Heidelberg

Drei Stadträte blockieren sechs Gemeinderats-Beschlüsse

Dennoch überwiegend positives Fazit zum Umlaufverfahren

10.04.2020 UPDATE: 11.04.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 56 Sekunden

Das Heidelberger Rathaus. Foto: RNZ-Archiv

Von Denis Schnur

Heidelberg. Auch in Krisenzeiten ist die Kommunalpolitik handlungsfähig: Das ist das Zeichen, das Stadtverwaltung und Gemeinderat setzen wollten, indem sie mit dem elektronischen Umlaufverfahren weiter Entscheidungen treffen, ohne sich physisch zu treffen. Und tatsächlich wurden bis Dienstagabend 16 von 22 Vorlagen beschlossen. So können Themen zu den Akten gelegt, Planungen zu Projekten vorangetrieben und Aufträge an Firmen vergeben werden.

Doch bei der Premiere des Verfahrens zeigte sich auch dessen Schwäche: Während sonst die Mehrheit der Gemeinderäte Beschlüsse fasst, müssen sie in diesem Format einstimmig gefällt werden. Widerspricht ein einziger Stadtrat einer Vorlage, muss sie in einer regulären Sitzung erneut besprochen werden. Das bietet einzelnen Gemeinderatsmitgliedern die Möglichkeit, Vorhaben zu blockieren, hinter denen eine große Mehrheit steht. Räte, die sonst eine der wenigen Gegenstimmen abgeben würden, sind nun entscheidend.

So konnte etwa das negative Votum eines einzelnen AfD-Rates – zumindest vorübergehend – verhindern, dass die Stadt sich an Projekten des Verkehrsverbundes Rhein-Neckar beteiligt, die für sauberere Luft sorgen sollen – und für die es derzeit Bundesfördermittel gibt. "Da fragt man sich schon, was das soll. Ist die AfD gegen saubere Luft?", ärgert sich CDU-Stadtrat Matthias Kutsch. Ähnlich sieht es aus beim Beteiligungsverfahren für das neue Stadtentwicklungskonzept. Eigentlich sollte der Gemeinderat die Leitlinien hierfür auf den Weg bringen. AfD-Rat Timothy Bartesch blockierte dies jedoch und begründet das gegenüber der RNZ lediglich mit dem Satz: "Ich glaube nicht an die Klimareligion."

Bei den anderen Vorlagen widersprach die "Bunte Linke". Deren zwei Räte sehen etwa die Entwicklung eines Einzelhandelskonzeptes derzeit als nicht sinnvoll an: "Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie werden die Struktur von Handel und Gewerbe auch in Heidelberg erheblich verändern", schreiben sie. Daher solle man den Prozess nach Corona erneut beginnen. Auch die Situationsanalyse zum Verkehrsentwicklungsplan sowie Info-Vorlagen zu Verpackungen im Einzelhandel und zur Gestaltung von Grünflächen wurden von der Wählerinitiative abgelehnt. "Dieses Thema hat entscheidende Auswirkungen auf die Entwicklung der Biodiversität in der Stadt und bedürfe einer breiten öffentlichen Diskussion", begründeten sie den Schritt bei dem letzten Punkt. Und die sei im Umlaufverfahren eben nicht möglich.

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Da sind sie sich wiederum einig mit ihren Kollegen. Zwar ziehen fast alle Fraktionen ein positives Fazit zu dem neuen Verfahren, sie betonen aber auch, dass es nur ein vorübergehendes Instrument sein kann: "Nur ausreichend vordiskutierte oder einfache Abstimmungsgegenstände sind geeignet. Komplexere Gegenstände – auch bei vorangegangener Diskussion – sollten nur vorsichtig einbezogen werden", betont etwa Sahra Mirow (Die Linke). "Es hat Vor- und Nachteile", zieht auch Ratskollegin Judith Marggraf (Grün-Alternative Liste) Bilanz: "Aber wir werden das vermutlich kaum noch machen, da alle Punkte aus diesem Umlauf in den Ausschüssen vorberaten waren – und das fällt im Moment ja weg."

Da aber derzeit nicht davon auszugehen ist, dass in naher Zukunft wieder Sitzungen mit Anwesenheit stattfinden, pochen die Gemeinderäte auf Sitzungen per Videokonferenz: "Wir brauchen eine echte Alternative zu regulären Gemeinderats- und Ausschusssitzungen, in der eine kontroverse Debatte und ein nicht einheitliches Abstimmungsverhalten möglich sind", so die Grünen. Sobald das Land die Voraussetzungen geschaffen habe, müsse der Oberbürgermeister dies ermöglichen.

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