Hat Heidelberg bald zu viele Hotels?
Bis 2020 entstehen 3500 zusätzliche Betten in Heidelberg - Gefahr von Überkapazitäten besteht

An der Speyerer Straße entsteht seit Oktober 2016 das "Star Inn". Mit seinen 200 Zimmern und 83 Appartements im angeschlossenen Boardinghaus ist es derzeit das größte Hotelneubau-Projekt in Heidelberg. Foto: Philipp Rothe
Von Timo Teufert
Wie viele zusätzliche Hotelbetten verträgt Heidelberg? Diese Frage beschäftigt gerade viele Hoteliers, denn rund um den Hauptbahnhof und den geplanten Standort für das Konferenzzentrum in der Bahnstadt entstehen immer mehr neue Hotels. Erst in der letzten Woche kündigte die Centro-Hotel-Gruppe aus Hamburg den Neubau eines "Ninety Nine Hotel" am Czernyring an. Die Anzahl der Betten, die durch die Neubauten entstehen, wird bis zum Jahr 2020 um 60 Prozent steigen: von derzeit 5700 Betten auf dann 9200. Beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) fürchtet man aber, dass die Zahl der Übernachtungen nicht in gleicher Weise zunehmen wird.

"Bei aktuell 1,4 Millionen Übernachtungen müssten weitere 1,2 Millionen Übernachtungen bis 2020 hinzukommen, um die zusätzlichen Betten auch zu füllen", rechnet Melanie von Görtz, Heidelberger Dehoga-Geschäftsführerin, vor. Sie beurteilt die Entwicklung deshalb eher kritisch: "Ich sehe die Gefahr von Überkapazitäten, denn wenn man die Übernachtungszahlen seit 2004 betrachtet und linear fortführt, liegen wir 2020 nur bei insgesamt 1,6 Millionen Übernachtungen", sagt die Branchenvertreterin. Damit läge die Auslastung der Hotels auf dem Niveau von 1998 bei 44,7 Prozent. 2015 lag sie bei 55,6 Prozent, 2016 bei 54,6 Prozent.
"Ich habe Zweifel, ob der Markt in so kurzer Zeit so viel aufnehmen kann. Die Überkapazitäten sind deshalb eine reelle Gefahr, die zu Lasten der kleinen und mittleren Betriebe sowie der Hotels am Stadtrand gehen wird", ist sich von Görtz sicher. Und das in einer Stadt, deren Hotellandschaft bislang von kleinen, inhabergeführten Häusern geprägt ist.
Hintergrund
> Die Hotel-Neubauten in der Stadt konzentrieren sich vor allem auf den Bereich rund um den Hauptbahnhof und die Bahnstadt, wo das neue Kongresszentrum entstehen soll. Das "Star Inn", Speyerer Straße 9, wird mit seinen 430 Betten im Hotelbereich
> Die Hotel-Neubauten in der Stadt konzentrieren sich vor allem auf den Bereich rund um den Hauptbahnhof und die Bahnstadt, wo das neue Kongresszentrum entstehen soll. Das "Star Inn", Speyerer Straße 9, wird mit seinen 430 Betten im Hotelbereich (Drei-Sterne-Premium-Bereich) und den 180 Betten im angegliederten Boardinghaus nach seiner Fertigstellung im März 2018 der größte Beherbergungsbetrieb der Stadt sein. Bislang ist es das "Mariott"-Hotel mit 496 Betten. Direkt angrenzend entsteht das "Meininger"-Hotel mit 336 Betten im Low-Budget-Bereich in der Carl-Benz-Straße 4-6. Ebenfalls in der Nachbarschaft soll bis Anfang 2019 das "Ninety Nine Hotel" (drei bis vier Sterne) am Czernyring 26 mit 214 Betten errichtet werden. Das "Qube Hotel Bahnstadt" (vier Sterne) wird bis Mitte 2019 auf dem Baufeld SE2 zwischen Langem Anger, Grüner Meile und Da-Vinci-Straße gebaut. Das "Core"-Hotel (vier Sterne) soll Mitte 2018 im ehemaligen Fernmeldeamt in der Sofienstraße eröffnen, das Hotel Apfel in der Lutherstraße 19 in Neuenheim mit 56 Betten im Frühjahr 2018.
