Die Ochsenkopfwiese ist ländliche Idylle in urbaner Umgebung
Das Projekt "Ortopien" ließ einen einst umstrittenen Ort in ganz neuem Licht erscheinen.

Von Arndt Krödel
Heidelberg. Kunst der besonderen Art buchstäblich "auf der grünen Wiese" – so präsentierte sich das Projekt "Ortopien", das mit Musik, Tanz und Lichtinstallationen die Bergheimer Ochsenkopfwiese an einem hochsommerlichen Abend in einen sinnlich vollkommen neu erfahrbaren Ort verwandelte.
Ein Glück, dass diese Naturoase erhalten geblieben ist, mögen nicht wenige der gut 60 Zuschauer während oder nach der Vorstellung gedacht haben, denn bekanntlich stoppte erst ein Bürgerentscheid den hier geplanten Bau des neuen Betriebshofs. Von einem "Heidelberger Kleinod" sprach denn auch Stefanie Ferdinand, die gemeinsam mit Anne Scheuing für die Organisation und die Regie des Projekts verantwortlich zeichnete, in ihrer Begrüßung.
Man wolle dieses Juwel hegen und pflegen – und vor allem wieder beleben: In Kooperation mit den Naturschutzorganisationen Nabu und BUND plante man die Veranstaltung unter dem Begriff "Ortopien" als ein kreatives Ineinanderfließen von Utopien für einen einzigartigen öffentlichen Ort.
Ein Stück frisch gemähter, duftender Wiese, umgeben von hochgewachsenen Birken. Noch ist es hell. Zuschauer machen es sich auf teilweise mitgebrachten (und hier sogar ausdrücklich erwünschten) Klappstühlchen, Hockern und ausgebreiteten Decken bequem. Fast eine ländliche Idylle inmitten urbaner Umgebung, die sich durch vorbeihuschende Straßenbahnen am südlichen Rand des Areals und den Geräuschpegel der Autobahnauffahrt im Norden ab und zu bemerkbar macht.
Auch interessant
Während Jutta Glaser (Gesang) und Claus Boesser-Ferrari (Gitarre und Electronics) bizarre, sich rhythmisch steigernde Klänge mit verzerrenden Lauten erzeugen, nähern sich von mehreren Seiten sechs in Weiß gekleidete Gestalten langsam auf die Rasenbühne zu, wo sie zunächst unbeweglich stehen bleiben. Die Gruppe "Wayne Götz & Freunde" performen ein Bewegungstheater, das von ständig wechselnden Positionen zueinander in Beziehung tretender Körper lebt, stets im Rhythmus der Musik, den sie in ihre Bewegungen einfließen lassen.
Jutta Glaser formt mit ihrer Stimme gutturale und Zischlaute, die sich unter Claus Boesser-Ferraris Begleitung stakkatohaft steigern, während die Tänzerinnen und Tänzer sich plötzlich aufbäumen, hinfallen, erneut aufbäumen und in einem wilden Taumel in einer Formation zusammenfinden. Mal schmiegen sich ihre Körper dicht an den Grasboden, mal biegen sie sich wie Schilfgras im Wind.
Dann wieder erobern sie spielerisch-leichtfüßig den Raum, inspiriert von den auf sie projizierten, farblich changierenden Lichteffekten (Nils Herbstrieth) und dem mitreißenden Sound. Es entsteht eine zauberische, manchmal fast surreale Atmosphäre – ein gelungenes Gesamtkunstwerk von Musik, Tanz und visuellen Installationen.
Am Ende verschwinden die Gestalten still, wie sie gekommen sind. Die umgebenden Bäume werden in wild flackerndes Licht getaucht. "Dein Schweigen macht mir das Herze schwer", hört man von Jutta Glaser als melancholischen Schlussakzent. Auf der Wiese ist es nun vollständig dunkel geworden.



