Heidelberg

Die Hälfte aller Radunfälle ist laut Polizei vermeidbar

2017 ereigneten sich in Heidelberg 326 Stürze - 274 Personen wurden dabei verletzt, ein Mann getötet

18.03.2018 UPDATE: 19.03.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 6 Sekunden
Foto: dpa

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Es gebe keinen Grund zur Panik. Dieter Schäfer, Leiter der Verkehrspolizei, berichtet, dass Unfälle mit Radfahrern in Heidelberg glücklicherweise ein relativ seltenes Ereignis sind. 326 solcher Fälle zählten seine Mitarbeiter im vergangenen Jahr, 274 Personen wurden verletzt, 33 davon schwer. Eine niedrige Zahl, wenn man sie mit der Bedeutung des Verkehrsmittels vergleicht: Ein Drittel aller innerstädtischen Wege werden mit dem Fahrrad zurückgelegt, allein an den vier städtischen Zählstellen auf der Ernst-Walz-Brücke, in der Plöck, in der Gaisberg- und der Mannheimer Straße wurden rund 4,84 Millionen Fahrten gezählt. Experten schätzen, dass in Heidelberg jährlich sechs Millionen Radkilometer zurückgelegt werden.

Hintergrund

Brücke zwischen Bahnstadt und Neuenheimer Feld laut Verkehrspolizei unverzichtbar

Neben den Verhaltensänderungen wie Schulterblick, dem Tragen eines Fahrradhelms oder der Vermeidung von Geisterfahrten könnte vor allem eine bauliche Maßnahme das

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Brücke zwischen Bahnstadt und Neuenheimer Feld laut Verkehrspolizei unverzichtbar

Neben den Verhaltensänderungen wie Schulterblick, dem Tragen eines Fahrradhelms oder der Vermeidung von Geisterfahrten könnte vor allem eine bauliche Maßnahme das Unfallrisiko für Fahrradfahrer deutlich verringern, glaubt Dieter Schäfer, der Leiter der Verkehrspolizei: die neue Verbindung von der Bahnstadt über die Gneisenaubrücke und die Fahrradhochstraße über den Autobahnanschluss und den Neckar bis ins Neuenheimer Feld.

"Wenn die neue Neckarbrücke wieder eingestampft wird, ist den Heidelbergern nicht mehr zu helfen", sagt Schäfer. Er freut sich, dass der Gemeinderat nun endlich eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben hat. Die Mittermaierstraße, die Ernst-Walz-Brücke und die Berliner Straße als bislang einzige Nord-Süd-Verbindung vom Hauptbahnhof ins Neuenheimer Feld seien völlig überlastet. Der Straßenquerschnitt sei viel zu schmal und nicht leistungsfähig, sagt Schäfer, der diese Strecke als eine der unfallträchtigsten in ganz Heidelberg identifiziert hat.

"Wenn diese neue Radachse gebaut wird, haben wir auf einen Schlag bis zu 100 verletzte Radler weniger in Heidelberg", ist Schäfer überzeugt. Zudem werde durch die neue Brücke auch der öffentliche Nah- und der Autoverkehr beschleunigt. Denn sehr oft müssen Autofahrer, die nach rechts abbiegen wollen, warten, bis die vielen Radler hinter ihnen, die alle geradeaus weiter fahren wollen, vorbei sind.

Eine acht Meter breite Brücke, die nur für Fußgänger und Radler gebaut wird, könnte hier eine spürbare Entlastung bringen. Schäfer lobt überdies auch andere geplante Verbesserungen für den Radverkehr - zum Beispiel die neue Verbindung von der Friedrich-Ebert-Anlage über den Adenauerplatz. Das entlaste die Plöck, in der "kalkuttaähnliche Zustände" herrschten. (hob) 

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Und doch: Jeder Unfall sei einer zuviel, sagt Schäfer: "Erzählen Sie mal einem Radfahrer, der sich beim Sturz das Bein gebrochen hat, dass es in Heidelberg relativ sicher ist." Um so etwas zu vermeiden, wirbt der oberste Verkehrspolizist der Region auch weiterhin für die Aktion "Plus 5 - Minuten, die schützen". Alle Verkehrsteilnehmer, sowohl Radler wie Autofahrer, sollen sich auf ihrem Weg durch die Stadt fünf Minuten mehr Zeit lassen, um sicher ans Ziel zu kommen und niemand anderen zu gefährden. Bei der Aktion machen sowohl das Universitätsklinikum und die Universität, aber auch kirchliche Einrichtungen, das Deutsche Krebsforschungszentrum, die Pädagogische Hochschule, das Studierendenwerk und der Sportkreis mit.

Ein Toter war im letzten Jahr unter den Heidelberger Radfahrern zu beklagen. Es ist der 41-jährige Mann, der am 30. Oktober 2017 an den "Kölner Tellern" in der abschüssigen Wolfsbrunnensteige verunglückte und gegen eine Mauer prallte. Es ist ein untypischer Fall, denn der Verunglückte fuhr schneller als 30 Stundenkilometer und ist recht jung. Betrachtet man die bundesweiten Zahlen, sind mehr als 50 Prozent der getöteten Radler älter als 65 Jahre, die meisten Fälle ereignen sich bei niedriger Geschwindigkeit von 15 Stundenkilometern. Laut Schäfer trugen fast alle der tödlich verunglückten Radler keinen Helm. "Die schwersten Verletzungsmuster von Helmträgern sind in der Regel hingegen starke Gehirnerschütterungen."

Genau 100 mal trugen die Heidelberger Fahrradfahrer im Jahr 2017 Mitschuld an ihrem Unfall. Was Schäfer besonders ärgert: Die häufigste Ursache waren Geisterfahrten (34 Fälle), gefolgt von Vorfahrtsverletzungen oder Rotlichtverstößen (29). Wenn Radler verbotswidrig entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung auf dem Geh- oder Radweg fahren, werden sie von Autofahrern, die gerade aus einer Ausfahrt in die Straße einbiegen wollen, oft übersehen. Genau aus diesem Grund wirbt Schäfer unermüdlich dafür, dass alle Radler die richtige Straßenseite benutzen.

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Der fehlende Schulterblick ist unterdessen eine häufige Ursache, wenn Autofahrer Radler umfahren. Deshalb will die Aktion "Plus 5" den Kraftfahrern mit "Denkzetteln" und Plakaten einbläuen, dass sie gefälligst erst nach hinten schauen sollen, bevor sie abbiegen. Wenn jemand aus dem Auto aussteigt, empfiehlt Schäfer überdies den "holländischen Griff": Man solle die Tür mit der gegenüberliegenden Hand aufmachen, sodass man automatisch den Blick nach hinten richten muss. Diese kleine Verhaltensänderung könne verhindern, dass Radler über sich plötzlich öffnende Autotüren stürzen.

"Wir könnten die Hälfte aller Radunfälle vermeiden", ist Schäfer fest überzeugt. Eine relativ neue Entwicklung bereitet ihm unterdessen Sorgen: Im letzten Jahr ereigneten sich zwölf Unfälle mit Pedelecs. Wer sich solch ein Elektrofahrrad zulegt, sollte unbedingt den Umgang damit üben, rät der Polizist. Denn in all diesen Fällen wurden die Fahrer aufgrund der hohen Geschwindigkeit zumindest leicht verletzt. Und meist waren es Ältere.

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