Der Weg ist frei für den Mitscherlich-Platz im Emmertsgrund
Bezirksbeirat votiert für die Benennung nach dem bekanntem Psychoanalytiker - Entscheidung liegt nun bei Gemeinderat

Von Julia Lauer
Heidelberg. Mit Plätzen ist es wie mit Menschen: Ohne einen Namen keine Identität, außerdem droht Verwechslung. Vor diesem Hintergrund wollte die Stadtverwaltung im vergangenen Jahr den bisher namenlosen Platz vor dem Seniorenzentrum Boxberg-Emmertsgrund im Stadtteil Emmertsgrund benennen. Erminplatz sollte er heißen und damit auf auf die Herkunft der Gewannbezeichnung Emmert verweisen. Damit hätte sich der Platz klarer vom gegenüberliegenden Mombertplatz und von der angrenzenden Emmertsgrundpassage abgegrenzt, so die Überlegung. Der vorgeschlagene Name gefiel jedoch vielen nicht. Sowohl der Bezirksbeirat Emmertsgrund als auch der Haupt- und Finanzausschuss des Gemeinderats sprachen sich dagegen aus. Aber wie soll der Platz stattdessen heißen?
In der jüngsten Sitzung des Bezirksbeirats stimmten vier Beiräte bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung dafür, den Platz auf den Namen Alexander-Mitscherlich-Platz zu taufen. Eine neuerliche Diskussion darüber gab es nicht. Den Vorschlag hatte der Bezirksbeirat selbst hervorgebracht – nachdem unter anderen die Namen Lindenplatz, Sonnenplatz, Platz der Nationen, Saša-Stanišic-Platz und Hannah-Arendt-Platz im Gespräch waren. In der vergangenen Woche stimmte auch der Haupt- und Finanzausschuss zu.

Der Arzt, Psychoanalytiker und Sozialpsychologe Alexander Mitscherlich ist nicht nur durch zahlreiche Veröffentlichungen weit über sein Fachgebiet hinaus bekannt geworden, er prägte auch das Leben in der Stadt. So rief er etwa die psychosomatische Abteilung am hiesigen Uniklinikum ins Leben – es ist die älteste psychosomatische Klinik in Deutschland. Und er war Teil der Gutachterkommission für den Emmertsgrund und wirkte von 1968 bis 1974 als dessen prominentestes Mitglied an der Planung des Stadtteils mit. Mitscherlichs Ziel: dessen "humane Gestaltung" mit Raum für Begegnung, Fortbildungseinrichtungen für nicht erwerbstätige Mütter oder Werkstätten für Senioren.
Doch auch eine Benennung des Platzes nach Mitscherlich rief Kritiker auf den Plan, insbesondere die Kommission für Straßenbenennungen der Stadt meldete Bedenken an. Zum einen weil Mitscherlich seinen Lebensweg vor 1945 im Nachhinein geglättet habe und nach 1930 eine Zeit lang in antidemokratischen Kreisen verkehrt sei, die westlichen Parlamentarismus abgelehnt hätten; zum anderen weil er sich überraschend aus der Gutachterkommission für den Emmertsgrund zurückgezogen habe. "Am meisten traf ihn, dass sein Gedanke, Werkstätten für Senioren zu errichten, in denen unter Anleitung eines Handwerkers Altersberufe hätten erlernt werden können, nicht realisiert wurde. Andere unerfüllte Wünsche Mitscherlichs waren eine anfängliche Subventionierung von Kneipen, bis sie sich selbst tragen, und Fernsicht ins Rheintal für alle Wohnungen", führte die Kommission Ende April in einer kritischen Stellungnahme aus.
Die Kommission machte jedoch keine zwei Monate später den Weg für eine Benennung des Platzes nach Mitscherlich frei, sodass der Vorschlag nun die Gremien durchläuft. "Die Bedenken sind allerdings nicht so schwerwiegend, dass die Kommission von einer Benennung nach Mitscherlich abrät", heißt es abschließend in einem Papier. Die endgültige Entscheidung über den neuen Namen liegt nun beim Gemeinderat, der sich am Donnerstag, 22. Juli, mit dem Thema befasst.