Heidelberg

Welche Projekte werden wegen Corona auf Eis gelegt?

Krise belastet den städtischen Haushalt - Jetzt muss der Gemeinderat neue Prioritäten setzen - PHV-Bahn vor dem Aus?

24.05.2020 UPDATE: 26.05.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 50 Sekunden

Rathaus Heidelberg. Foto: Reinhard Lask

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Die Stadt rechnet aufgrund der Corona-Krise mit einem Verlust von 109 Millionen Euro. Das entspricht laut Finanzbürgermeister Hans-Jürgen Heiß in etwa einem Sechstel der laufenden jährlichen Ausgaben. Selbst wenn alle vom Gemeinderat genehmigten Kredite, die in 2019 nicht aufgebraucht wurden, doch noch nachträglich ausgeschöpft werden, und selbst wenn die Stadt ihren Kassenkredit, also ihren Kontokorrent, bis zum zulässigen Maximum ausschöpft, bleibt laut Heiß immer noch eine Deckungslücke von 35,9 Millionen Euro. Ohne Rettungsschirm von Bund und Land, Nachtragshaushalt und massive Einsparungen wäre Heidelberg bis zum Jahresende zahlungsunfähig.

Wie sind diese nackten Zahlen zu interpretieren? Und was bedeutet das für künftige Großprojekte und alle Heidelbergerinnen und Heidelberger? Die RNZ ließ sich von Oberbürgermeister Eckart Würzner und Finanzbürgermeister Heiß die wichtigsten Fragen beantworten.

Wie zuverlässig ist die aktuelle Steuerschätzung? Die Zahlen, die Heiß am Mittwoch dem Haupt- und Finanzausschuss vorlegen wird, basieren auf der Steuerschätzung des Bundes vom 15. Mai. Diese wurden zunächst auf Landesebene und dann auf kommunale Ebene runtergerechnet. Es könnte aber sein, dass die Verluste noch deutlicher ausfallen. Denn die Steuerschätzung geht von einem Konjunktureinbruch um "nur" 6,3 Prozent aus, das renommierte Ifo-Institut hingegen redet von 7,5 Prozent. "Der Sachverständigenrat legte seiner Berechnung noch weitere Prämissen zugrunde", erklärt Heiß: "Dass die Infektionszahlen sich so weiterentwickeln wie bisher und dass es zu keinem zweiten Lockdown kommt." Daher sei die Steuerschätzung sogar "fast optimistisch".

Wo gibt es die meisten Verluste? Allein die Einbrüche bei der Einkommens- und Umsatzsteuer und bei den Zuweisungen über den kommunalen Finanzausgleich schlagen mit einem Verlust von 40 Millionen Euro zu Buche. Bislang bekamen die Kommunen etwa 1400 Euro pro Einwohner zugewiesen, aktuell geht Heiß davon aus, dass es künftig nur noch 1270 Euro sein werden. Aber auch die Stadt selbst generiert derzeit weniger Gebühreneinnahmen als sonst bei gleichbleibenden Kosten. In der Corona-Zeit konnten ja weder die Stadtbücherei noch die Musik- und Singschule oder Kindertageseinrichtungen genutzt werden. Und da sich die Angst vor einer Ansteckung in sinkenden Fahrgastzahlen niederschlägt, muss die Stadt an die Rhein-Neckar-Verkehr GmbH knapp zehn Millionen Euro zusätzlich bezahlen. Mietern städtischer Gebäude – etwa Clubs wie Karlstorbahnhof und Halle 02 – wird für sechs Monate die Miete erlassen.

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Wie hoch sollte der Rettungsschirm von Bund und Land ausfallen? Würzner hofft, dass der Bund 25 Milliarden Euro für die deutschen Kommunen zur Verfügung stellt. Für Heidelberg wünscht er sich eine Teilung der Corona-Kosten von zwei Drittel (Bund und Land) zu einem Drittel (Stadt). Als Minimalziel fordert Heiß, dass der Bund zumindest die Deckungslücke von 36 Millionen Euro stopft.

Wo kann Heidelberg selbst sparen? Alle Ausgaben kommen seit Beginn der Coronakrise auf den Prüfstand. Den Ämtern gelang es im Rahmen eines Sofortpakets bereits, 7,6 Millionen Euro einzusparen. Es gelten eine Haushaltssperre und ein Einstellungsstopp, nur noch die wichtigsten Stellen werden besetzt. Es werde natürlich auch einen neuen Leiter des städtischen Verkehrsmanagements geben, wenn Alexander Thewalt als Bürgermeister nach Ludwigshafen wechsle. "Diese Stelle ist notwendig", sagt Würzner. Auch an dem neuen Posten für den Klimabürgermeister werde man festhalten. "Das wurde politisch diskutiert und ist so entschieden", bekräftigt der OB. Aber er gibt auch zu: "Zum jetzigen Zeitpunkt hätten wir diese Stelle vielleicht nicht mehr so ausgeschrieben."

Mehr als 110 Projekte sind in der Vorhabenliste der Stadt Heidelberg aufgelistet. Was wird aus ihnen? Alles, wo der Bau bereits begonnen wurde oder städtische Gesellschaften beauftragt wurden, werde fertiggestellt, sagen Heiß und Würzner. Das betreffe auch das neue Kongresszentrum und die Sanierung der Stadthalle. Allerdings gibt es auch einige Projekte im laufenden Doppelhaushalt, die nun bis zu einer erneuten Entscheidung des Gemeinderates auf Eis gelegt werden müssen – unter anderem die Videoüberwachung für den Bismarckplatz, die Sanierung des Kurpfälzischen Museums und der Stadtbücherei, die Toilettensanierung der Carl-Bosch-Schule, einige Schulhofsanierungen, die Umsetzung von Stadt an den Fluss, das Fahrradparkhaus am Hauptbahnhof, die Verbesserung der verkehrlichen Situation im Neuenheimer Feld und die neue Rad- und Fußgängerbrücke über den Neckar. Die Stadträte sollen sich noch vor der Sommerpause überlegen, was davon noch ein bis zwei Jahre warten kann. Auch für künftige Projekte müssen Prioritäten gesetzt werden.

Was wird aus dem Megaprojekt Patrick-Henry-Village? Die Konversion von US-Flächen belaste den Haushalt nicht, so Heiß. Schließlich sei die Konversionsgesellschaft zwischengeschaltet, die Flächen würden direkt vermarktet, die Finanzierung laufe über die Wertschöpfung. Allerdings, gibt Würzner zu: Die Straßenbahnanbindung sei dadurch nicht gedeckt. "Das Thema, welche Trasse die beste ist und ob Schnellbusse ausreichen, wird jetzt sicher noch heftiger diskutiert."

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