Wieso in Heidelberg alles länger dauert: "Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit"
Heidelbergs neuer Baubürgermeister Jürgen Odszuck erklärt im Interview, wo neuer Wohnraum entstehen kann und für wie mutig er Heidelberg hält.

Jürgen Odszuck ist seit knapp vier Monaten Baubürgermeister, hat sich aber schnell in die Materie eingearbeitet. Foto: Rothe
Von Micha Hörnle und Sebastian Riemer
Im ersten Teil unseres Interviews mit Jürgen Odszuck sprach der neue Baubürgermeister über das Neuenheimer Feld und den Verkehr. Im heutigen zweiten Teil geht es vor allem um die Frage, wie er den eklatanten Mangel an Wohnungen angehen will. Zumal er ja selbst davon betroffen ist: Er ist zwar schon seit fast vier Monaten im Amt, hat aber bisher noch keine Wohnung für seine Familie gefunden.
In Mark Twain Village soll es 70 Prozent bezahlbares Wohnen geben. Wieso wird dieses Konzept nicht auf allen Konversionsflächen angewandt?
Man sollte immer auf die Umgebung schauen - was dort fehlt, gebraucht wird, oder wie viel die Umgebung verträgt. Es geht nicht nur um mehr billige Wohnungen, es geht auch um einen möglichst verträglichen Mix aus teuer, mittel und günstig, Eigentum und Miete. Oder nehmen Sie Patrick Henry Village: Wir wollen da etwas Außergewöhnliches machen - und nicht das soziale Stadtprogramm 2030.
Wieso engagiert sich die städtische GGH nicht stärker im sozialen Wohnungsbau?
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Das tut die GGH bereits: Neben dem Bestand der Sozialwohnungen hat sie für 2450 ihrer 7000 Wohnungen eine freiwillige Preisbindung, die sie sonst frei vermieten dürfte. Der durchschnittliche Mietpreis liegt bei der GGH bei unter sieben Euro pro Quadratmeter. Aber auch hier: Die Mischung aus unterschiedlichen Wohntypen und -preisen muss die GGH fein austarieren und an die Umgebung anpassen.
Heidelberg wächst weiter, und die Konversionsflächen reichen nicht. Wo sollen die Menschen in Zukunft wohnen?
Das ist eine hochgradig politische Frage, der man sich systematisch nähern sollte. Wir sollten uns über die Frage nach möglichen Entwicklungsflächen damit beschäftigen, ob es für Heidelberg eine Wachstumsgrenze gibt.
Bisher versuchten es die Heidelberger mit der Nachverdichtung und der Konversion. Wird irgendwann mal wieder auf der grünen Wiese gebaut?
Genau damit müssen wir uns beschäftigen. Und wenn wir uns gegen eine weitere Flächenentwicklung entscheiden, müssen wir vielleicht bei der Konversion das Tempo rausnehmen und nicht alles auf einmal auf den Markt werfen. Wenn der Kühlschrank fast leer ist, teile ich mir die Vorräte ja auch auf und esse nicht alles sofort.
Die Konversion ist eines Ihrer großen Themen. Aber es gibt ja auch noch einen Konversionsbürgermeister. Ist das nicht etwas unglücklich?
Aus der Vergangenheit bin ich es gewohnt, mich auch um die Liegenschaften zu kümmern. Aber die Frage ist ja immer, wo man die Grenze zwischen Dezernaten zieht - und Stadtplanung ist stets ressortübergreifend. Bislang stelle ich fest, dass sich die Zusammenarbeit mit Bürgermeister Hans-Jürgen Heiß sehr angenehm und konstruktiv gestaltet. Zumal er ja auch Gefallen an städtebaulichen Themen findet.
Ein riesiges städtebauliches Thema ist auch Patrick Henry Village (PHV), für das die Internationale Bauausstellung (IBA) außergewöhnliche Sachen entwirft. Sind die großen Pläne überhaupt realistisch?
Es ist ja geradezu die Strategie, die verschiedenen Entwicklungsszenarien auf die Spitze zu treiben - was aber auch heißt, dass es nicht genau so kommen wird. Die vier ganz unterschiedlichen Schwerpunktthemen werden jetzt unter einen Hut gebracht, damit etwas Zukunftsweisendes entsteht. Um Neues zu erforschen ist die IBA da - und die Umsetzung erfordert dann auch Mut.
