Verband "Haus und Grund" kritisiert Forderung nach Zweckentfremdungsverbot
Die SPD forderte ein Zweckentfremdungsverbot für Heidelberger Wohnungen – Beim Verband der Immobilienbesitzer "Haus und Grund" stößt dies auf starke Kritik
hob. Die Forderung der SPD nach einem Zweckentfremdungsverbot für Heidelberger Wohnungen sei "populistisch und realitätsfern". Der Verband der Immobilienbesitzer "Haus und Grund" spart nicht mit Kritik an den Genossen. Der Grund dafür: Die SPD-Fraktion stellte in der gestrigen Sitzung des Gemeinderates den Antrag, eine Satzung zu erlassen, die die Umwandlung von Miet- in Ferienwohnungen verhindern soll.
"Heidelberg verfügt über mehr als 70 000 Wohnungen, die SPD stützt ihre Forderung aber auf 300 Zimmer, die auf der Internetplattform Airbnb als Ferienwohnungen angeboten werden", ärgert sich Thilo Koch von "Haus und Grund". Dies seien gerade einmal 0,5 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes in Heidelberg. Richtig sei, dass nach Artikel 14, Absatz 2 des Grundgesetzes Eigentum verpflichte, jedoch gelte bei jedem Eingriff in die Rechte der Eigentümer auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Koch: "Bei der geschilderten Sachlage wäre die Einführung eines Zweckentfremdungsverbotes ein massiver Eingriff für die Immobilieneigentümer und unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit nicht zu rechtfertigen." Darüber hinaus möge man sich überlegen, welche gesellschaftlichen Verwerfungen durch eine solche Satzung in Gang gesetzt werden könnten. "Werden Vermieter von Ferienwohnungen dann gejagt und denunziert mit der Folge einer Spaltung der Stadtgesellschaft?", fragt sich der Rechtsanwalt. Der von der SPD unterbreitete Vorschlag könne wohl nur als Panikreaktion gesehen werden. Problemlösungsorientiert sei er sicherlich nicht, fehlende Wohnungen würden durch ein Zweckentfremdungsverbot nicht geschaffen.
Koch verweist auf die aktuelle Rechtsprechung. Unlängst habe das Amtsgericht München entschieden, dass die Vermietung von Wohnungen an arabische Medizintouristen eine zulässige Wohnnutzung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes darstelle. Und falls doch ein Eingriff in die Eigentumsrechte der Hausbesitzer notwendig sein sollte, biete das geltende Baurecht hierfür ausreichend Möglichkeiten.
"Der Ruf nach gesetzlicher Regulierung zulasten von Immobilieneigentümern ist Ausdruck von Hilflosigkeit und kann die Versäumnisse einer verfehlten Wohnungspolitik nicht auffangen", so Koch. Die Stadtverwaltung habe recht, wenn sie ein Zweckentfremdungsverbot für nicht erforderlich erachte.
Hintergrund
Von Holger Buchwald
Jetzt, im Oktober, wenn Dutzende von Studenten in die Notquartiere des Studierendenwerks
Von Holger Buchwald
Jetzt, im Oktober, wenn Dutzende von Studenten in die Notquartiere des Studierendenwerks ziehen, wird der Wohnungsmangel in Heidelberg wieder einmal deutlich. Auch die Basismiete laut Mietspiegel ist 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 3,3 Prozent gestiegen. Die SPD glaubt, dass diese Probleme unter anderem an Heidelbergs Status als Touristenstadt liegen. Viele Apartments würden als Ferienwohnungen oder Herberge für Medizintouristen missbraucht. Um dem entgegenzuwirken, fordern die Heidelberger Genossen nun ein Zweckentfremdungsverbot für Wohnungen. Der Gemeinderat wird sich am Donnerstag, 8. Oktober, mit dem Antrag befassen.
Allein über die Internetplattform Airbnb werden in Heidelberg derzeit mehr als 300 Zimmer oder Apartments als Feriendomizil angeboten. Längst geht es dabei nicht mehr nur darum, ab und zu und für kurze Zeit mal einen Urlauber aus einer anderen Stadt bei sich aufzunehmen. Die hohe Anzahl der Bewertungen zeigt, dass Airbnb inzwischen auch gewerbsmäßig genutzt wird. Und genau dies will die SPD unterbinden. "Gerade in stark nachgefragten und zentralen Gebieten wie Teilen Bergheims, der West- oder Altstadt und Neuenheims wird Wohnraum an Touristen vermietet", ärgert sich Landtagskandidat Adrian Rehberger: "Auch wenn die Situation noch nicht dramatisch ist, muss die Stadt diese Entwicklung eindämmen."
