ein nahezu unerschöpfliches Reservoir an süßen, kleinen Kuscheltieren mitzuführen. Allein Ehrensenator Mathias Schiemer, Chef von Heidelberg-Marketing, erfreut alle 20 Sekunden ein Kind – und auch den ein oder anderen Erwachsenen – mit einem Stofftier. Den Vogel schießt aber der Heidelberger Carneval Club (HCC) ab – mit Rosen und einem riesigen Stoffschwein als Wurfgabe.

Originell: Die Gruppe "Vegan in Heidelberg" verteilt wie letztes Jahr wieder Karotten – und die Varnmännle aus dem Baden-Badener Stadtteil Varnhalt halten sich erst gar nicht mit Süßkram auf: Sie schenken Weißwein aus. Wer richtig viel abgreifen will, ist am Marktplatz richtig. Dort geht es vielen Gruppen wie der Perkeo-Gesellschaft: "Och Gott, da steht ja noch ’ne Kiste", merkt einer der Narren auf deren Wagen kurz vor Schluss – und haut nochmal ordentlich Süßes raus.

> Wer am meisten Spaß macht: Der immer wieder einsetzende Nieselregen drückt anfangs etwas auf die Stimmung. Aber besonders auf die Ziegelhäuser ist Verlass: Wenn etwa die "Spaß-Gesellschaft Ziegelhausen" von der ZKG als "Rathaus-Ballerinas" mit ihren rosa Tütüs breit grinsend allerlei Quatsch machen, lässt das am Straßenrand wenige kalt. So richtig Party machen auch die Reilinger Kraichgau Schlabbe mit ihrem schönen, großen Moulin-Rouge-Wagen und ohrenbetäubender Musik. In puncto stimmungsvolle Guggemusik haben aber die "Knöllsche" von der Karnevalsgesellschaft der Polizei (KGP) die Nase vorn. Und wie immer sorgt der Sunshine-Live-Wagen als Schlusslicht mit seiner Partymusik für einen rund 400 Meter langen Rattenschwanz an feierwilligen, überwiegend jungen Leuten.

> Wer die originellsten Kostüme trägt: Zum ersten Mal dabei und gleich richtig positiv aufgefallen: die Wollhansele aus Möhringen bei Tuttlingen, die für jedes einzelne, selbstgefertigte Kostüm aus zigtausend bunten Wollfäden rund 3,2 Kilometer (!) Wolle verarbeiten. Nass geregnet wie gestern werden die Gewänder ziemlich schwer. Ebenfalls Premiere in Heidelberg feiern die Offenburger Schwellkepf mit ihren riesigen, nunja, Schwellköpfen. Sieht gruselig aus und macht Spaß. Natürlich stehen ihnen die Lokalmatadoren von den Bobbeschees Waggis von der ZKG in Sachen Schädelgröße und Originalität in nichts nach. Überhaupt, die ZKG: Auch die grünen Trolle vom "Petersdäler Bergvolk" sind super – und sie drohen: "Dede mir Trolls im Stadtrat sitze, dede die Grüne ganz schee schwitze."

Besonders nachhaltig wirken die Quellengeister aus Bad Rothenfels bei Gaggenau mit ihren prächtigen, türkisen Kostümen – sie malen Hunderten Zuschauern die Nasen türkis an. Die Quellgeister erfanden sich zum 150-jährigen Bestehen ihrer warmen Elisabethenquelle – und sie können sich mit dem Wetter gut arrangieren: "Wir kommen aus dem Wasser und gehen ins Wasser." Und bei den Zuschauern? Da sieht man doch tatsächlich einige Pandemie-Apologeten in weißen Ganzkörper-Schutzanzügen mit der Aufschrift "Covid 19" – samt Mundschutz.

> Wie bunt es die Hexen treiben: Ob Wimpfener Hexenzunft oder Brettener "Hex hex obe nei" – das Schlimmste, was diese Narren treiben, ist, dass sie die Zuschauer mit Konfetti überhäufen, klassisch weiß oder teuflisch blau-schwarz. Oder biologisch-dynamisch mit Sägemehl. Kinderlieb sind sie alle und verteilen fleißig Süßigkeiten. Als sich ein kleiner Zwerg hinter seiner Mutter verstecken will, lüftet eine der schwarzgelben Brettener Hexen heimlich ihre Schreckensmaske. Ein junger Mann mit Bart steckt darunter und sagt verschwörerisch: "Das ist unser Geheimnis." Richtig wild treiben es nur die Reblandhexen aus Varnhalt: Sie sperren Zuschauerinnen – zumindest minutenweise – in ihren riesigen Gefängniswagen.

> Wie es endet: Es ist 15.42 Uhr, als mit dem Wagen des Heidelberger Karneval Komitee (HKK) das erste Fahrzeug auf den Marktplatz einfährt. Wie immer stecken sich der HKK-Vorsitzende Wolfgang Heindl und die Heidelberger Fastnachtssymbolfigur Perkeo erst einmal einen Zigarillo an. Es dauert dann ziemlich genau eine Stunde, bis mit dem Sunshine-Live-Wagen der letzte Wagen mit lauter Musik vorfährt – gefolgt von Hunderten tanzenden Narren. Doch bevor sich der Marktplatz wie in den Vorjahren in die Nach-Umzugs-Party-Location verwandelt, steht noch eine Formalität an: Perkeo Thomas Barth gibt Oberbürgermeister Eckart Würzner den Schlüssel zum Rathaus zurück, warnt dabei jedoch: "Ab jetzt ist er wieder alleine mit den Problemen der Stadt – mit Stuhlgang und ähnlichem." Hilfe von Perkeo kann Würzner nicht erwarten: "Wenn du mich suchst, ich bin auf der Neckarwiese und vertreibe mit der RNZ-Fastnachtsausgabe Gänse."

Und während in Bergheim schon wieder aufgeräumt wird, nehmen sich einige Hundert Narren auf dem Marktplatz den Ratschlag der Reilinger Kraichgau Schlabbe zu Herzen. Als die dort einfahren, schallt es nämlich laut aus deren Wagen: "Heidelberg, genießt die letzten Stunden dieser Fastnacht. Danach ist sie für lange Zeit rum!" 

Der Start in Bergheim

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