Gerangel um den Heidelberger Bahnhofsplatz geht weiter
Bauausschuss hält jetzt doch an den "Sitzinseln" fest - Ob es ein Parkhaus oder eine Tiefgarage geben wird, soll eine Prüfung ergeben

Der Siegerentwurf des Mainzer Architekturbüros Bierbaum-Aichele für den Bahnhofsvorplatz sieht eine Raseninsel zum Sitzen und ein Fahrradparkhaus vor. Vor allem das Parkhaus ist umstritten. Grafik: Verticalroom
Von Micha Hörnle
Heidelberg. Die Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes gerät immer stärker in die Mühlen der Kommunalpolitik - und eine zentrale Frage wird sein, ob man lieber ein Fahrradparkhaus oder eine Tiefgarage hätte. Auch wenn genau darüber der Bau- und Umweltausschuss am Dienstag nicht zu entscheiden hatte. Er sollte lediglich darüber befinden, ob denn der erste Bauabschnitt mit oder ohne Raseninsel auf dem Vorplatz erfolgen soll. Das wurde dann auch nach eineinhalbstündiger Diskussion entschieden.
Das Ergebnis: mit Sitzinsel -, aber den Stadträten stand eher der Sinn nach den ganz großen Linien der Gestaltung und Funktionalität: Hans-Martin Mumm (GAL) wunderte sich ganz allgemein, wieso man überhaupt einem solchen Platz eine Aufenthaltsqualität zubilligen sollte, "das ist doch sowieso nur ein Durchgangsort".
Hintergrund
Acht renommierte Landschaftsarchitekturbüros wurden im letzten Jahr von der Stadt angefragt, den Bahnhofsvorplatz neu zu planen. Sechs schlugen vor, die Räder unterirdisch unterzubringen, zwei planten eine oberirdische Lösung - und alle wollten die Touristeninformation
Acht renommierte Landschaftsarchitekturbüros wurden im letzten Jahr von der Stadt angefragt, den Bahnhofsvorplatz neu zu planen. Sechs schlugen vor, die Räder unterirdisch unterzubringen, zwei planten eine oberirdische Lösung - und alle wollten die Touristeninformation abreißen und den Anteil der Autoparkplätze verringern.
Anfang Mai kürte eine Jury den Entwurf des Mainzer Architekturbüros Bierbaum-Aichele. Dessen zentrale Elemente sind zwei nierenförmige Sitzinseln am Hauptausgang des Bahnhofs sowie eine weitere am Nordausgang und das 20 Meter hohe fünfstöckige Fahrradparkhaus (samt Aussichtsplattform) - es soll den autofreien Vorplatz vom Taxistand und den Kurzzeitparkplätzen trennen. Ansonsten ist der Platz relativ unspektakulär gestaltet, gepflastert wäre er mit hochwertigem Natur- oder Betonstein, der von mehreren Travertin-Bändern unterbrochen wird, die die schmalen Pfeiler ("Lisenen") der Empfangshalle wieder aufnehmen. Diese Planungen müssen nicht in "einem Rutsch" gemacht werden, sondern können auch in mehreren Bauabschnitten erfolgen.
Der erste Bauabschnitt umfasst den Nordausgang und den Bereich der heutigen Fahrradparkplätze samt Touristeninformation. Nach dem Beschluss des Gemeinderates vom 20. Dezember soll beim ersten Bauabschnitt auf die Sitzinsel am Haupteingang - zumindest zunächst einmal - verzichtet werden. 400.000 Euro sind dafür im aktuellen Doppelhaushalt eingestellt.
