Vor 450 Jahren wurde Sylvanus auf dem Marktplatz enthauptet
Man warf dem protestantischen Pfarrer Ketzerei vor. Er erfuhr Kerkerhaft und Folter. Doch war sein Zweifel an der Trinitätslehre der einzige Grund?

Von Manfred Bechtel
Heidelberg. Das Bild lässt den Betrachter schaudern: Auf Knien erwartet ein zum Tode Verurteilter seine Hinrichtung. Die gefesselten Hände sind zum Gebet gefaltet, sein Nacken ist entblößt. Der Henker steht hinter ihm und schwingt das Richtschwert mit beiden Händen.
Der Unglückliche ist Johannes Sylvanus, protestantischer Pfarrer und Superintendent in Ladenburg. Am 23. Dezember 1572 wurde er auf dem Heidelberger Marktplatz wegen Ketzerei enthauptet. In diesem Jahr jährt sich sein Tod zum 450. Mal – was auch Anlass für einen Gedenkgottesdienst in der Heidelberger Heiliggeistkirche am Sonntag ist.
Sylvanus wurde vorgeworfen, die kirchliche Lehre von der Dreifaltigkeit in Zweifel gezogen zu haben. Nach diesem Dogma bilden Gott als Vater, der Sohn Jesus Christus und der Heilige Geist eine göttliche Einheit. Dieser Streit ist sehr alt, im Zuge der Reformation war er wieder aufgeflammt.
Auch Sylvanus setzte sich kritisch mit dem Dogma auseinander. Er fand einen Verbündeten in dem Theologen Adam Neuser. Die beiden schrieben einen oder zwei Briefe an den siebenbürgischen Gesandten, wohl mit der Frage, ob eine Auswanderung nach Siebenbürgen möglich sei, da dort Gleichgesinnte stark vertreten waren.
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Diese Kontaktaufnahme und andere Verdachtsmomente spielten eine Rolle für eine Intrige, die sich aus heutiger Sicht wohl nicht mehr vollständig entwirren lässt. Erst wurde Silvanus und später auch Neuser festgesetzt. Andauernde Kerkerhaft, zeitweise im Schlossverlies, machte Sylvanus klar, dass es ums Ganze ging. Schon am zweiten Tag wurde Folter beim Verhör eingesetzt.
Der Verhörte widerrief schließlich "alle seine Irrtümer" und wurde dennoch zum Tode verurteilt. Kurfürst Friedrich III., genannt "der Fromme", habe das Urteil "selbs gefasset und mit eigener handt ufs papyr gebracht", vermeldet ein Chronist. Ein Gerichtsverfahren war nicht vorausgegangen.
Sylvanus musste danach noch ein Dreivierteljahr warten, bis für ihn das Schafott auf dem Marktplatz errichtet wurde. Der Kurfürst hatte außerdem angeordnet, dass Sylvanus’ Söhne die Enthauptung mitansehen mussten. Auch nach der Rechtsordnung der Zeit war das Verfahren illegal. Um den Schein zu wahren, war unmittelbar vor der Hinrichtung noch ein Gericht zusammengerufen worden.
Womöglich war der Streit um die Dreifaltigkeit nicht allein der ausschlaggebende Grund für die grausame Bestrafung des Sylvanus: Im Hintergrund übten Theologieprofessoren Druck aus; bezeichnend ist auch, dass die weltlichen Räte des Kurfürsten gegen die Todesstrafe waren. Auch waren andere Zweifler an der Lehre weitaus glimpflicher davongekommen.
Darüber hinaus könnten außenpolitische Gründe mit Blick auf den Kaiser und die anderen Reichsfürsten im Kalkül des Kurfürsten eine Rolle gespielt haben. Das von ihm selbst verfasste und unterzeichnete Todesurteil und die gnadenlose Exekution ließen sich auch so interpretieren, dass er Sylvanus hasste.
Für den Mitzweifler Neuser ging die Sache glimpflicher aus: Ihm gelang die Flucht. Er machte sich auf die Reise nach Konstantinopel an den Hof des Sultans.
Info: Der Gedenkgottesdienst findet am Sonntag, 11. Dezember, um 11 Uhr in der Heiliggeistkirche auf dem Heidelberger Marktplatz statt. Landesbischöfin Professor Heike Springhart hält die Predigt. Kabarettist Arnim Töpel wird im Gespräch mit dem Theologen Manfred Kuhn das Leben von Sylvanus Revue passieren lassen. Zum Weiterlesen: Heidelberger Jahrbuch zur Geschichte der Stadt 2023; Frieder Hepp, 1993: Religion und Herrschaft in der Kurpfalz um 1600.



