Heidelberg

Mieter des "Heidelberg Village" konnten endlich einziehen

Doch es gibt viele Probleme – Nachts über 30 Grad im Schlafzimmer

12.08.2018 UPDATE: 13.08.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 30 Sekunden

Der Balkon ist mit einer Absturzsicherung versehen, die Türe kann nur einen Spalt breit geöffnet werden. Somit erhalten Andrea Arnold und ihr Sohn Darian kaum Frischluft von dieser Seite. Wenigstens sind sie aber nun in ihrer neuen Bleibe im "Village" angekommen. Foto: Rothe

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Nach Monaten im Hotel, mehreren geplatzten Umzugsterminen und etlichen Kommunikationspannen durften die neuen Bewohner des "Heidelberg Village" im Langen Anger in der Bahnstadt im Juli endlich in ihre Appartements einziehen. Doch im neuen Zuhause gibt es schon wieder Ärger: Bei vielen Wohnungen fehlen noch die Balkone, es gibt offenbar Lieferschwierigkeiten bei den Jalousien. Und so streiten einige Mieter mit der Hausverwaltung: Es geht um Mietminderungen, Kostenerstattungen - aber auch um den Vorwurf der Einschüchterung.

Und dann ist da auch noch die sommerliche Hitze: In den Passivhauswohnungen lassen sich derzeit die Balkontüren wegen der notwendigen Absturzsicherungen nur einen winzigen Spalt breit öffnen. In manchen Wohnungen gibt es nur ein einziges Zimmer, in dem sich überhaupt ein Fenster öffnen lässt. Und die Lüftungsanlage funktioniert noch nicht.

Derzeit werden die Balkone am Haus B des "Heidelberg Village" angebracht. Foto: Rothe

Beim Vor-Ort-Termin am Montagnachmittag letzter Woche zeigt das Thermometer im Arbeitszimmer von Andrea Arnold 34 Grad Celsius. "Bis 12 Uhr mittags ist es hier am schlimmsten", sagt Arnold, die mit ihrem Mann und ihrem zweieinhalbjährigen Sohn Darian im zweiten Stock von Haus B wohnt. Denn dann knallt die Sonne voll durch das Fenster, das sich wie die meisten anderen in der 90-Quadratmeter-Wohnung nicht öffnen lässt. Zum Gespräch bittet Arnold daher ins Wohnzimmer, hier steht wenigstens ein Ventilator.

An heißen Tagen habe es nachts um zwei Uhr in ihrem Schlafzimmer mehr als 30 Grad, berichtet Arnold. Es sei ja nicht so, dass sie kein Verständnis habe, dass es derzeit zu wenige Handwerker gebe, um alle Probleme sofort zu beheben. Doch sie und andere Mieter des "Heidelberg Village" ärgern sich über die schlechte Kommunikation der Vermietungsgesellschaft "Pro Scholare" und ausstehende Zahlungen.

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Das Besondere am "Heidelberg Village" sei ja, dass hier viele Personen leben, die Unterstützungsleistungen beziehen, betont Arnold. Sie seien auf jeden Cent angewiesen. Gleich nebenan wohnt zum Beispiel eine Familie mit Hund. Beim Vor-Ort-Termin kann sie nicht dabei sein, da just an diesem Tag das dritte Kind auf die Welt gekommen ist. Durch die Einlagerung der Möbel und verschobene Umzugstermine, aber auch wegen des Mehraufwands durch die monatelange Unterbringung im Hotel seien hohe Kosten entstanden. Noch immer fordert die Familie von "Pro Scholare" Auslagen im vierstelligen Bereich zurück. Eine ähnliche Summe wie bei den Arnolds. "Pro Scholare" hat immerhin die Forderungen von Rafi Fagirzai, einem anderen Bewohner, anerkannt. "Zur Sicherung der Miete", heißt es in einem Brief, werde das Geld aber einbehalten.

Hintergrund

Das "Heidelberg Village" in der Bahnstadt, zwischen Langer Anger und Grüner Meile soll ein "Dorf in der Stadt" sein. Verteilt auf zwei Gebäude - Haus A und Haus B - gibt es auf 15.000 Quadratmetern 161 Mietwohnungen. Es ist ein inklusives Wohnmodell: Ziel ist

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Das "Heidelberg Village" in der Bahnstadt, zwischen Langer Anger und Grüner Meile soll ein "Dorf in der Stadt" sein. Verteilt auf zwei Gebäude - Haus A und Haus B - gibt es auf 15.000 Quadratmetern 161 Mietwohnungen. Es ist ein inklusives Wohnmodell: Ziel ist eine möglichst heterogene Bewohnerschaft aus Studenten, Familien, Rollstuhlfahrern, Berufstätigen und Senioren. Verschiedene Treffpunkte sollen dafür sorgen, dass die Bewohner sich begegnen können. Einer davon ist die Shisha-Bar, die aber immer noch nicht eröffnen konnte. Die Frey-Gruppe übernimmt selbst die Vermietung und kann so den Bewohnermix steuern. Mit Förderungen soll ein Quadratmeterpreis von 7,50 Euro erreicht werden. Die "Software AG Stiftung" ist Eigentümer des Hauses B. Für das Modellprojekt "Heidelberg Village" wurde das Architekturbüro Frey im September 2015 auf dem Berliner Demografiekongress mit dem Preis der Initiative "Deutschland - Land des langen Lebens" ausgezeichnet. Die FAZ widmete dem Projekt eine halbe Seite, auch CNN berichtete. hob

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"Zur Sicherung der Miete" heißt konkret, dass sich "Pro Scholare" gegen die hohen Mietminderungen wehrt, die einige Bewohner geltend machen. Die Familie Arnold hat die monatlichen Zahlungen um 60 Prozent gekürzt, wie vom Rechtsanwalt empfohlen. "Pro Scholare" bietet neuen Bewohnern aber nur eine Mietminderung von 25 Prozent an. Deborah L., die in einer Dachgeschosswohnung lebt und dort weder ihre Terrasse noch ihren Balkon nutzen kann, hält das für viel zu wenig. "In den meisten Zimmern bleibt die Temperatur konstant über 30 Grad." Dabei hat sie noch - im Gegensatz zu vielen anderen Mietern - das Glück, dass sie ein mobiles Klimagerät aufstellen und die Abluft durch ein geöffnetes Fenster leiten kann.

Hinzu kommen kleinere Mängel: Die Freisprechanlage funktioniert nicht, das Wasser ist mal heiß, mal kalt. Der Anschluss für die Waschmaschine im Bad sei so schlecht verbaut, dass man bei einem Gerät normaler Größe die Türe nicht mehr schließen kann. Noch schlimmer trifft es einen Mann, der bereits im April eine Shisha-Bar im Haus A eröffnen wollte. Die Arbeiten sind immer noch nicht beendet. Das erhoffte Geschäft mit der Fußball-Weltmeisterschaft hat er bereits verloren.

"Wir wussten, dass die Balkone noch nicht hängen und es schwierig wird", sagt Arnold. Nun ist sie vor allem von der schleppenden Kommunikation zermürbt. Beschwerdemails werden lange nicht beantwortet. Es kommt immer wieder zu Konflikten. "Pro Scholare" hat ihr jetzt sogar in einem Brief nahegelegt, dass sie das Mietverhältnis ja jederzeit im gegenseitigen Einvernehmen beenden könne.

"Kein Kommentar" heißt es von Planer Wolfgang Frey zu den Problemen im "Village". Eine Anfrage bei der Pressestelle der Frey-Gruppe, zu der auch "Pro Scholare" gehört, blieb unbeantwortet.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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