Evangelische Kirchengemeinde Heidelberg arbeitet Haushaltsdefizite auf

Kitas kosten am meisten - Mehr Spendensammeln und Vermietungen?

17.03.2017 UPDATE: 18.03.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 55 Sekunden

Die Synode im Lutherzentrum in Bergheim begann ihre Tagung mit einer Andacht in der Kirche mit Pfarrer Gregor Wirth. Foto: Rothe

Von Birgit Sommer

Heidelberg. Die Evangelische Kirche Heidelberg packt ihr dickes Defizit an, das hauptsächlich dem Betrieb der Kindertagesstätten geschuldet ist: 2016 fehlten 1,386 Millionen, 2017 sind es sogar 1,830 Millionen Euro. Die Synode - 58 der 69 stimmberechtigten Mitglieder waren anwesend - beschloss am Donnerstagabend, dass die Pfarrgemeinden der Verwaltung Geld leihen: Aus ihren allgemeinen Rücklagen zahlen sie 912.925 Euro in einen Strukturfonds ein. Sie sollen diese Summe - ohne Zinsen - garantiert zurückerhalten, sobald die Evangelische Kirche finanziell wieder auf einen grünen Zweig gekommen ist.

Das kann natürlich dauern. Unter der Federführung des neuen Geschäftsführers Horst Althoff muss nun ein Kita-Konzept für die 20 Kindergärten mit 200 Erziehern erarbeitet werden. Auch ein Liegenschaftsprojekt soll aufgelegt werden, das sich mit den kostenträchtigen Bauten im Besitz der Kirchengemeinde befasst. Die Synode jedenfalls stellte offiziell fest, dass das Budget "Liegenschaften" mit jährlichen Defiziten um die 300.000 Euro im Haushalt 2016/17 nicht ausgeglichen werden könne. Bis Mitte 2019, so Dekanin Marlene Schwöbel-Hug, sollen alle Ergebnisse der Kommissionen vorliegen. Die neuen Ältestenräte, die im Dezember 2019 gewählt werden, sollen mit den Strukturmaßnahmen der Kirchengemeinde nichts mehr zu tun haben.

Im Rahmen des "Liegenschaftsprojektes" wird die künftige Gebäudestruktur für die Gesamtkirchengemeinde festgelegt. Auch die geplanten Projekte Emmertsgrund, Rohrbach, Kirchheim und Neuenheim werden dabei neu bedacht, ebenfalls das Haus der Kirche.

Die Dekanin und der Vorsitzende der Synode, Pfarrer David Reichert, lobten die Mitglieder der Kirchengemeinden und der Synode: "Sie machen inhaltliche Arbeit in schwieriger Zeit, in einer dramatischen Finanzsituation", erklärte Schwöbel-Hug, und Reichert freute sich, dass man im Gremium letztlich das große Ganze sah, die eine Kirchengemeinde in Heidelberg: "Das Geld geht ja nicht an Fremde. Die Pfarrgemeinden gehören alle zusammen."

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Hintergrund

bik. Horst Althoff (54) arbeitet ab 1. April als Geschäftsführer der Evangelischen Kirchenverwaltung in Heidelberg. Der in Heidelberg geborene Jurist war von 2000 bis 2016 Bürgermeister in Neckargemünd. Im letzten Juni fehlten ihm 130 Stimmen zur Wiederwahl, sein Mandat im

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bik. Horst Althoff (54) arbeitet ab 1. April als Geschäftsführer der Evangelischen Kirchenverwaltung in Heidelberg. Der in Heidelberg geborene Jurist war von 2000 bis 2016 Bürgermeister in Neckargemünd. Im letzten Juni fehlten ihm 130 Stimmen zur Wiederwahl, sein Mandat im Kreistag behielt der CDU-Mann nach dem Wechsel im Rathaus aber bei.

Althoff, der ab 1991 das Umweltschutzamt des Rems-Murr-Kreises leitete und ab 1994 im Regierungspräsidium Karlsruhe (Ausländerrecht, Immissionsschutzrecht, Pressesprecher) arbeitete, wurde von der Kirche unter 51 Bewerbern ausgewählt.

