Heidelberg: Zurück zur Natur – auch in Patrick Henry Village?
Die Internationale Bauausstellung entwickelt eine Vision für das Areal – Jetzt stellten Experten für urbane Stoffkreisläufe ihre Arbeit vor – Im Fokus: Wasser und Ernährung

Früher verlief im Bishan Park in Singapur - ein Inselstaat ohne natürliche Wasservorkommen - ein Betonkanal. Herbert Dreiseitls Büro gestaltete eine Flusslandschaft, die der Trinkwasserversorgung und dem Hochwasserschutz dient. Foto: Ramboll
Von Sebastian Riemer
Jeder Mensch atmet, trinkt, isst - und braucht ein Dach über dem Kopf. Während Stadtplaner drei dieser Grundbedürfnisse immer mitdenken, wird die vierte häufig ignoriert: die Nahrung. Die Architektin Kathrin Bohn will das ändern, sie fragt: "Wie können wir Ernährung bewusster in Städte integrieren?"
Gemeinsam mit dem Landschaftsarchitekten Herbert Dreiseitl leitet Bohn im Rahmen der "Planungsphase Null" der Internationalen Bauausstellung (IBA) für die Zukunft von Patrick Henry Village (PHV) die Gruppe "Urbane Stoffkreisläufe". Am Montagnachmittag schauten sich beide mit den lokalen Experten ihres Teams die ehemalige US-Siedlung an, abends erklärten sie in der Südstadt-Chapel, wie sie arbeiten.
Bohns Lieblingsgedankenspiel geht so: Würde man in London auf allen verfüg- und nutzbaren Flächen Obst und Gemüse anbauen, könnte man den Bedarf der Bewohner der britischen Hauptstadt zu 30 Prozent decken. Das gelte für fast alle größeren, europäischen Städte. "Jede dritte Gurke kommt dann nicht mehr aus dem Gewächshaus in Holland - das ist doch was", sagt Bohn.
Die 47-Jährige denkt groß, setzt ihre Ideen aber im Kleinen um. So hat sie mit ihrem Büro "Bohn & Viljoen" an der Fassade eines Gebäudes in London einen "Urban Agriculture Curtain" installiert - einen "Vorhang", an dem frisches Gemüse wächst. Er hängt innen, ist aber von außen zu sehen. "Die Ernte geht direkt an das Café in dem Gebäude", erklärt Bohn. Der vertikale Anbau benötigt vier Mal weniger Platz als die herkömmliche horizontale Variante. "Und man erlebt eine ganz andere Raumqualität." Solche Lösungen schweben Bohn auch für PHV vor. "Dort haben 8000 Menschen gelebt. Wenn wir künftig so viele Bewohner zu 100 Prozent mit Obst und Gemüse versorgen wollen, brauchen wir alle Freiflächen, die es dort gibt", sagt Bohn - und schickt lächelnd hinterher: "Das könnten wir also machen."
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Ihr geht es darum, die Nahrungsproduktion wieder näher zu den Menschen - also in die Städte - zu bringen. Herbert Dreiseitl will dagegen das "Grün und Blau" wieder in die Städte integrieren - vor allem das Wasser ist sein Thema. "In den meisten Städten wird heute beinahe alles Wasser, das auf die Oberfläche kommt, sofort abgeleitet", so Dreiseitl. Und wenn es dann mal zu viel regne, funktioniere das System nicht mehr. Die Folge: häufigere und verheerende Hochwasser. Dreiseitls Ziel ist die "wassersensible Stadt", in der das Wasser dort, wo es auftritt, gespeichert und gereinigt - oder direkt wiederverwendet - wird.
Umgesetzt hat sein weltweit arbeitendes "Ramboll Studio" das etwa im Bishan Park in Singapur, wo ein Betonkanal renaturiert und zu einem richtigen Fluss wurde. Das Projekt ist Teil des inselweiten Regenwassermanagements. Für so ein Projekt braucht man Platz. Dreiseitl sagt aber auch: "Wir werden in der Stadt der Zukunft eine viel größere Dichte und Überlagerung von Funktionen haben." Den 61-Jährigen stört das nicht, im Gegenteil: "Das soziale Leben braucht eine gewisse Dichte", es komme eben auch auf die Qualität an.
Und was bedeutet das für PHV? "Mein erster Eindruck: Die Gebäude dort sind wie hingeworfene Mikadostäbe", sagt Dreiseitl. Es gebe keine Komposition des Raumes. "Wir müssen eine Gliederung schaffen, die Faktoren wie Wasser, Luft, Schall, Beleuchtung und Mikroklima mitdenkt." Dass die IBA das schafft, da ist Dreiseitl, der schon bei vielen Internationalen Bauausstellungen dabei war, zuversichtlich.
Info: Beim 3. PHV-Bürgerforum am 12. Dezember um 18 Uhr im Dezernat 16, Emil-Maier-Straße 16, geht es um die Ergebnisse der Gruppen "Stoffkreisläufe" und "Bildung und Lernräume".



