"Wir fühlen uns nicht mehr als Paar zweiter Klasse"
Christian Scholl und Johan Lange sind seit zwölf Jahren zusammen – Endlich dürfen sie "richtig heiraten" – Und denken über Kinder nach

Seit 2013 verpartnert und bald verheiratet: Christian Scholl (l.) und Johan Lange. Foto: Rothe
Von Sebastian Riemer
Gefeiert haben sie schon am Vorabend, erst um 2 Uhr nachts waren sie im Bett. "Aber wir saßen heute Morgen trotzdem um 8 Uhr vorm Fernseher", erzählt Christian Scholl am gestrigen Freitag. "Wir mussten sichergehen, dass im Bundestag nichts schief geht." Der 34-Jährige lacht. Neben ihm am Küchentisch der gemeinsamen Wohnung in der Bahnstadt sitzt Johan Lange (33) - den er bald auch offiziell seinen Mann nennen darf. Beide sind in Hochstimmung. Denn kurz zuvor hat der Bundestag beschlossen, dass homosexuelle Paare eine Ehe eingehen dürfen.
"Das ist ein historischer Tag nicht nur für uns zwei, sondern für alle Lesben und Schwulen", sagt Lange. "Wir fühlen uns nicht mehr als Paar zweiter Klasse." Sobald wie möglich wollen sie ihre Lebenspartnerschaft, die sie 2013 in Heidelberg schlossen, in eine Ehe umwandeln. "Endlich dürfen wir Gleiches gleich nennen", sagt Scholl, der beim Amt für Chancengleichheit arbeitet. Auch sein Chef, Bürgermeister Wolfgang Erichson, der seit 2008 verpartnert ist, teilt gestern der Presse seine Freude mit: "Ob zwei Menschen heiraten dürfen, entscheidet nicht mehr das Geschlecht, sondern einzig und allein die Liebe."
Die Liebe von Christian Scholl und Johan Lange begann vor zwölf Jahren in der Vorlesung "Einführung in die mittelalterliche Geschichte". "Christian fiel mir gleich auf, wir lernten uns kennen, wurden ein Paar - und waren ziemlich kitschig", lacht Lange, der in der Verwaltung der Uni Heidelberg arbeitet. "Wir haben im Hörsaal unter der Bank Händchen gehalten." 2008 zogen sie zusammen, später arbeitete Lange drei Jahre in Paris. "Unsere Liebe hat auch diese Distanz überlebt", sagt Scholl.
Die "Ehe für alle" als letzter gesetzlicher Schritt zur Gleichstellung hat für das Paar nicht nur symbolischen Wert. "Beispiel Bewerbungen", sagt Lange: "Schreibe ich bei Familienstand ,verpartnert’, ist das immer zugleich ein Outing - und der Personaler hat vielleicht Stereotype im Kopf, bevor er mich persönlich kennenlernt."
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Und dann ist da natürlich noch die große Änderung durch den gestrigen Beschluss: Künftig dürfen gleichgeschlechtliche Ehepaare gemeinsam Kinder adoptieren. Das Argument, die Ehe sei nur für Frau und Mann gedacht, weil nur sie Kinder bekommen könnten, haben beide nie verstanden. "Es gibt so viele Kinder unverheirateter Paare und so viele Ehepaare ohne Kinder", sagt Lange. "Mit dem Eheschluss verspricht man dem Standesbeamten ja nicht, Kinder zu zeugen."
Die beiden können sich gut vorstellen, eine Familie zu gründen. "Ich hätte gerne Kinder, aber weil es rechtlich nicht möglich war, haben wir den Wunsch nie konkreter verfolgt", sagt Scholl. "Wenn Freunde Kinder bekamen, war das schon immer auch ein blödes Gefühl - denn ich weiß, dass auch wir gute Eltern wären." Scholls Mann nickt - und sagt noch: "Es ist ein schönes Gefühl, dass nun nicht mehr die Homosexuellen um Akzeptanz bitten müssen - sondern die Homophoben."



