Deutliche Kritik an der frühen Sperrung der Neckarwiese
Die Mehrheit im Gemeinderat wünscht sich ein anderes Vorgehen von Stadt und Polizei. Statt einer Komplettsperrung sollten lieber "einzelne Gefährder rausgezogen" werden.

Von Denis Schnur
Heidelberg. Die Sperrung der Neckarwiese am Wochenende ab 21 Uhr sorgt nicht nur bei Besuchern für Ärger, sondern auch im Gemeinderat. Bei der ersten Ausschusssitzung seit der Entscheidung übten am Donnerstagabend mehrere Stadträte deutliche Kritik am Vorgehen von Stadtspitze und Polizei. Nachdem der Ältestenrat zuvor schon hinter verschlossenen Türen über das Thema beraten hatte, äußerten die Stadträte ihren Unmut anschließend auch öffentlich im Haupt- und Finanzausschuss.
Zwar betonten sie alle, dass man Straftaten nicht hinnehmen könne. Zudem war Konsens, dass das Aufenthaltsverbot auf der Neckarwiese nur eine kurzfristige Maßnahme sein kann, die im besten Fall nicht bis August gilt, auch wenn es die aktuelle Verordnung zulassen würde. "Bitte prüfen Sie, ob der Zeitraum verkürzt werden kann", forderte Sahra Mirow (Linke). Das sagte OB Eckart Würzner auch sofort zu: "Wir sind uns einig, dass dieser Zustand so kurz wie möglich sein muss. Wir haben vor, den Menschen die Neckarwiese so schnell wie möglich zurückzugeben – auch am Wochenende."
Das war es aber auch schon mit der Einigkeit: Bei der Frage, mit welchen Maßnahmen man die Lage deeskalieren kann, gingen die Meinungen deutlich auseinander. Vor allem Stadträte von Grünen, SPD, "Die Linke" und "Die Partei" zweifeln am Sinn des Aufenthaltsverbotes. "Das Problem ist, dass die Sperrung nichts ändert", betonte Marilena Geugjes (Grüne). Die Klientel, die sich dort am Wochenende treffe, beziehe das Anrücken der Polizei bereits in ihre Abendplanung ein, suche die Auseinandersetzung ganz gezielt. Für die Beamten sei das eine Zumutung: "Dafür ist mir die Polizei zu schade." Björn Leuzinger ("Die Partei") sieht das ähnlich: "Dann eskaliert es eben genau um 21 Uhr."
Ein Großteil der Stadträte würde sich deshalb ein anderes Vorgehen der Polizei wünschen: "Wir müssen eingreifen, wo Straftaten geschehen – nicht mit einer Kollektivstrafe", so Mirow. Und auch Sören Michelsburg (SPD) betonte: "Ich war an den vergangenen Wochenenden öfter an der Neckarwiese und der Großteil der Menschen dort ist eben nicht an Krawall interessiert." Diese litten aber genauso unter der Maßnahme. Leuzinger zog einen Vergleich zu Demos: "Da ist es jedes Mal möglich, den schwarzen Block einzukesseln. Es muss doch auch auf der Neckarwiese gehen, dass man Gefährder rauszieht." Geugjes plädierte zudem dafür, zu versuchen, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.
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Unterstützung für die umstrittene Maßnahme gab es lediglich von Hilde Stolz (Bunte Linke) und Sven Geschinski (AfD). Die anderen Fraktionen meldeten sich nicht zu Wort. Laut Stolz hätten Anwohner Angst, ab 18 Uhr durch die Uferstraße zu gehen, weil sie fürchteten, zusammengeschlagen zu werden. Sie habe sich zudem die Profile in sozialen Medien angeschaut, die zu Randale aufriefen: "Die wollen, dass ganz Heidelberg brennt. Das muss man sich mal zu Gemüte führen."
Für ihre Ratskollegen ist die Lage dagegen nicht ganz so dramatisch: "Nur weil da ein Flammen-Emoji ist, heißt das nicht, dass die Stadt brennen soll", betonte Leuzinger. Er sei regelmäßig vor Ort und die meisten Menschen dort seien völlig harmlos. "Dass ein Anwohner angegriffen worden sei, habe ich jetzt noch nicht gehört."
Würzner und Erichson rechtfertigten die Sperrung dagegen und sehen sie weiter als alternativlos an. "Was Sie sagen, klingt super", sagte Würzner den Stadträten, "es hat nur mit der Realität nichts zu tun." Die problematische Klientel lasse sich nicht mit Gesprächen oder Kulturangeboten erreichen. Natürlich wolle man kein Aufenthaltsverbot verhängen, aber: "Die Polizei hat das geradezu gefordert, da wir sonst die Sicherheit und die öffentliche Ordnung nicht gewährleisten können."
Da es sich bei dem Aufenthaltsverbot um eine ordnungsrechtliche Maßnahme handelt, die die Verwaltung ohne Zustimmung des Gemeinderates treffen kann, blieb es bei der rund anderthalbstündigen Diskussion. Eine Abstimmung gab es nicht.