In Neckargemünd war er als Stadtoberhaupt für 190 Mitarbeiter, 50 Gebäude und elf Kindergärten zuständig. "Ich kenne das Geschäft vonseiten der Kommune", sagte Althoff bei der Synode, "und werde jetzt die Interessen der evangelischen Kirche vertreten."

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Horst Althoff hat einen neuen Job. Foto: Rothe

Ganz leicht war es den einzelnen Pfarrgemeinden nicht gefallen, an ihr "Sparschwein" zu gehen, das sie in ganz unterschiedlicher Höhe gefüllt haben. Ein solcher Ausgleich des Kirchen-Haushaltes ist wohl auch nur einmal möglich. Entsprechend dem Antrag, den der Stadtkirchenrat formuliert hatte, zahlen sie nun 45 Prozent ihrer freien Rücklagen in den Fonds ein. Damit kann ein Defizit der Kirchenverwaltung in den Jahren 2016/17 in Höhe von 70.869 Euro und der Kitas in Höhe von 842.056 Euro bezahlt werden. Der Kita-Haushalt ist dann allerdings nicht ausgeglichen. Es bleibt ein Minus von rund 300.000 Euro.

Mit elf Millionen Euro, so Friedhelm Roth vom Karlsruher Oberkirchenrat, machen die Kitas 50 Prozent der Gesamtkosten der Kirche in Heidelberg aus. Auch die entsprechenden Verwaltungskosten von rund 900.000 Euro im Gesamthaushalt müssen den Kitas künftig zugeordnet werden.

20 Prozent ihrer Kirchensteuereinnahmen - 700.000 Euro - steckt die Evangelische Kirchengemeinde jährlich in die Kinderbetreuung. Mehr soll es nach dem Willen der Synode auch nicht werden. Dafür gibt es einen Elf-Punkte-Plan für Überprüfungen und Änderungen. So sollen künftig etwa - mit berechtigten Ausnahmen - nur Kitas mit mindestens drei Gruppen betrieben und deren Auslastung verbessert werden.

Wenn nun alle Zahlen auf dem Tisch liegen, muss mit der Stadt verhandelt werden. Denn die Kirche hat mit dem Betrieb von Kitas Aufgaben der Stadt übernommen - gerne natürlich, denn Familienbetreuung sieht man als ureigene Pflicht der Kirche an. Dafür erhält sie von der Stadt 68 (für die Krippen) bzw. 63 Prozent der Kosten einer "Muster-Kita" überwiesen. Sie hält sich aber auch - ebenso wie die katholische Kirche - an die Höhe der recht günstigen gestaffelten Elternbeiträge, die die Stadt für ihre eigenen Einrichtungen beschlossen hat. Eine Abschaffung der Geschwisterermäßigung, die etwa auch die "Pädaktiv"-Betreuung betrifft, lehnte die Synode am Donnerstag ab. Damit verzichtet sie auf 150.000 Euro im Jahr. "Es wäre ein verheerendes Zeichen für die Kirche gewesen", meint Marlene Schwöbel-Hug. Teurer wird ab April allerdings das Essen in den Kitas werden, für das die Eltern bisher zwischen 70 und mehr als 100 Euro monatlich bezahlen. Denn hier ist die Kirche verpflichtet, kostendeckend zu arbeiten. "Vielleicht können wir hier Patenschaften für Kinder einwerben?", hofft die Dekanin.

Solche Ideen sind in der Kirche künftig überhaupt gefragt. Friedhelm Roth, der in den vergangenen Jahren den Haushalt der Freiburger Kirche auf die Spur brachte, zählte im RNZ-Gespräch auf, wie etwa die überflüssigen Immobilien durch Partnerschaften - Kommune, andere Kirchen, diakonische Einrichtungen, Kitas - erfolgreich belebt werden konnten. Roth füllte in den letzten Monaten halbtags die vakante Stelle des Geschäftsführers der Kirche in Heidelberg aus. Er wird Horst Althoff noch eine Zeit lang beratend zur Seite stehen. Die Heidelberger Zukunft formulierte Pfarrer David Reichert so: Die Kirche müsse sich Konzepte fürs Fundraising, also fürs systematische Spendensammeln, überlegen und zudem ihre Gebäude in guter Lage und Größe viel häufiger für Konzerte und Veranstaltungen freigeben. "Wir haben uns bisher zu sehr auf unsere Rücklagen verlassen", findet er.

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