Warum Heidelbergs Baubürgermeister Odszuck keine Tabuthemen will

Der neue Baubürgermeister Jürgen Odszuck im Interview: Wie und wo er am liebsten wohnen würde. Klare Worte zur Fünften Neckarquerung und zum Neuenheimer Feld.

23.01.2017 UPDATE: 24.01.2017 06:00 Uhr 3 Minuten, 8 Sekunden

Jürgen Odszuck trat sein Amt am 1. Oktober an, nun besuchte er zum ersten Mal die RNZ-Stadtredaktion. Foto: Rothe

Von Micha Hörnle und Sebastian Riemer

Heidelberg. Jürgen Odszuck ist seit gut 100 Tagen Baubürgermeister von Heidelberg, zuvor war er in derselben Funktion in der hessischen Kleinstadt Kronberg tätig. Der 46-jährige gebürtige Münchner kommt vom Fach, er hat Architektur und Stadtplanung studiert. Zur Jahresmitte setzte er sich mit deutlichem Abstand gegen drei Mitbewerber durch. In seinem ersten Interview mit der RNZ geht es um seine Ankunft in Heidelberg - sowie um eine erste Standortbestimmung im neuen Amt.

Herr Odszuck, haben Sie denn inzwischen eine Wohnung gefunden?

Nein, zumindest noch nicht für meine Familie, die immer noch in Kronberg wohnt. Wir sind gerade an einer Wohnung in der Weststadt dran, die wäre ideal für uns. Momentan hause ich noch in einer Art Studentenbude in Neuenheim.

Wenn Sie sich einen Stadtteil frei aussuchen könnten, welcher wäre das?

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Wir wohnen gerne zentral - deshalb die Weststadt-Wohnung. Das Vorstadtidyll mit Gartenzaun ist nicht so unsere Welt.

Wollen Sie lieber mieten oder kaufen?

An sich lieber mieten. Die Weststadt-Wohnung ist jedoch zum Kauf. Zur Miete haben wir bislang einfach nichts gefunden. Und bei den Preisen mancher Angebote ist Kaufen ja auf lange Sicht günstiger.

Wäre auch die Bahnstadt etwas für Sie?

Absolut, ich habe auch Exposés von Wohnungen dort angefordert. Ich glaube, dass die Bahnstadt qualitativ weit über dem Durchschnitt ist: Sie ist sehr ordentlich gemacht und hat ein sehr gutes städtebauliches Konzept. Man muss ihr aber noch zehn, 15 Jahre Zeit geben, bis sie ihren Charme entwickelt und etwas Patina ansetzt.

Angenommen, Sie könnten zaubern und dürften genau eine Sache in der Stadt baulich verändern, was wäre das?

(überlegt lange) Ich würde die Kurfürstenanlage zwischen Bahnhof und Römerkreis komplett neu ordnen. Das könnte ein fantastischer urbaner Raum mit Boulevards sein, der eine irrsinnige Strahlkraft entwickelt. Momentan ist da - mit dem quasi nicht nutzbaren Mittelstreifen - unheimlich viel Platz verschenkt.

Sie haben bereits offene Worte zur Fünften Neckarquerung gewagt. Haben Sie das schon bereut?

Überhaupt nicht. Ich wurde nur etwas verkürzt zitiert. Ich habe gesagt, dass man sich über den allmorgendlichen Verkehrsinfarkt in Handschuhsheim und Bergheim-West nicht beklagen darf, wenn man nicht bereit ist, über eine Fünfte Neckarquerung nachzudenken. Ich wollte lediglich diesen klaren Zusammenhang aufzeigen.

Dann fragen wir mal so: Wollen Sie die Fünfte Neckarquerung?

Ich persönlich bin überzeugt, dass die zwei Achsen, mit denen das Neuenheimer Feld momentan erschlossen wird, schon bei der heutigen Nutzungsdichte zu wenig sind. Da ist wohl eine weitere Trasse nötig, nicht nur für die Autos. Es wäre doch denkbar, dass die Straßenbahn aus Mannheim direkt über die Brücke ins Neuenheimer Feld und von dort aus weiter Richtung Innenstadt fährt. Im Übrigen ist meine eigene Meinung da relativ irrelevant - und nicht mehr wert als die der übrigen 154.000 Heidelberger. Mir geht es darum, die Fakten zusammenzutragen - und dann Lösungswege zu suchen.

Mal Hand aufs Herz: Ist die alte Straßenbahnplanung tot?

Es gibt dazu ein Gerichtsurteil, das nicht angefochten wurde. Insofern ist diese Trasse in weite Ferne gerückt. Die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass es am Ende des Masterplanprozesses eine andere Lösung gibt.

Also doch auf den Klausenpfad, was die Handschuhsheimer auf die Palme bringt?

Man sollte diese Variante genauso wenig ausschließen wie die anderen denkbaren Lösungen. Ich finde, bei solchen Prozessen sollte es überhaupt keine Tabuthemen geben. Wer von vornherein eine Frage zum Tabu erklärt, der disqualifiziert sich meines Erachtens für den Masterplanprozess. Die Frage muss also eher lauten, unter welchen Rahmenbedingungen man die eine oder andere Lösung mittragen kann. Die Gemüsegärtner sollen ja ihre Flächen behalten, aber brauchen sie wirklich jeden Quadratmeter? Ich meine, dort auch Brachflächen gesehen zu haben. Wenn es eine gemeinsame Lösung zwischen Bürgerschaft, Stadt und Universität geben soll, muss jeder Abstriche bei seinen Interessen machen. Der Masterplanprozess erfordert von allen Seiten Kompromissbereitschaft - sonst kann man ihn sein lassen.

Und was wird aus dem Betriebshof? Wird der verlagert?

Wenn ich frei entscheiden dürfte: Für eine Verlagerung sprechen die meisten Argumente, vor allem um das Potenzial zur Aufwertung von Bergheim-West auszuschöpfen. Denn eines liegt ja klar auf der Hand: Das ist einer der kommenden Stadtteile mit unheimlichem Entwicklungspotenzial. Und: Früher oder später wird die Grünfläche am Ochsenkopf doch sowieso genutzt, da sie ja mit großem Aufwand als Gewerbegebiet entwickelt wurde.

Sie haben gesagt, dass sich die Stadtpolitik nicht hinter der Bürgerbeteiligung verstecken soll. Was haben Sie dagegen, wenn die Bürger mitreden?

Gar nichts. Ich denke nur, dass manche Projekte mehr für eine Bürgerbeteiligung geeignet sind als andere. Man muss nicht jede Kleinigkeit mit Bürgerbeteiligung machen - und sie somit überstrapazieren. Das führt dann auch zu Verschleißerscheinungen und es kommen nur noch die sogenannten "Profi-Bürger".

Und was wären Ihrer Meinung nach geeignete Themen für die Bürgerbeteiligung?

Alles, was ein gewisses Maß an Auswirkungen für das stadtgesellschaftliche Leben hat.

Hier geht es zum zweiten Teil des Interviews.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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