Jugendkultur in Heidelberg: "Es fehlt der politische Wille"
Podiumsdiskussion zur Jugendkultur: Nach dem Aus für die Dischingerstraße geht es noch immer um Vergangenheitsbewältigung.
Um die Jugendkultur in Heidelberg sollte es gehen. Welchen Stellenwert sie bei der Politik hat. Ob ein selbstverwaltetes Jugendkulturzentrum doch noch Wirklichkeit werden kann in dieser Stadt. Eine in die Zukunft gerichtete Diskussion hatten sich die Jusos vorgestellt, als sie am Dienstagabend zu einer Diskussion ins Deutsch-Amerikanische Institut luden. Doch nach zwei Stunden war klar: Die Schatten der Vergangenheit wiegen zu schwer, die Wunden in der Causa Dischingerstraße 5 sind nicht verheilt, die Gräben noch immer tief.
Auf dem Podium saßen Kulturbürgermeister Joachim Gerner, der Jugendgemeinderatsvorsitzende Mamdouh Butt, die Grünen-Stadträtin Kathrin Rabus und Malte Burmester vom Verein für kulturellen Freiraum in Selbstverwaltung. Über fünf Jahre lang hatte Burmester sich für ein selbstverwaltetes Jugendkulturzentrum engagiert, ein Jahr arbeitete er mit seinem Verein intensiv an einem Konzept für die Dischingerstraße mit. Dann kam mit dem Gemeinderatsbeschluss, nicht genügend Geld für das geplante Konzept bereitzustellen, das Aus. Für junge Leute in Heidelberg ist es seit anderthalb Jahrzehnten ein immer wiederkehrender Albtraum: Sie engagieren sich, ein Standort ist im Gespräch - am Ende steht das Scheitern, oft aus finanziellen Gründen. "Eine Generation nach der anderen wird demoralisiert", meinte Kathrin Rabus.
Burmester zog ein bitteres Fazit: "Ich habe mich vom Traum eines solchen Zentrums verabschiedet." Sein Vertrauen in die Heidelberger Politik sei nachhaltig zerstört. "Bei mir bleibt das Gefühl: Es fehlt der politische Wille." Im Publikum nickten da viele Mitstreiter Burmesters, die bei "Freiraum" oder "Spielraum" so viel Zeit und Arbeit investiert hatten.
Das Problem liegt aber noch viel tiefer: Es hapert wohl schon an der Kommunikation, am grundlegenden Verständnis, was ein solches Zentrum sein soll. Viele Stadträte hätten bis heute das Konzept der beiden Vereine nicht verstanden, obwohl die beiden Vereine es wieder und wieder erklärten, meint Burmester. "Es geht nicht um Räume, sondern um Organisationskonzepte. Finanzen, Raumbelegung, Programm - wir wollten alles selbst machen."
Grünen-Stadträtin Kathrin Rabus stimmte Burmester zu: "Es geht nicht um Jugendsozialarbeit, um Pädagogik, sondern darum, jungen Leuten einen Raum zu geben, wo sie sich ausprobieren können - und zwar ohne Aufpasser." Die Mittel für "bewährte" Kultur seien in Heidelberg da, für diese Form der Jugendkultur aber gebe es kein Geld.
Und der Kulturbürgermeister? Joachim Gerner sah das Problem auch darin, dass ein solch "hochkomplexes Projekt" Kontinuität brauche - und viele der Jugendlichen nach dem Schulabschluss eben die Stadt verließen. Malte Burmester, lebendes Gegenbeispiel am anderen Ende des Podiums, schüttelte da nur ungläubig den Kopf. Gerner zählte auf: Bahnbetriebswerk, Zollamts-Keller, Ex-Haldex-Gebäude, Dischingerstraße - die Verwaltung habe immer wieder Anläufe genommen, die leider nicht umgesetzt hätten werden können. Entgegnung eines Zuhörers aus dem Publikum: "Nach all den Jahren muss sich die Stadt am Ergebnis messen lassen, nicht an dem, was versucht wurde."
Am Ende war es an Mamdouh Butt, doch noch einen Blick in die Zukunft zu wagen: "Wir halten an dem selbstverwalteten Jugendkulturzentrum fest." Bis zum nächsten Doppelhaushalt 2015/2016 wolle man mit den bereitstehenden 480.000 Euro erste Schritte angehen. Dass es der Jugendgemeinderat war, der den Stadtjugendring mit ins Boot holen wollte - und damit das Konzept der beiden Vereine ad absurdum führte - spielte da schon fast keine Rolle mehr. Malte Burmester kam aus dem Kopfschütteln sowieso nicht mehr heraus.