Volksverhetzung im Stadtblatt?
AfD-Gemeinderat provoziert - Anzeige wurde fallen gelassen - Laut Stadt gibt es häufiger Probleme mit AfD-Beiträgen

Rathaus Heidelberg. Foto: Reinhard Lask
Heidelberg. (dns) RNZ-Leser Martin Bösel regt sich schon länger über die seiner Meinung nach "ausländerfeindlichen und hetzerischen Beiträge" auf, die der AfD-Stadtrat Matthias Niebel regelmäßig im Heidelberger Stadtblatt in der Rubrik "Stimmen aus dem Gemeinderat" veröffentliche. Ende Januar hat es ihm dann gereicht: Da Niebel in seinen Artikeln Flüchtlinge und Ausländer "auf übelste Art in eine kriminelle Ecke" rücke und fragwürdige "Belege" nutze, ging Bösel schließlich nach Wieblingen zum Polizeiposten, um Anzeige gegen den Stadtrat zu erstatten. Der Vorwurf: Volksverhetzung. Schließlich lasse sich Niebel etwa unter der Überschrift "Die Bombe tickt" über minderjährige Flüchtlinge aus.
Der Polizeibeamte habe laut Bösel zwar "von Anfang an wenig Interesse" an seinem Anliegen gehabt, trotzdem gab er die Anzeige an die Kriminalpolizeidirektion weiter. Von dort kam sie zur Heidelberger Staatsanwaltschaft: Die habe darin jedoch keine "strafrechtliche Relevanz" gefunden und sie fallengelassen, wie ein Polizeisprecher der RNZ erklärt.
Kein Wunder: Denn bevor ein Artikel im Stadtblatt veröffentlicht wird, prüft ihn das zuständige städtische Amt für Öffentlichkeitsarbeit gleich mehrfach. Schließlich gelten für das Stadtblatt die gleichen Regeln wie für alle Presseerzeugnisse: Veröffentlichungen dürfen nicht gegen das Persönlichkeitsrecht verstoßen, keine bewussten Falschaussagen enthalten - und natürlich nicht den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Ist sich das Öffentlichkeitsamt nach der ersten Prüfung nicht sicher, gehen die entsprechenden Artikel an das städtische Rechtsamt. "Bestehen auch dann noch Zweifel, zieht die Verwaltung einen Fachanwalt hinzu", erklärt Achim Fischer, der Leiter des Öffentlichkeitsamtes auf RNZ-Anfrage.
Dass bei Artikeln Zweifeln bestehen, kommt gar nicht so selten vor: Alle ein bis zwei Monate schalte man das Rechtsamt zur Prüfung eines Artikels ein, nur einmal sei in den letzten Jahren ein Fachanwalt hinzugezogen worden. Auffällig ist jedoch, dass in den letzten Jahren strittige Beiträge ausschließlich von den beiden AfD-Stadträten Niebel und Anja Markmann kamen. Im Januar 2016 wurde ein Niebel-Artikel nicht gedruckt, weil das Rechtsamt Bedenken hatte. Im November 2016 sorgte ein Beitrag von Markmann für Ärger, in dem sie schrieb, sie habe Angst vor den "vielen schwarzen Männern", die man mittlerweile in Bergheim sehe.
Bei der Stadt zeigt man zwar Verständnis für Bösels Empörung. Fischer betont aber auch: "Die Stadtverwaltung kann die Veröffentlichung eines Beitrages in der Rubrik ,Stimmen aus dem Gemeinderat’ nur verweigern, wenn dieser gegen Rechtsvorschriften verstößt." Schließlich liege die Messlatte für ein Veröffentlichungsverbot in Deutschland zurecht hoch. So komme es immer wieder vor, "dass Aussagen veröffentlicht werden dürfen, die für viele nur schwer zu ertragen sind", so der Stadtsprecher. Vor allem populistische Parteien nutzten den Spielraum gezielt aus, um Aufmerksamkeit zu bekommen. "Dass dies viele Menschen irritiert, ist absolut verständlich, ist aber juristisch nicht zu verhindern und ist der Preis unserer Demokratie."