Seit 2014 können Kommunen in Baden-Württemberg Satzungen erlassen, um die Zweckentfremdung von Wohnraum zu verbieten. Ein Leerstand von mehr als sechs Monaten oder die Umwidmung von Mietwohnungen werden dadurch unterbunden oder genehmigungspflichtig. Diskussionen über Sinn oder Unsinn solcher Verbote gibt es auch in anderen Städten. So ist in Stuttgart ein Streit zwischen Oberbürgermeister Fritz Kuhn und der CDU entbrannt.
Der Heidelberger SPD-Stadtrat Andreas Grasser verteidigt den Vorstoß seiner Fraktion: "Wir dürfen nicht zulassen, dass die Wohnraumsituation in den zentralen Stadtteilen noch angespannter wird." Untervermietungen einzelner Zimmer für eine gewisse Zeit müssten aber nach wie vor möglich sein. Stadträtin Monika Meißner betont, dass eine Regulierung auch im Sinne des hiesigen Hotelgewerbes sei.
Die Heidelberger Stadtverwaltung sieht derzeit keine Notwendigkeit für solch eine Satzung, teilt eine Sprecherin mit: "Uns liegen keine Erkenntnisse vor, dass in Heidelberg in größerem Umfang gewerbsmäßig Wohnraum als Ferienappartments zweckentfremdet wird." Dass Wohnungen auf Internetseiten angeboten würden, heiße nicht automatisch, dass diese ständig von Touristen genutzt würden. Sollten aber Hinweise aus der Nachbarschaft eingehen, würden diese Fälle baurechtlich geprüft. 2013 gab es in Heidelberg weniger als 20 Anträge auf Nutzungsänderung von Wohnen in Gewerbe.
Rechtsanwalt Jan Weber hält persönlich auch nichts von Zweckentfremdungsverboten: "Ich finde, der Staat sollte sich aus solchen Sachen raushalten." Weber hatte im Frühjahr letzten Jahres Vermieter bei einem Zivilprozess vor dem Amtsgericht Heidelberg vertreten, die ihren Mieter erfolgreich aus der Wohnung geklagt hatten. Der Mann lebte damals bei seiner Freundin. Da das von ihm angemietete Appartment leer stand, hatte er dies dauerhaft an Touristen untervermietet. Für ihn war das ein lukratives Geschäft. So bezahlte er selbst nur 370 Euro Miete, verlangte aber für den ersten Gast 35 Euro und für jeden weiteren 15 Euro - pro Nacht. Selbst wenn ein Vermieter einer Untervermietung zustimmt, ist laut BGH-Urteil sogar eine tageweise Vermietung an "beliebige Touristen" nicht ohne Weiteres zulässig.
Positive Erfahrungen hat die Stadt Freiburg gemacht, in der das Zweckentfremdungsverbot seit Januar 2014 gilt. Stadtsprecherin Edith Lamersdorf berichtet, dass es dort im ersten Jahr 110 Verfahren gegeben habe. Das Instrument sei sinnvoll, um den Boom an Ferienwohnungen einzudämmen, und ein kleiner, aber wichtiger Bestandteil des "Handlungsprogramms Wohnraum". Bußgelder wurden in Freiburg bisher keine verhängt. Lamersdorf: "Es genügte, dass das Baurechtsamt die Wohnungseigentümer auf die Rechtslage hinwies."
Hintergrund
Von Julia Giertz und Bettina Grachtrup
Stuttgart. Angesichts des Flüchtlingsstroms in den ohnehin angespannten Wohnungsmarkt Baden-Württembergs greifen Kommunen zu scharfen Mitteln, um die Wohnungsnot zu lindern. Für hitzige Diskussionen sorgt der Vorstoß des grünen
Von Julia Giertz und Bettina Grachtrup
Stuttgart. Angesichts des Flüchtlingsstroms in den ohnehin angespannten Wohnungsmarkt Baden-Württembergs greifen Kommunen zu scharfen Mitteln, um die Wohnungsnot zu lindern. Für hitzige Diskussionen sorgt der Vorstoß des grünen Stuttgarter Oberbürgermeisters Fritz Kuhn für ein Zweckentfremdungsverbot für Wohnraum. Er hat gute Chancen, dafür im Gemeinderat der Landeshauptstadt eine Mehrheit zu finden.