In Planung sind zudem das Intercity-Hotel am Bahnhof, das Kongress-Hotel in der Bahnstadt und die Erweiterung des "Mariott"-Hotels. tt
Anders sieht man das offenbar in der Stadtspitze: "Ich denke, dass der aktuelle Zuwachs durch den Markt gut abgefedert werden kann", sagte Oberbürgermeister Eckart Würzner beim Branchentreffen Mitte April. Heidelbergs Tourismusmanager Mathias Schiemer räumt ein, dass man auf die Entwicklung schauen müsse. Er selbst habe schon zwei internationale Hotelbetreiber von einer Niederlassung in der Stadt abgebracht. Das sei aber nicht leicht, da Heidelberg ein attraktiver Standort sei und die Deutsche Zentrale für Tourismus einen Anstieg der Touristen in Deutschland von derzeit 80 Millionen pro Jahr auf 120 Millionen im Jahr 2030 prognostiziere. Und auch für Kongressteilnehmer werden steigende Zahlen angenommen.
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"Die derzeitige Situation ist außergewöhnlich, der Städte- und der Deutschlandtourismus boomt, und die konjunkturelle Lage ist hervorragend. Ich habe aber Zweifel daran, ob die Zeiten so golden bleiben", sagt von Görtz. Das könne sich aber auch schnell ändern, wenn es Unternehmen nicht gut gehe, denn Geschäftsreisende machten immerhin 65 Prozent der Übernachtungsgäste aus. Die letzte Krise hätten die Hoteliers immer noch in Erinnerung.
"Die Erhöhung der Bettenzahl ist besorgniserregend", meint auch Johannes Arndt, der das Qube-Hotel in der Bergheimer Straße betreibt. Er ist doppelt von der Entwicklung betroffen, denn er hat nicht nur ein bestehendes Haus, sondern wird in der Bahnstadt auch ein 84-Zimmer-Hotel eröffnen. "Wir haben das Projekt vor fünf Jahren aufgesetzt, da war diese Entwicklung noch nicht absehbar, und da gab es noch keine Pläne für das Konferenzzentrum oder weitere Hotels in der Bahnstadt", sagt Arndt. Die Zahl von 3500 neuen Betten sei monströs und lasse die Hoteliers aufhorchen. "Ich glaube nicht, dass wir damit am Ende der Fahnenstange angekommen sind", fürchtet Arndt. Ob er heute noch einmal in ein neues Haus investieren würde, weiß er nicht. "Ich hätte deutlich mehr Bauchschmerzen."
Wie recht er damit hat, zeigt eine Vorlage der Stadtverwaltung, die ab Mittwoch in den Gremien des Gemeinderates diskutiert wird. Das geplante "Intercity"-Hotel am Bahnhof - das westlich des bestehenden Gebäudes entsteht - soll rund 400 Betten haben, der Architektur- und Städtebauwettbewerb ist für den Sommer angesetzt. Und weitere Ketten haben Heidelberg als möglichen Standort ins Auge gefasst, auch wenn es noch keine konkreten Planungen gibt. Denn: "Heidelberg ist ein sehr starker Standort, der vor allem im Businessbereich noch Potenzial hat", sagt Centro-Sprecher Rainer Schillings.
"Die nächsten Ansiedlungen von Hotels müssen wir immer hinterfragen", erklärt dagegen Tourismusmanager Mathias Schiemer. Doch nicht immer könne die Stadt sie verhindern: "Wenn es das Baurecht zulässt, können wir nichts dagegen machen."