"Fauler Pelz" in Heidelberg

Im einstigen Gefängnis finden bald Führungen statt

Seit zwei Jahren steht die Immobilie leer - Besucher können den Alltag der Häftlinge nacherleben

19.05.2017 UPDATE: 20.05.2017 06:00 Uhr 1 Minute, 40 Sekunden

Sind guter Dinge: Bernd Müller (VBA), Fremdenführer Ralf Brendel, Reglindis Schulte-Tigges-Dettbarn, Andrea Roth (beide Service Center) und Victoria Hahn, ebenfalls VBA (v.l.). Foto: Alex

Von Michael Abschlag

Heidelberg. Als Erstes begrüßen den Besucher hohe, abweisende Mauern aus hellrotem Sandstein. Die Mauerkrone ist mit Stacheldraht gespickt, zwischen den Quadern blicken vergitterte Fenster auf die Stadt. Ein schmiedeeisernes Tor führt auf einen trostlosen Platz. Willkommen im Faulen Pelz, dem einstigen Untersuchungsgefängnis von Heidelberg.

Seit zwei Jahren steht die Immobilie leer, die letzten Insassen wurden nach Mannheim verbracht. Die Zukunft des Baus ist noch ungewiss, und so kam die Idee auf, dort Führungen anzubieten - und Einheimischen wie Touristen einen Einblick in die faszinierende, sonst verborgene Welt der Häftlinge zu bieten.

"Eine ständige Zwischennutzung, etwa als Museum, ist nicht möglich", erklärt Bernd Müller vom Landesbetrieb Vermögen und Bau (VBA). "Dafür gibt es bestimmte Auflagen, wir bräuchten etwa Fluchtwege - die gibt es hier logischerweise nicht."

Vom 17. Juni an werden immer samstags um 11.30 Uhr reguläre Führungen angeboten. Gruppen können von Donnerstag bis Sonntag zwischen 10 und 17 Uhr Führungen buchen. Wegen der erwähnten Schwierigkeiten ist die Gruppengröße auf 20 Personen begrenzt.

Zuständig für die Führungen ist das Service Center Schloss Heidelberg. "Für uns ist das eine Herausforderung", gibt Geschäftsführerin Andrea Roth zu. "Wir haben Führungen durch Schlösser, Gärten und Klöster organisiert, aber noch nie im Gefängnis."

Vom Innenhof aus geht es durch gekachelte Gänge. Wo einst die Küche war, sind nur noch Stahl- und Kabelreste zu sehen. Dann folgt der Wohntrakt. Treppen verbinden kahle weiße Flure, hinter Stahltüren liegen die Zellen. Sie sind klein und spartanisch: ein Bett, ein Schrank, eine Badnische, ein vergittertes Fenster. Alles ist sauber und ordentlich, aber auch beklemmend kühl. Durch die Fenster fällt nur wenig Licht; obwohl es Tag ist, ist es düster.

"Das Gefängnis ist ein Mikrokosmos für sich", sagt Gabriele Gerigk. Unter dem Motto "Wenn Gefängnismauern sprechen könnten" gibt sie einen Einblick in den Alltag der Insassen. "Es hat sich sogar eine eigene Sprache entwickelt, man sagte ,Affenkotelett’ für Banane oder ,Reisebüro’ für denjenigen, der eingeschmuggelte Sachen besorgen kann", erzählt sie. Wer starke Nerven hat, für den bietet sich die Führung "In Untersuchungshaft!" an. Die Besucher können erleben, wie es ist, ein Häftling zu sein, mit Aufenthalt in den Zellen und Verhör.

Das übernimmt Werner Zimmermann. Er kann auch von spektakulären Ausbruchsversuchen berichten. "Einer versuchte es mit einem Löffel - das war aber schon sehr verzweifelt", erzählt er. "Ein anderer schaffte es über die Mauer - landete aber in der ,Schleuse’, dem Raum zwischen zwei Toren. Da hat er dann eine verfrorene Nacht verbracht."

Info: Anmeldung unter 06221/658880 oder service@schloss-heidelberg.de

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