Befürworter wie Gegner dieses 2013 von Grün-Rot ermöglichten Instruments beziehen sich auf das Grundgesetz. So verweisen Kuhn und sein Parteifreund Ministerpräsident Winfried Kretschmann auf den zweiten Absatz des Artikels 14, in dem es heißt: "Eigentum verpflichtet." Gegner der Regelung, wonach grundloser Leerstand mit Bußgeldern von bis zu 50 000 Euro geahndet werden kann, wie der Verein der Hauseigentümer und der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß akzentuieren den ersten Absatz. Dieser gewährleistet Eigentum und Erbrecht. Zudem bemängeln sie, dass das Verbot dem "Schnüffelstaat" und einem "Bespitzelungssystem" Vorschub leiste. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sprach mit Blick auf die von Kuhn angedrohten "Zwangsmaßnahmen" von einer "linken Panikreaktion aus Hausbesetzerzeiten".
Der Hauseigentümerverein Haus & Grund sieht hinter dem Vorschlag Kuhns ein wahltaktisches Manöver. "Er ist ein von den Leuten aus der Landesregierung Getriebener", sagte der Geschäftsführer Ulrich Wecker. Dabei nehme er die Spaltung der Stadtgesellschaft in Kauf, anstatt als Oberbürgermeister für Ausgleich zu sorgen. Der "Überraschungscoup" löst aus Vereinssicht die Probleme nicht. Denn die Leerstandsquote habe sich in der Landeshauptstadt seit 2011 überdurchschnittlich verringert. Anders als von Kuhn behauptet, stünden nicht 3000, sondern nur 1000 Wohnungen leer. Pikant sei, dass ausgerechnet Wohnungen im Eigentum von Bund oder Land zu zehn Prozent freistünden. "OB Kuhn sollte deswegen erst vor der eigenen Haustüre kehren, bevor er anfängt, private Eigentümer zu kriminalisieren", sagte Vereinschef Klaus Lang.
Dem hielt Kretschmann entgegen: "Der Eingriff, dass man mit seinem Wohneigentum Geld verdient, in dem man es vermietet, ist nicht gerade der schlimmste Anschlag auf die Freiheit des Einzelnen, über sein Eigentum zu verfügen."
Doch wie stellt sich die Lage dar? Nach Daten des Statistischen Landesamtes aus dem Jahr 2011 steht Baden-Württemberg mit einer Leerstandsquote von 4,2 Prozent im Vergleich zu den ostdeutschen Bundesländern gut da, aber verglichen mit den Westländern ist der Wert relativ hoch. Schlechter sind nur noch Rheinland-Pfalz (4,5 Prozent) und das Saarland (5,8 Prozent). Stuttgart kam auf eine Leerstandsquote von 3,7 Prozent.
Unterdessen wurde bekannt, dass die Gemeinde Eschbach (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) einer Mieterin kündigte, um Flüchtlinge unterzubringen. Die 56 Jahre alte Frau wohnt seit 23 Jahren in der gemeindeeigenen Wohnung.
Hintergrund
Von Micha Hörnle
Zum ersten Mal soll ein ganzes Haus für Medizintouristen umgebaut werden: Die Neuenheimerin Gudrun Schüssler benachrichtigte die RNZ, dass das Haus in der Moltkestraße 7 verkauft worden sei. Hier plane der neue Besitzer, die vier großen
Von Micha Hörnle
Zum ersten Mal soll ein ganzes Haus für Medizintouristen umgebaut werden: Die Neuenheimerin Gudrun Schüssler benachrichtigte die RNZ, dass das Haus in der Moltkestraße 7 verkauft worden sei. Hier plane der neue Besitzer, die vier großen Fünf-Zimmer-Wohnungen - Schüssler: "Die sind doch ideal für Familien" - zu Kurzwohnappartements zu machen. Im Antrag der neuen Besitzer heißt es: "Unser Konzept richtet sich an: 1. Gastprofessoren, 2. Patienten, die einer längeren Behandlung in der Klinik unterzogen werden, 3. Angehörige dieser Patienten, 4. Menschen, die mehrere Wochen an einer Aus- oder Weiterbildung teilnehmen" - Mindestaufenthalt soll übrigens vier Wochen sein. Schüssler ärgert sich, dass hier Wohnraum in bester Lage vernichtet werde - und sie unterstellt dem neuen Besitzer Profitinteresse: "Hier wird ja dann ein Vielfaches des alten Mietpreises eingenommen."
