Heidelberg

Die Jäger haben schon 56 Neckarwiesen-Gänse erlegt

Am 1. September begann die Jagdzeit - Wachsende Population soll eingedämmt werden - Geräucherte Brust "ist eine echte Delikatesse"

16.11.2020 UPDATE: 17.11.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 41 Sekunden
Fokus auf Nilgänse: Die Hunde Sam und Lemmy (v.l.) können ihren Blick nicht von den Vögeln abwenden. Mit Heinz Kaltschmidt (l.) und Volker Rutkowski gehen die Hunde auf Gans-Jagd – aber nicht auf der Neckarwiese. Foto: Rothe

Von Anica Edinger

Heidelberg. Neckarwiesen-Nilgans mit Rotkraut und Knödeln? Das könnte in diesem Jahr auf den Tellern mancher Heidelbergerinnen und Heidelberger landen. Denn seit elf Wochen wird Jagd auf Nil- und Kanadagänse gemacht – am 1. September begann die Jagdsaison für diese Tiere. Im Frühling und Sommer, wenn die Vögel besonders zahlreich in der Stadt erscheinen, sorgen deren Hinterlassenschaften auf der Neckarwiese regelmäßig für Aufregung. Um die ständig wachsende Gans-Population einzudämmen, sind die Heidelberger Jäger schon vor einigen Jahren deshalb von der Stadt aufgerufen worden, die Vögel in ihren jeweiligen Jagdrevieren gezielt zu erlegen.

Und die Jäger sind dabei äußerst erfolgreich. 42 Nilgänse und 14 Kanadagänse wurden bereits geschossen, wie eine Stadtsprecherin auf RNZ-Anfrage erklärt. Schwanen- und Kurzschnabelgänse, die im Gegensatz zur Nil- und Kanadagans dauerhaft auf der Neckarwiese leben, dürfen dagegen nach dem Bundesnaturschutzgesetz nicht bejagt werden. Ebenfalls verboten: Jagen im Stadtgebiet – und damit auch auf der Neckarwiese. Aus Sicherheitsgründen sei das schlicht unmöglich; deshalb wird auf die angrenzenden Felder oder auch auf den Neckardamm ausgewichen.

In Neckargemünd wird jetzt auch auf die ehemaligen Zugvögel scharf geschossen, was Naturschützer begrüßen. Allerdings war man dort bislang nicht so zielsicher.

Letzterer ist das Jagdgebiet von Heinz Kaltschmidt, hiesiger Kreisjägermeister. Mit seinem Sohn hat er seit dem 1. September über 30 Vögel geschossen. Vom Wieblinger Wehrsteg flussabwärts seien die Bedingungen für die Jagd gut; noch bis zum 15. Januar dürfen Gänse geschossen werden. Dann werden sie geschont, weil sie brüten und den Nachwuchs aufziehen. Und Gänse-Eltern von Küken zu schießen: Das ist nicht nur per Gesetz verboten, sondern auch nicht mit der Ethik der Jäger vereinbar.

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Ohnehin arbeite man eng mit dem Naturschutzbund zusammen, berichtet Kaltschmidt, der zum Vor-Ort-Termin mit seinem Kollegen Volker Rutkowski und den Labradoren Sam und Lemmy erschienen ist. Für die Wasserjagd sind die Hunde unersetzlich: Wird eine Gans, wenn sie etwa auf einem Stein im Neckar oder am Ufer einer der Neckarinseln sitzt, geschossen und fällt ins Wasser, haben die vierbeinigen Jäger ihren Einsatz. "Sie springen dann ins Wasser und apportieren die Gans", erklärt Kaltschmidt. Dazu brauchen die Hunde eine besondere Ausbildung: "Damit sie nicht zu fest zupacken und dem Vogel weiteren Schaden zufügen", so Kaltschmidt.

Denn das erlegte Tier soll ja weiterverwertet werden. Dass aus den Gänsen tatsächlich ein Sonntagsbraten wird, ist aber eher selten. "Wenn man vor allem ältere Tiere schießt, sind die als Braten ungenießbar", sagt Kaltschmidt. Das Fleisch werde tranig und zäh – "ganz egal, wie lange die Gans im Ofen bleibt", ergänzt Rutkowski. Kreisjägermeister Kaltschmidt hat sich deshalb ein neues Neckar-Gans-Rezept überlegt: "Wir lösen die Brüste aus und räuchern sie wie einen Schinken", erklärt der Rohrbacher, "das schmeckt hervorragend und ist eine echte Delikatesse". Er selbst verkauft die Räucher-Gans auf dem Samstagsmarkt in Rohrbach. Auch der Feinkostladen Madame Louise in der Neuenheimer Brückenstraße hat ihm schon einige Gänsebrüste abgenommen.

Wenn Kaltschmidt ein beringtes Tier vor die Flinte bekommt, schickt er die Ringnummer an die Vogelwarte in Radolfzell. Die meldet ihm dann zurück, woher die Tiere stammen und welche Wege sie zurückgelegt haben – "einmal war eine Gans aus Helgoland dabei", berichtet Kaltschmidt. Auch der Biologe Prof. Michael Wink bekommt dann eine Nachricht. Er ist so etwas wie der Heidelberger Gänse-Flüsterer. Gemeinsam mit einem Team vom Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie der Uni Heidelberg fängt er die Vögel Jahr für Jahr zum Beringen ein. Deshalb weiß er auch, dass die Nil- und auch die Kanadagänse, die nicht dauerhaft auf der Neckarwiese leben, meistens keine langen Wege zurücklegen. "Nilgänse etwa wandern in der Region im Umkreis von etwa 50 Kilometern." Da die Winter hier mittlerweile auch sehr mild seien, gebe es für die Vögel keine Notwendigkeit mehr, gen Süden zu ziehen. Gleiches gilt für die Kanadagänse. Die beiden Arten flögen im Winter ein und aus. "Die Neckarwiese ist für sie quasi wie ein Restaurant", so Wink.

Schwanen- und Kurzschnabelgänse dagegen "sind echte Heidelberger". Etwa 110 Schwanengänse sowie zehn Kurzschnabelgänse lebten derzeit in der Stadt. Die Zahl der Nil- und Kanadagänse auf dem Neckarvorland ist im Winter dagegen gering – aktuell seien es zwischen 30 und 50 Nil- sowie 20 bis 30 Kanadagänse.

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