Ein Gemeinderat fast wie in Vor-Corona-Zeiten
Am Donnerstag tagte der Gemeinderat nochmal im Rathaus - Mit Abstand und wenigen Teilnehmern

Von Denis Schnur
Heidelberg. Der Rahmen war natürlich alles andere als normal: Auf dem Weg zum Sitzungssaal trugen die Stadträte Masken, im Saal selbst erinnerte die Sitzordnung am Donnerstag wieder an Abiturklausuren, Besucher und die Presse mussten ein Stockwerk tiefer Platz nehmen – und die Sitzung im Live-Stream verfolgen – und ein Viertel der Stadträte kam erst gar nicht, weil sie zur Covid-19-Risikogruppe gehören. Doch inhaltlich kam im Gemeinderat schnell ein Gefühl der Normalität auf. "Neben Corona kommen wir jetzt auch wieder zu Alltagsthemen", eröffnete Oberbürgermeister Eckart Würzner
Und nicht nur die Themen, auch die Atmosphäre innerhalb des Rates wirkte deutlich alltäglicher als noch in der letzten Sitzung kurz nach dem Shutdown im März: Statt krisenbedingter Harmonie gab es wieder lange Diskussionen auch um Themen, die im Schatten der Corona-Krise nebensächlich wirken – wie das System hinter der Gestaltung öffentlicher Grünflächen. Und auch die Auseinandersetzungen zwischen den Fraktionen oder zwischen Räten und der Stadtspitze waren zum Teil wieder deutlich heftiger. Und entsprechend dauerte die Sitzung auch wieder deutlich länger als im März.
Das lag aber auch daran, dass es neben der Pandemie Themen gibt, die einfach drängen: So fehlen etwa in Heidelberg wegen einer Gesetzesnovelle des Landes rund 800 Kita-Plätze in den nächsten fünf Jahren. Nun sollen Kitas in Holzmodulbauweise entstehen. Da die Stadt hierfür außerplanmäßig Millionen investieren muss, gab es natürlich Gesprächs- und Streitbedarf bei den Stadträten. Denn – und da zeigte sich, dass Corona doch alle anderen Fragen überragt – bei den Gemeinderäten und der Verwaltung geht aktuell die große Sorge um, dass auf die Pandemie eine massive Wirtschaftskrise folgt – mit deutlich weniger Geld im städtischen Haushalt. "Wir wissen noch gar nicht, wie dramatisch das sein wird", betonte etwa SPD-Rätin Anke Schuster.
An Punkten wie dem massiven kurzfristigen Kita-Ausbau zeigte sich, warum die Kommunalpolitik auch in Zeiten von Corona nicht lange pausieren kann. Denn der Gemeinderat hatte dem OB zwar weitreichende Befugnisse in der Krise gegeben – aber auch die haben Grenzen. Und im elektronischen Umlaufverfahren können die Räte nur völlig unstrittige Vorlagen durchwinken. Die sechs Vorlagen, die in diesem Verfahren blockiert wurden, wurden in der Sitzung entsprechend mit riesiger Mehrheit beschlossen.
Da aber – bei aller gefühlten Normalität – eben immer noch ein Viertel der Räte nicht kommen konnte und deshalb strittige Themen wie der PHV-Masterplan und die Zukunft des Ankunftszentrums nicht behandelt wurden, hoffen die Gemeinderäte nun auf die digitale Sitzung.
Eben diese hat nämlich der Landtag in Stuttgart in dieser Woche auf den Weg gebracht – auch wenn die Details zur Umsetzung noch fehlen. "Wir freuen uns, dass die Stadtverwaltung jetzt sicherlich alles tun wird, um auch in Heidelberg digitale Sitzungen zu ermöglichen", erklärte die Grünen-Stadträtin Marilena Geugjes schon vor der Sitzung. "Das ist für uns in Krisenzeiten wie der jetzigen nicht nur ein Zeichen für eine gut funktionierende Demokratie, sondern auch ein Zeichen für Solidarität mit Rätinnen und Räten, die zur Risikogruppe gehören."