Auch in der Nachbarschaft habe sich, so Schüssler, mittlerweile massiver Unmut gerührt: Gemeinsam will man sich nun gegen diese neue Nutzung der herrschaftlichen Villa wehren. Zumal man in Neuenheim um den Charakter des Areals fürchtet: Man weiß nicht, was auf die Nachbarschaft zukommt, wenn es dort ein ständiges Kommen und Gehen geben wird - und schon gar nicht von Leuten aus einem anderen Kulturkreis.
Was Schüssler am meisten wurmt: Das soll alles rechtens sein. Und tatsächlich: Das Baurechtsamt sieht keine andere Möglichkeit, als diese Nutzungsänderung zu genehmigen, wie dessen Leiter Volker Fehrer berichtet: "Ferienwohnungen, wie sie hier geplant sind, sind die schwächste Form eines Beherbergungsbetriebs und daher in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig." Der einzige, der daran etwas ändern könnte, wäre der Gemeinderat: Er müsste eine kommunale Wohnraum-Zweckentfremdungssatzung beschließen - und dabei auch ganz genau angeben, wo die zu gelten habe: "Man kann nicht die ganze Stadt unter diesen Schutz stellen", weiß Fehrer. Allerdings sei eine solche Satzung nicht ganz einfach, denn gegen sie werde oft geklagt, so Fehrer: "Das ist schließlich ein schwerer Eingriff ins Eigentum."
An dem vorliegenden Antrag könne er nach Rechtslage nichts Verwerfliches erkennen: Das sei alles formal korrekt - und immerhin wurde er gestellt: "Ich will gar nicht wissen, wie viele uns nicht gefragt haben und Wohnungen in Appartements für Medizintouristen umgewandelt haben", so Fehrer. Er könne höchstens einen Nachweis über Stellplätze verlangen - auch vom Denkmalschutz her gebe es nichts zu beanstanden: "Es wird ja nichts umgebaut, nur möbliert."
Bisher, so sagt Fehrer, wurden gelegentlich Wohnungen zu Appartements für Langzeitgäste umgebaut. Aber das betraf eher verkehrsreiche, unattraktive Gegenden, wo eine normale Vermietung fast unmöglich war - beispielsweise in der Schlierbacher Landstraße (nahe der Orthopädie), die Römer- oder die Rohrbacher Straße. Dass nun ein solches Ansinnen nach Neuenheim getragen werde, sei neu: "Bis jetzt war das ein untergeordnetes Problem, da es sich ja im Stadtgebiet verteilte - auch wenn von gelegentlichen Lärmbelästigungen berichtet wird. Aber ich bin mir sicher, dass angesichts der Expansion der Uniklinik da noch einiges auf Neuenheim zukommen wird." Fehrer sieht das durchaus mit gemischten Gefühlen: "Der zunehmende Medizintourismus kann einen Stadtteil schon verändern, das kann dann auch eine schwierige Entwicklung sein." Deswegen hielte er es für keine schlechte Lösung, wenn die Uniklinik ihre alten Pläne für ein Gästehotel an der Berliner Straße wiederbeleben würde, um den Druck vom Wohnungsmarkt zu nehmen.
Der Nachbarin Schüssler greift das alles zu kurz: "Wieso erlassen wir nicht wie Freiburg ein Nutzungsänderungsverbot? Nur so könnte man den Ausverkauf an Wohnraum stoppen."
Das klingt gut, hat aber seine Tücken: Tatsächlich gibt es in der südbadischen Metropole, deren Wohnungsmarkt sogar noch angespannter ist als in Heidelberg, seit Februar 2014 ein Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum - das übrigens für das gesamte Stadtgebiet ohne Einschränkungen gilt. Ein halbes Jahr später ermittelte die Stadt 45 Fälle, davon 27 aufgrund von Anzeigen. Doch die Nachprüfung erwies sich als extrem zäh und konfliktreich: Nicht immer waren die Eigentumsverhältnisse klar, manche Eigentümer drohten mit dem Anwalt, andere sehen sich um ihre Erlöse gebracht. Und vor allem: Es gibt eine große Dunkelziffer von Nutzungsänderungen, von denen die Stadt Freiburg nie erfahren wird, weil sie nicht beantragt werden.