Gibt es diesen Mut in Heidelberg?
Das traue ich Heidelberg schon zu. Und gerade in der Insellage von PHV ohne direkte Anlieger sind innovative Ideen ja auch etwas realistischer als anderswo.
Stichwort IBA: Als Sie die Pläne kürzlich CDU-Landtagsabgeordneten vorstellten und um Unterstützung baten, hörten Ihnen die Landesminister nicht zu. Haben Sie seither offene Ohren gefunden?
Ich bin mir sicher, dass die IBA schon vorher auf offene Ohren stieß. Im Moment laufen in Stuttgart Haushaltsberatungen, da geht es immer darum, welches Ressort welche Aufgabe übernimmt. Aber wir wollen ja nicht nur ein Haushaltstitel sein, sondern wünschen uns ein echtes Bekenntnis der Landesregierung zur IBA Heidelberg als richtiger Partner, also nicht nur finanziell, sondern auch inhaltlich.
Reden wir über Sie als Person: Was haben Sie eigentlich in Nepal und Rumänien gemacht?
In Nepal war ich ein knappes halbes Jahr bei einer Feldstudie zur Novelle des Planungsrechts. Dabei untersuchten wir im Rahmen eines Entwicklungshilfeprojekts kommunale Planungen. In Rumänien arbeitete ich ein Jahr lang in Hermannstadt im Altstadtsanierungsprojekt der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, der GTZ, heute: Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ. Und dann musste ich schon nach Regensburg, um meine Stelle als Städtebaureferendar anzutreten.
Sie waren sieben Jahre lang Baudezernent in Kronberg. Was ist der größte Unterschied zu Heidelberg?
Beide Städte sind ähnlicher, als man auf den ersten Blick glauben mag. Der größte Unterschied ist natürlich der Maßstab: Heidelberg ist siebenmal so groß wie Kronberg - und die Verwaltung auch. Dementsprechend kann ich auch hier nicht mehr so ins Detail gehen, sondern arbeite eher auf der übergeordneten, also leitenden und koordinierenden Ebene.
Aber Sie wissen schon, dass Heidelberg den Ruf hat, dass hier viele Sachen besonders lang brauchen?
Das gilt ja nicht für alle Projekte, sondern nur für einige. Und die dauern auch in anderen Städten lange, in Kronberg zum Beispiel mehr als 20 Jahre, bis aus einer Bahnbrache ein innerstädtisches Quartier entwickelt werden konnte. Ich glaube, dass Heidelberg seine Sache eher gründlich macht: Die Suche nach Alternativen, die Gutachten und die Bürgerbeteiligung kosten Zeit, führen am Ende aber häufig auch zu einer besseren Qualität, weil nichts übersehen worden ist. Da geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Die Frage ist allerdings, ob man für alles und jedes diesen immensen Aufwand betreiben muss. Beispiel Posttunnel am Hauptbahnhof: Muss man das wirklich noch mal intensiv prüfen und Geld ausgeben, wenn es schon hinreichend deutlich ist, dass das Ding nicht sinnvoll als Fahrradtunnel nutzbar ist?
Für Ihren Posten hat die CDU das Vorschlagsrecht. Werden Sie denn auch in die Partei eintreten?
Das ist für mich eine reine Sachfrage: Nutzt es was? Und, wenn ja, wem? Kurz: Ich sehe derzeit keinen unmittelbaren Grund. Ich will Diener aller Bürger sein. Und selbst wenn ich Parteimitglied wäre, würde sich daran nichts ändern.
Sie haben einen ungewöhnlichen Nachnamen, von dem viele nicht wissen, wie man ihn ausspricht. Bitte helfen Sie uns weiter.
(lacht) Also "Ozuck" höre ich nicht so gerne - und "Ods-zuck" noch weniger. Es ist eigentlich ganz einfach: "Oh-dschuck". Das ist ein ostpreußischer Name, der Ursprung ist slawisch. Aber in Aussprache und Schreibung bin ich Kummer gewohnt.



