Nach dem Lockdown erobern Touristen die Stadt zurück
Die Hotels sind vor allem am Wochenende gut ausgelastet. Doch Geschäftsreisende und Gäste aus Übersee fehlen weiterhin.

Von Julia Lauer
Heidelberg. Die Touristen erobern Heidelberg allmählich zurück, man sieht sie auf der Alten Brücke, auf dem Philosophenweg oder am Schloss. Auch in den Hotels herrscht wieder mehr Betrieb. Aber nicht alle Besuchergruppen sind zurück.
"Normalerweise sind 60 Prozent unserer Gäste Asiaten, aber derzeit ist kein einziger Asiate bei uns", berichtet Carmen Schmid, die in der Altstadt unterhalb des Schlosses die Jugendherberge "Lotte" betreibt. Amerikaner hingegen kämen seit Kurzem wieder, nach langer Pause checken inzwischen zumindest fünf oder sechs US-Bürger wöchentlich bei ihr ein.
Schmids 34 Betten im Hostel füllen sich zwar trotzdem wieder – so hoch wie in früheren Zeiten ist die Auslastung aber nicht. "In anderen Sommern waren wir völlig ausgebucht. In diesem Jahr schwankt es. Die ersten beiden August-Wochen über waren wir super voll, dann ließ es wieder nach, derzeit liegen wir bei der Auslastung etwas über 50 Prozent." Vor allem Besucher aus den Nachbarländern kommen derzeit in ihrer Herberge unter: Sie stammen aus Holland, der Schweiz, aus Belgien und Frankreich – und es kommen viel mehr Deutsche als sonst.
"Viele unserer Gäste sind auf dem Rückweg von einer Reise aus dem Süden und machen hier Zwischenstopp", berichtet Schmid. Inzwischen trauten sich ihre Gäste auch wieder, etwas im Voraus zu planen. "Aber noch immer bucht bis zu einem Fünftel am selben Tag das Bett für die Nacht. Früher war das gar nicht möglich."
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Auch in den Qube-Hotels in Bergheim (150 Betten) und in der Bahnstadt (170 Betten) fehlen die Besucher vom anderen Ende der Welt. "Die Übernachtungen von Amerikanern und Chinesen sind massiv zurückgegangen", erzählt Geschäftsführer Jamie Arndt, der eine ganz andere Zielgruppe ansprechen will als Carmen Schmid mit ihrem Hostel in der Altstadt. "In Heidelberg macht man sich oft nicht klar, dass zwei Drittel der Übernachtungen in der Stadt aus dem geschäftlichen Bereich stammen. Und Geschäftsreisen sind praktisch auf null zurückgegangen."
Nun helfen ihm Städtetouristen dabei, sich über Wasser zu halten: Deutsche, die in diesem Sommer nicht ins Ausland fahren und Besucher aus den Nachbarländern wie Österreich und der Schweiz. Immerhin halten sie sich etwas länger als die Geschäftsleute in Heidelberg auf; statt zwei Nächten bleiben sie meist drei oder vier, wie Arndt erzählt.
Ihnen sei zu verdanken, dass der August wieder ein ganz guter Monat gewesen sei. Auch habe er schon einige Buchungen für September und Oktober, allzu optimistisch gibt sich der Geschäftsführer dennoch nicht. "Vor einem Jahr lag die Corona-Inzidenz in Heidelberg Mitte August bei fünf. Und die Auswirkungen, die kamen, waren verheerend. Die Impfungen bieten nun zwar einen gewissen Schutz, aber die Reiserückkehrer kommen erst noch."
Und doch läuft es in diesem zweiten Corona-Jahr besser als im ersten – zumindest bisher. "Im Vergleich zu 2020 haben die Übernachtungszahlen zwischen Januar und Juni dieses Jahres um fünf Prozent zugenommen", fasst Mathias Schiemer, Chef von "Heidelberg Marketing", die gegenwärtige Situation des Hotelwesens in der Stadt zusammen. Vor allem an den Wochenenden seien viele Hotels gut ausgelastet. "Mitunter ist es schwer, in Heidelberg noch ein Zimmer zu bekommen", berichtet er. Viele Besucher erkundeten nicht nur die Stadt, sondern oft auch die Region. "Die Strategie, gemeinsam mit Mannheim um Besucher zu werben, haben wir kurz vor der Pandemie vorgestellt. Jetzt, anderthalb Jahre später, kommt sie zum Tragen." Dass viele Gäste aus dem Inland stammen, überrascht ihn nicht. "Der Deutschlandtourismus war in Heidelberg schon immer stark."
Die Zahlen sind zwar besser als im Vorjahr, liegen aber deutlich unter denen aus Nicht-Corona-Jahren. "Im Vergleich zu 2019 haben wir zwischen Januar und Juni 49 Prozent weniger Übernachtungen", berichtet Schiemer. Und er sagt auch: "Obwohl die Hotels an den Wochenenden voll sind, läuft es nach dem Lockdown bescheiden an." Nicht nur seien Reisende aus Übersee zögerlich und arbeiteten große Firmen der Region wie etwa SAP noch immer aus dem Homeoffice, sodass Geschäftsreisen kaum stattfänden – auch das Kongressgeschäft mit Besuchern aus dem In- und Ausland sei weggebrochen.
Dass sich die Stadthalle noch im Umbau befindet und das neue Konferenzzentrum in der Bahnstadt erst 2023 eröffnen soll, macht es nicht leichter – doch dafür lägen bereits jetzt Anfragen vor. Das Kongresswesen soll künftig ohnehin ausgebaut werden. "Heidelberg hat auch mit dem Schloss, der Halle 02 oder auch der Alten Weinfabrik vielfältige Flächen zu bieten."

Das Heidelberger Schloss. Archiv-Foto: dpa
Hintergrund
Es gibt wieder mehr Stadtführungen
Seit Anfang Juni bieten die Heidelberger Gästeführer wieder Stadtrundgänge an. "Vor allem in den vergangenen drei, vier
Es gibt wieder mehr Stadtführungen
Seit Anfang Juni bieten die Heidelberger Gästeführer wieder Stadtrundgänge an. "Vor allem in den vergangenen drei, vier Wochen hat das Geschäft noch einmal deutlich angezogen", berichtet Dino Quaas, Vorsitzender des Gästeführer-Vereins. Vor allem Gäste aus dem dem deutschsprachigen Raum buchten Führungen, zuletzt auch wieder einige US-Amerikaner.
Allerdings: "Im August und September haben wir normalerweise Hochsaison. In diesem Jahr liegen wir weit unter dem üblichen Niveau." Flusskreuzfahrten seien stark eingebrochen, was auch Folgen für die Gästeführer habe: "Aus diesem Bereich sind die Aufträge um mehr als die Hälfte zurückgegangen."
Der Verein hat 155 Mitglieder, gut die Hälfte bietet regelmäßig Stadtführungen an. "Von ihnen hat sich eine Handvoll beruflich umorientiert", berichtet Quaas. Inzwischen seien seines Wissens die meisten Gästeführer gegen Corona geimpft, was vielen Besuchern wichtig sei. "Wir sind guten Mutes, dass es im kommenden Jahr weiter bergauf geht", sagt Quaas. (jul)



