Für das Studium ins Seniorenzentrum
Studenten der Hochschule Fresenius organisierten ein Erzählcafé. Bei den älteren Teilnehmern kam das gut an. Auch ein paar Lebensweisheiten gaben sie den Jüngeren mit.

Von Julia Schulte
Heidelberg. "Soziale Arbeit", das bringen viele mit Kindern und Jugendlichen in Verbindung. Ein weniger bekanntes Feld: die Arbeit mit älteren Menschen. So ging es auch den Studenten des Bachelorstudiengang "Soziale Arbeit" an der Hochschule Fresenius, die jetzt ganz praxisnah ein "Erzählcafé" im Seniorenzentrum Rohrbach leiteten. Nach anfänglich leichten Berührungsängsten bereitete sie nicht nur den Besuchern dort eine Freude, sondern machten auch selbst wertvolle Erfahrungen.
Die Idee zum Erzählcafé hatte Studiengangsleiterin Prof. Teresa Kaya. Über ihren früheren Doktorvater war sie auf das didaktische Konzept des "Service Learning" gestoßen, was so viel wie "Lernen durch Engagement" bedeutet. Theorie und Praxis sollen also verknüpft werden – und das Seniorenzentrum, im gleichen Stadtteil wie die private Hochschule gelegen, bot dafür den perfekten Anlaufpunkt. "Der Ansatz von Sozialer Arbeit ist schließlich auch Quartiersarbeit", so Kaya.
Im Seniorenzentrum freute man sich über den Vorschlag – schließlich sei gerade diese "quartiersnahe Zusammenarbeit" auch ein wichtiges Thema für das Zentrum, sagt Mitarbeiterin Amelie Schürmann. Passend war auch, dass einer von Kayas Schwerpunkten die Biografiearbeit ist, also das Beschäftigen mit der Lebensgeschichte von Menschen. "Und das Format des Erzählcafés ist eine zentrale Methode in der Biografiearbeit – und eine besonders niedrigschwellige."
Das Erzählcafé soll einen offenen Raum bieten, in dem die Menschen und ihre Lebensgeschichten in den Mittelpunkt gestellt werden. "Jemand nimmt sich Zeit für sie und hört zu. Gerade dieses aktive Zuhören kommt ja oft zu kurz im Alltag", so Kaya. Auf diese Weise würden auch Reflexionsräume eröffnet.
Bei den Studenten kam das Format gut an. Am Anfang sei da zwar eine Hemmschwelle gewesen, berichtet Melisa Riehl, die im vierten Semester Soziale Arbeit studiert. Denn die meisten von ihnen hätten keine Erfahrung mit älteren Menschen. Und zunächst musste erstmal ein Missverständnis aus dem Weg geräumt werden: Vielen Studenten war das Konzept des Seniorenzentrums nämlich gar nicht bekannt – sie dachten, es handele sich um ein Seniorenheim. Das Zentrum ist allerdings kein Wohn-, sondern ein Begegnungsort für ältere Menschen, an dem die soziale Teilhabe im Vordergrund steht.
Als thematischen Rahmen für das Erzählcafé hatten die Studenten Bräuche, Sitten, Feste und Traditionen festgelegt. Zu Stichworten wie "Ostern" oder "Fasching" konnten die Senioren einfach drauflos erzählen – was auch die ein oder andere interessante Information für die Studenten zu Tage förderte. "Den Sommertagszug kannten viele von uns nicht, weil wir aus unterschiedlichen Regionen kommen", berichtet Studentin Aylin Tuscher. Eine Frau hätte außerdem ein früheres Foto vom Rohrbacher Marktplatz mitgebracht, "diese tieferen Einblicke waren sehr schön." Und es sei interessant gewesen, zu erfahren, wie sich die Feste über die Generationen hinweg gewandelt haben, findet Riehl.
Dazu bekamen die Studenten wertvolle Lebenserfahrungen mit, berichten sie. Zum Abschluss fragten sie die Senioren, was sie der jüngeren Generation mit auf den Weg geben würden. "Eine Frau meinte, dass wir unseren Weg gehen würden, auch wenn wir zwischendrin mal scheitern", berichtet Riehl. Tuscher sagt: "Dieser positive Blickwinkel hat mir viel gegeben." Von den anfänglichen Hemmungen sei schnell nichts mehr zu spüren gewesen – und stattdessen seien die Studenten mit einem schönen Gefühl aufgebrochen.
Gabriele Riedke-Dschangaei vom Seniorenzentrum kennt das: Die Arbeit mit älteren Menschen würden viele mit negativen Aspekten verbinden, "aber wenn sie mal hier sind, ändert sich das." Und tatsächlich: Tuscher sagt, dass sie sich nach dem Erzählcafé eher vorstellen könnte, später mit älteren Menschen zu arbeiten.
Riedke-Dschangaei würde sich eine Verfestigung des Angebots wünschen, "denn es ist den Besuchern gegenüber eine Wertschätzung dessen, was sie alles geleistet haben." Sie würden so erkennen, dass sie, auch wenn sie in Rente sind, nicht unwichtig seien. Zudem wünschten sich einige der Senioren den Austausch mit den Jüngeren, zu denen häufig keine Berührungspunkte bestünden. Kaya sagt, dass sie den Wunsch der Verstetigung gerne mitnehme. In jedem Fall sei jetzt schon klar: Die Zusammenarbeit zwischen Seniorenzentrum und Hochschule "ist eine Win-win-Situation".