In einem so frühen Stadium der Planungen gibt es nur relativ grobe Schätzungen über die Kosten einer Neugestaltung des kompletten Bahnhofsvorplatzes: Die neue Oberfläche käme auf 4,4 Millionen, ein Radparkhaus auf 5,3 Millionen, die neue Touristeninfo auf etwa eine halbe Million - alles in allem gut zehn Millionen Euro. Eine Tiefgarage für die Räder (statt eines Parkhauses) wird sehr vage auf acht bis zehn Millionen Euro taxiert. (hö)
Und dann zerlegte sich der Ausschuss bei der Frage, die er am liebsten zuerst geklärt hätte: Sitzinseln oder Fahrradparken? Simone Schenk von den Freien Wählern nahm sich die geplanten Hochbeete vor und hinterfragte deren Sinn: Wer solle sich denn da hinsetzen, angesichts des ganzen Verkehrs?
Und außerdem stünden die den Leuten, die aus dem Haupteingang strömten, nur im Weg. Sie forderte, dass im ersten Bauabschnitt vom Siegerentwurf nur der Bodenbelag und nicht etwa auch die Raseninseln übrig bleiben sollten. Das sah auch Arnulf Weiler-Lorentz (Bunte Linke) so - und beide blieben mit dieser Position weitgehend allein, denn sowohl Monika Meißner (SPD) als auch Monika Gonser (Grüne) verteidigten vehement diese neuen Formen des Sitzens.
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Das heißt, so neu sind sie ja wirklich nicht: Denn just vor dem Haupteingang, direkt neben der Touristeninformation, steht seit Jahr und Tag ein bepflanztes Hochbeet, auf dessen Einfassung die Leute sich gern niederlassen. Einmal abgesehen davon, dass Architekt Klaus-Dieter Aichele diese Raseninseln als zentrales Element seines Siegerentwurfs verteidigte. Aber nicht nur das: Sie kommen genau dorthin, wo heute die Räder abgestellt werden, sie verhindern also wildes Parken. Würde man auf dieses Hochbeet verzichten, dann kämen die Velos einfach wieder an ihren alten Platz zurück.
Außerdem wäre es finanzieller Unfug, erst den Platz herzurichten - und erst später, wenn man sich darauf geeinigt haben sollte, die Raseninseln doch noch zu bauen: In einem Rutsch kosten neues Pflaster samt Raseninsel 173.000 Euro, ein nachträglicher "Einbau" wäre 70.000 Euro teurer. Kurzum: An den Sitzinseln wird nicht gerüttelt, so die Mehrheit.
Aber die Inseln waren nur ein Nebenkriegsschauplatz, denn am wichtigsten scheint den meisten Räten das Fahrradparken zu sein: Vor allem Gonser und Meißner fragten sich, ob ein Parkhaus auch funktional sei, ob es genügend Plätze für die Velos biete. "Optisch sieht das ja sehr schön aus, aber ich frage nach der Nutzbarkeit", so Meißner, die eine Betriebs- und Wirtschaftlichkeitsprüfung - sei es fürs Parkhaus, sei es für eine Tiefgarage - verlangte.
Bereits im Juni hatte es auf einer gemeinsamen Sitzung der Bezirksbeiräte Bergheim und Weststadt eine Mehrheit dafür gegeben, eine Tiefgarage zu prüfen. Damals hatte der Grünen-Rat Christoph Rothfuß gesagt: "Wir sollten das Hauptaugenmerk auf den Fahrradverkehr richten. Das Parkhaus ist sehr voluminös und nichts für eilige Parker. Eine unterirdische Lösung ist viel praktischer."
Lediglich Nicole Marmé (CDU) und Wolfgang Lachenauer (Die Heidelberger) wollten an dem Ursprungsentwurf festhalten - und gerade Lachenauer lief zur kämpferischen Hochform auf: "Ich verstehe die Situation nicht so recht. Es gibt doch einen Grundsatzbeschluss für diese Planungen. Auf welcher Grundlage wollen Sie denn jetzt alles neu aufrollen?"
Doch die Mehrheit sah es anders: Die Zahl der Fahrradabstellplätze dürfe auf keinen Fall verringert werden, und es müsse zunächst eine genaue Prüfung für Parkhaus und Tiefgarage geben. Erst dann wird entschieden, was schließlich gebaut wird.



