Bücher nicht kartonweise liefern
Öffentliche Bücherregale haben in Heidelberg Konjunktur - Doch sie sollten sinnvoll genutzt werden

Corina Pecht kümmert sich um das öffentliche Bücherregal in Handschuhsheim - und ärgerte sich kürzlich über einen Karton voller Bücher neben dem Regal, den sie dann entsorgen musste. Foto: kaz
Von Karin Katzenberger-Ruf
Heidelberg-Handschuhsheim. "Nichtraucher in 60 Minuten" - der Griff in ein öffentliches Bücherregal kann schon mal das Leben verändern, falls sich der Lesestoff unter mehr oder weniger reißerischem Titel tatsächlich als guter Ratgeber entpuppt. In Heidelberg gibt es seit 2010 einige solcher Regale, in die Bücher gestellt und entnommen werden können. Jenes in der Neugasse, von der Bürgerstiftung aufgestellt, war das erste seiner Art und ist bis heute stets gut frequentiert.
Und das Beispiel aus der Altstadt machte Schule. Die rund 7400 Euro teure Luxusvariante aus wetterfestem Baustahl und mit Türen aus Plexiglas steht seit Anfang 2017 auf dem Vorplatz der Tiefburg in Handschuhsheim. Frauen der Zukunftswerkstatt kümmern sich um den Bestand, schauen regelmäßig nach, mit welcher Art von Literatur es gerade bestückt ist.
Corina Pecht wandte sich jedoch kürzlich an die RNZ, weil sie drei Kartons voller Bücher entsorgen musste, die irgendjemand neben das Regal gestellt hatte, weil dort offenbar kein Platz mehr war. Wem also daran gelegen ist, dass Bücher nicht auf dem Müll landen, sollte sie besser nicht kartonweise anliefern - und wenn dann nicht einfach daneben abstellen, wenn kein Platz mehr ist.
Am Regal in Handschuhsheim weist ein Zettel darauf hin, dass es sich dabei im Grunde um "eine rund um die Uhr geöffnete Bücherei" handelt, die durch Unterstützung der Zukunftswerkstatt, der Bürgerstiftung und der Stadt entstand. Es folgt die Aufforderung, sich das Passende zu nehmen, zum Schmökern auf einer Bank vor der Tiefburg Platz zu nehmen, das Buch mit nach Hause zu nehmen und dafür eventuell ein anderes aus dem eigenen Bestand ins Regal zu stellen. So funktioniert das Prinzip: "Entdecken, lesen, tauschen". Noch ein Tipp: Kinderbücher sollte man unten platzieren, damit auch die Kleinen öffentliche Bücherregale nutzen lernen.
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Dieter Kaufmann aus Handschuhsheim ist bereits begeisterter Nutzer des Regals an der Tiefburg. Dort hat er schon mehrere italienische Bücher entdeckt, die ihm gerade recht kamen, weil er bei der Akademie für Ältere einen entsprechenden Sprachkurs absolviert. Jede Menge Kochbücher, aber auch Romane von Simmel oder Konsalik sind wahrscheinlich flächendeckend zu finden. Grenzwertiges aus dem politischen oder religiösen Bereich, alte Kataloge oder überholte Sachbücher werden von den Verantwortlichen so weit wie möglich aussortiert. Aber wo ist die Grenze? Steffen Sigmund von der Bürgerstiftung stand seiner Schilderung nach mal "vor einem Meter Brockhaus" neben dem Regal in der Neugasse - und wollte die Bücher entfernen. Doch als er wieder kam, waren sie weg.
Dass neben die Bücherregale auch gern sonstiges "Ausrangiertes" gestellt wird, das andere vielleicht noch gebrauchen könnten, weiß Sigmund ebenfalls. Sein Plan ist dennoch, irgendwann alle Stadtteile mit einem öffentlichen Regal bestückt zu haben.
In der Weststadt oder in Wieblingen funktioniert es offenbar gut. Laut Walter Petschan vom Stadtteilverein Wieblingen kommt es schon mal vor, dass Leute Bücher stapelweise mitgehen lassen. "Möglicherweise verkaufen sie diese auf Flohmärkten, an Antiquariate oder über das Internet", so seine Vermutung. Und auch in Wieblingen werden schon mal kartonweise Bücher neben dem Regal abgestellt. Doch das sei die Ausnahme. Demnach hat der Stadtteilverein als Betreiber mit dem Regal vor allem positive Erfahrungen gemacht, es wird intensiv genutzt. Auch aus der Weststadt wird gemeldet: Das Regal wird fast täglich kontrolliert, bei Überfüllung werden Bücher in die Neugasse verfrachtet.