Stadt kündigt Vertrag für Wochenmarkt-Stand nach 35 Jahren
"Oliven Eilers" ist seit Jahrzehnten eine Institution in Handschuhsheim. Doch jetzt fehlt der Stand. Sein Vertrag wurde nicht verlängert.

Von Robin Höltzcke
Heidelberg. 35 Jahre lang verkaufte Wiegand Eilers auf dem Handschuhsheimer Wochenmarkt seine Oliven. Doch seit dem Jahreswechsel ist der Stand des 70-Jährigen nicht mehr da. Die Stadt hat seinen Vertrag nicht verlängert, auch auf dem Friedrich-Ebert-Platz in der Altstadt darf er seine Spezialitäten nun nicht mehr anbieten. Eilers glaubt, es liege an persönlichen Problemen, die der städtische Marktmeister mit ihm habe. Dieser habe ihn schikaniert und ihm gedroht, dass er seinen Standplatz verliere.
"Ich habe mich in meinem Leben noch nie so ungerecht behandelt gefühlt", sagt Eilers. Die Stadt hatte die Nichtverlängerung mit Verstößen gegen Corona-Vorschriften und die Wochenmarktordnung begründet. So habe er sich etwa nicht an die Öffnungszeiten gehalten, gegen die Maskenpflicht und Mindestabstände verstoßen – und sich den Anordnungen des Marktmeisters widersetzt. Eilers versteht diese Vorwürfe nicht: "Ich habe immer die Vorschriften befolgt." Schon im Februar 2020 habe er eine Scheibe am Stand gehabt – weit vor den meisten anderen. Er gibt zu: "Ab und zu musste ich meine Maske im Verkaufswagen runterziehen, weil meine Brille immer wieder beschlägt." Aber wenn das als Vergehen ausreiche, dann "hätte keiner mehr einen Stand auf dem Wochenmarkt", sagt Eilers.
Auch den Vorwurf, er habe zu früh geöffnet oder zu früh abgebaut, versteht Eilers nicht. Zwar gesteht er ein: "Mein Sohn hat, als er das erste Mal den Stand übernahm, 30 Minuten zu früh zugemacht, weil er so erschöpft war." Aber er selbst habe nur ein einziges Mal zehn Minuten zu früh aufgemacht.
Der 70-Jährige, der mit seinem Stand noch in Neckargemünd, Eberbach, Sinsheim und Sandhausen ist, wollte sein Geschäft sowieso bald etwas herunterfahren. Doch mit dem Wegfall der zwei Heidelberger Wochenmärkte habe er sich finanziell nicht richtig vorbereiten können: "Wir haben dadurch knapp 40 Prozent Umsatzeinbußen." Er wisse nicht, wie er seine Angestellten bezahlen soll. "Ich habe der Stadt sogar vorgeschlagen, mich nur für 2022 noch einmal zu berücksichtigen", so Eilers. Zudem habe er angeboten, selbst gar nicht vor Ort zu sein, um Problemen mit dem Marktmeister aus dem Weg zu gehen. "Doch die Stadt ist darauf nicht eingegangen."
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Der Marktmeister selbst wollte sich auf RNZ-Nachfrage nicht äußern. Ein Stadtsprecher aber weist die Behauptung zurück, es handele sich um "ein persönliches Problem" zwischen Eilers und dem zuständigen Marktmeister. Dass der Vertrag nicht verlängert wurde, basiere allein auf sachlichen Gründen – also den Verstößen gegen die Marktordnung und Corona-Regeln. "Störungen in der Zusammenarbeit gibt es aufgrund des Verhaltens von Herrn Eilers bereits seit 2015", erklärt der Sprecher. "Leider haben intensive Gespräche und Mahnungen nicht zu einer Besserung geführt", so der Stadtsprecher weiter. Man habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, doch sei schließlich "im Sinne eines ordnungsgemäßen Marktablaufs" entschieden worden, Eilers nicht mehr zu berücksichtigen.
Doch Wiegand Eilers ist nicht der einzige, der sich ungerecht behandelt fühlt. Der Marktbeschicker Siegmar Mei wurde im August 2020 vom Marktmeister des Marktes verwiesen – und erhielt ein Platzverbot, durfte persönlich also nicht mehr an seinen Stand. Mei selbst sagt, er habe damals das vorgeschriebene Desinfektionsmittel nicht sofort vorzeigen können, woraufhin der Marktmeister ihm umgehend mit der Schließung seines Standes gedroht und ihn angeschrien habe – vor den Kunden. Ein Stadtsprecher stellt den Vorgang anders dar: Mei habe weder das Desinfektionsmittel noch Einweghandtücher gehabt – und er sei es gewesen, der den Marktmeister angebrüllt und ihn mehrfach beleidigt habe. "Deshalb wurde ein Platzverweis ausgesprochen", so der Stadtsprecher.
Dieser Verweis gilt bis heute – für Mei ein großes Problem: "Wenn jemand krank ist, kann ich nicht einspringen." Ihm sei gar nicht klar gewesen, dass das Verbot noch galt, als er im Dezember 2021 vor Ort war – und prompt lautstark vom Marktmeister aufgefordert worden sei, sofort zu gehen. Rechtsanwalt Eric Schuh, der Mei und Eilers vertritt, moniert, dass die Stadt ein mögliches Fehlverhalten des Marktmeisters nicht einmal in Betracht ziehe: "Die Stadt hätte auch mal Marktkunden oder Meis Angestellte dazu befragen können."
Tatsächlich bestätigen mehrere Standbetreiber und Kunden, dass es mit dem Marktmeister immer wieder Probleme gebe. Ein Augenzeuge, Udo Vocke, berichtete der RNZ etwa von "aggressivem Verhalten" des Marktmeisters gegenüber Mei bei dem Vorfall im Dezember 2021. Die Stadt weist dies zurück. Zum "angeblichen Fehlverhalten der Marktmeister" verweist der Sprecher zudem auf eine anonyme Umfrage des Ordnungsamtes unter den Wochenmarkthändlern im Jahr 2021: Drei Viertel von ihnen hätten mitgemacht – und 92 Prozent seien "mit der Zusammenarbeit mit den beiden Marktmeistern zufrieden".
Viele Marktkunden springen indes Wiegand Eilers zur Seite. "Bitte erhalten sie diesen Stand", schrieb eine von ihnen direkt an die Stadt. Auch der RNZ sagte sie: "Eilers’ Angebot war vielseitig und ausgewogen – und viel besser als das von Ersatzständen in Ferienzeiten." Die Marktkunden Katrin Luegger und Kai Hebestreit schrieben wiederum direkt an Eilers: "Seit vielen Jahren kaufen wir sehr gerne bei Ihnen ein und wissen gar nicht, wie wir ohne Ihre Köstlichkeiten ,überleben’ sollen."



