Sie kämpft gegen Raser - und wurde jetzt selbst zum Opfer
Barbara Holborn engagiert sich in der Interessengemeinschaft Verkehr für mehr Sicherheit - Autofahrer erfasste die Radlerin am 16. Januar - Zeugen gesucht

Barbara Holborn wurde von einer Autofahrerin umgefahren - und das in der verkehrsberuhigten Blumenstraße. Foto: Rothe
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Ausgerechnet Barbara Holborn hat es erwischt. Die Frau, die sich seit zwei Jahren an vorderster Front für mehr Verkehrssicherheit in der Weststadt einsetzt, wurde am 16. Januar in der Blumenstraße, direkt vor ihrer Haustür, von einer Autofahrerin zu Fall gebracht. Holborn war gerade mit ihrem Rad unterwegs, die ungeduldige VW-Fahrerin hinter ihr hatte schon mehrmals den Motor aufheulen lassen.
Und als die Weststädterin am Bordstein anhalten wollte, passierte es: Laut hupend setzte die Autofahrerin zum Überholmanöver an. Dabei fuhr sie so dicht an Holborn vorbei, dass sie diese an der linken Hand berührte. Bei dem Versuch, ihr Fahrrad und die Einkäufe zu retten, stürzte die Weststädterin auf ihre linke Hand. Die Verursacherin hingegen flüchtete vom Unfallort und brauste in Richtung Römerstraße davon. Holborn erlitt Prellungen. Einige Tage nach dem Unfall trägt sie immer noch einen Verband und klagt über Rückenschmerzen.
"Die Frau ist ganz bewusst so dicht an mir vorbeigefahren", sagt sie. Alles sei so schnell gegangen, dass Holborn nur erkennen konnte, dass es sich bei dem Unfallwagen um einen weißen oder silberfarbenen VW mit Calwer Kennzeichen gehandelt habe. Die Fahrerin hatte dunkle Haare.
Wer mit Holborn in der Blumenstraße steht und sich über Verkehr unterhält, muss nicht lange warten, bis Passanten anhalten und mitreden wollen. Die 49-jährige Mutter einer Viertklässlerin ist im Stadtteil bekannt. Schließlich hat die Logopädin und ehemalige Künstlerin 100 Plakate gestaltet, um die Autofahrer darauf hinzuweisen, dass große Teile der Weststadt, von der Franz-Knauff-Straße bis zur Bahnhofstraße, ein verkehrsberuhigter Bereich sind, in denen nur Schrittgeschwindigkeit, also sieben Stundenkilometer, erlaubt sind. Da wildes Plakatieren verboten ist, haben Holborns Mitstreiter die handgemalten Poster auf ihrem Privatgrundstück aufgehängt. "Nur Affen rasen", ist auf einem zu lesen. Es zeigt den Brückenaffen, der ein "7 km/h"-Schild hält. Zusammen mit anderen Eltern bemalte Holborn auch die Straßen der Weststadt mit bunter Kreide. Bis ihr das polizeilich verboten wurde.
Auch interessant
Als eine der engagiertesten Aktiven in der Interessengemeinschaft Verkehr (IGV) hat sich Holborn nicht nur Freunde gemacht. "Sieben Stundenkilometer sind schon sehr wenig. Da kann man ja gleich aussteigen und schieben", protestiert eine ältere Passantin. Sie ist gerade weitergezogen, da braust ein DHL-Paketdienst mit geschätzten 50 km/h vorbei. Dass gerade ein Kind mit Tretroller die Kleinschmidtstraße überqueren möchte, scheint der Fahrer nicht zu bemerken.
Holborn ist angesichts solcher Ignoranz frustriert: "Alle heizen hier durch." Nach dem tödlichen Unfall eines neunjährigen Jungen in der Theaterstraße vor zwei Jahren und der anschließenden Diskussion um die Verkehrssicherheit von Kindern sei die Situation wieder schlimmer geworden. Gutachter Jens Leven, der von der Stadt mit einem Sicherheitsaudit für alle Stadtteile beauftragt ist, stelle überdies die Weststadt zu harmlos dar. Und die bereits umgesetzten Maßnahmen reichten bei Weitem nicht aus. "Die Bodenschwelle vor der Landhausschule bringt nur dort an der Ecke etwas", so Holborn: "Ich bin enttäuscht von dem, was bisher erreicht wurde. Ich finde die Weststadt gefährlich."
Die Konsequenz: Auch heute noch bringt Holborn ihre Tochter täglich zur Pestalozzischule. "Und das, obwohl sie schon in die vierte Klasse geht!" Die Autofahrer seien einfach zu aggressiv gegen Radler, meint die Mutter. Sie wünscht sich mehr Geschwindigkeitskontrollen vom Gemeindevollzugsdienst. "Ich habe die noch nie hier gesehen!" Ihr Nachbar Todor Hristov, Inhaber der Gaststätte "Krokodil", widerspricht. Er selbst wurde schon geblitzt, als er in Gedanken war: "Ich habe daraus gelernt und fahre jetzt langsamer."
In Absprache mit Vertretern der Stadt möchte Holborn die Blumenstraße mit Blumen bemalen - solche Aktionen hat Jens Leven vorgeschlagen. Dadurch erkennen die Autofahrer schneller, dass sie in einer Spielstraße sind. Zudem hat Holborn, die früher als Bildhauerin arbeitete, auch im Auftrag des Amts für Verkehrsmanagements Schablonen für "kleine Heidelberger" hergestellt. Die Figuren sollen an unterschiedlichen Stellen am Straßenrand aufgestellt werden und die Aufmerksamkeit von Autofahrern erhöhen.
Holborn kämpft weiter. So viel ist sicher. Vor mehr als 30 Jahren wurde ihr Bruder als Radler von einem Sattelschlepper angefahren und war danach schwerstbehindert. Jahre später starb er an einer Virusinfektion. Um so etwas zu verhindern, lohne es sich, den Verantwortlichen immer wieder auf den Füßen zu stehen, glaubt die Aktivistin. Die Polizei unterdessen macht der 49-Jährigen wenig Hoffnung, dass ihre Unfallgegnerin gefunden wird. Es gibt einfach zu viele Fahrzeuge, auf die Holborns Beschreibung zutrifft.
Info: Zeugen, die den Unfall am 16. Januar gegen 18 Uhr beobachtet haben, sollen sich bitte unter Telefon 0621 / 1744140 melden.