Heidelberg

Der Texter der Heidelberger Hymne wurde im KZ ermordet

Fritz Löhner-Beda schrieb "Ich hab’ mein Herz in Heidelberg verloren". Jahre später starb er in Auschwitz.

04.01.2022 UPDATE: 06.01.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 12 Sekunden
„Ich hab’ mein Herz in Heidelberg verloren“: Es blieb nicht bei dem Schlagertext, den Ernst Neubach und Fritz Löhner-Beda verfasst hatten. Daraus wurde auch ein Stummfilm. Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte Neubach einen Neustart im Filmgeschäft. Noch einmal nutzte er den erfolgreichen Titel, jetzt für einen rührseligen Tonfilm. Hier ist das Plakat zu sehen.

Heidelberg. (bec) "Freunde, das Leben ist lebenswert", "Was machst Du mit dem Knie, lieber Hans?" oder "Dein ist mein ganzes Herz": Schlagertexte von früher, manche der Älteren werden sich erinnern. Aber wer hat diese Ohrwürmer gereimt? Die Antwort gibt eine Gedenktafel am nördlichen Brückenkopf der Alten Brücke. Fritz Löhner-Bedas Name steht darauf, er hat die Schlager getextet. Aber die Tafel ist eigentlich einem anderen seiner Erfolgstitel gewidmet – dem "Heidelberger Lied". Die ersten paar Takte sind in Stein gemeißelt: "Ich hab‘ mein Herz in Heidelberg verloren". Fred Raymond schrieb die Musik, am Text arbeitete Ernst Neubach mit.

Auch Fritz Löhner-Beda zählt zu den Opfern unter den jüdischen Korporierten, sodass sein Name auf der Gedenkveranstaltung auf dem Synagogenplatz verlesen wurde. Seinen Lebens- und Leidensweg stellte der Salzburger Liedforscher Professor Raimund Lang vor.

Fritz Löhner-Beda kam 1883 in Böhmen auf die Welt, wenig später übersiedelte die Familie nach Wien. Als Student schloss er sich der zionistisch ausgerichteten Verbindung Kadimah an; sie galt als "Leibgarde" des Zionisten Theodor Herzl. Früh hatte sich Löhner-Bedas literarisches Talent gezeigt, er vermochte pointierte Gedichte zu schreiben und kommentierte mit spitzer Feder das Zeitgeschehen. Aber er machte auch im Unterhaltungsgeschäft Karriere, "versuchte es mit seichten Komödien und Singspielen", so Lang. Daneben verfasste er auch Drehbücher für die aufkommenden Stummfilme und schrieb mit an vielen Texte für die Operetten von Franz Lehár. Löhner-Beda war damit auch finanziell erfolgreich.

Zum Volkslied und zur Hymne der Neckarstadt gerieten die Verse von "Ich hab’ mein Herz in Heidelberg verloren". Der Wiener Komponist Fred Raymond vertonte die Romanze einer lauen Sommernacht im Marschrhythmus, daraus wurde ein Hit. Die Heidelberger Neuesten Nachrichten verkündeten, "daß mer unser neii Heidelberger Nationalhymne hawwe". Um das Lied entstand ein Stummfilm, und 1927 wurde die Geschichte in der Wiener Volksoper als Operette uraufgeführt.

"Natürlich stand er dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüber, gehörte aber zu den vielen, die ihn anfangs unterschätzten", berichtete Lang. Noch Mitte der 30er-Jahre hatte Löhner-Beda in Wiener Kaffeehäusern öffentlich über Hitler gewitzelt. Nachdem Österreich ohne nennenswerten Widerstand an das "Großdeutsche Reich" angeschlossen worden war, wird er, keine 24 Stunden nach dem Einmarsch der deutschen Truppen, verhaftet. Seine Popularität schützt ihn nicht, auch nicht seine Einschätzung: "Der Hitler mag meine Musik."

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Er wird 17 Tage später mit dem ersten Transport nach Dachau gebracht und ein halbes Jahr später nach Buchenwald verlegt. Er ist schwer gezeichnet, als er im Oktober 1942 nach Auschwitz deportiert wird. "Dass seine geliebte Frau und die beiden Töchter sechs Wochen zuvor ins Lager Minsk gebracht und dort sofort ins Gas geschickt wurden, hat er gottlob nie erfahren", sagte Lang.

Löhner-Beda muss Schwerstarbeit für die Buna-Werke leisten. Als einige Führungskräfte der IG-Farben das Lager besuchen, bemerkt einer der Herren: "Diese Judensau könnte auch rascher arbeiten!" Noch am selben Abend des 4. Dezember 1942 stirbt er. "Man kann sagen, Fritz Löhner ist totgetreten worden", berichtete Lang.

Wien hat schon 1960 eine Straße nach ihm benannt. In Heidelberg brachten "Die Chöre unserer Stadt" 1996 am Gebäude der Volksbank in der Hauptstraße eine Gedenktafel für den Komponisten Fred Raymond an, ohne die beiden Textdichter des Heidelberg-Liedes zu erwähnen. "Das geschah erst 2014 nach mehrfachen Interventionen und teils unschönen Diskussionen in Form einer Zusatztafel", stellte Raimund Lang fest. Schließlich fanden Tafel samt Zusatztafel eine neue Bleibe am nördlichen Brückenkopf der Alten Brücke. "Die Benennung einer Straße ist die Neckarstadt dem Autor eines ihrer bekanntesten Lieder bis heute schuldig geblieben", stellte Lang fest.

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