Heidelberg

Der Innenstadt-Verkehr muss anders werden

Oberbürgermeister Würzner: "Wir wollen für mehr Lebensqualität in der Stadt sorgen" - Branchentreffen für das Handwerk

07.06.2018 UPDATE: 08.06.2018 06:00 Uhr 1 Minute, 51 Sekunden

Daniel Philipp vom E-Bike-Hersteller HNF Nicolai präsentierte seine Modelle beim Branchentreff. Foto: Hentschel

Von Birgit Sommer

Heidelberg. Oberbürgermeister Eckart Würzner meinte es ernst beim Branchentreff für das Handwerk: "Die Altstadt wird in Zukunft nicht mehr so erreichbar sein, wie Sie es gewöhnt sind. Diese politische Botschaft ist relativ eindeutig." Er - und mit ihm der Gemeinderat - will eine verkehrsberuhigte, qualitativ hochwertige und lebendige Innenstadt. Und er will dafür auch die innovativsten Ideen entwickeln.

Hintergrund

Über Ideen und Planungen der Stadt in Sachen Verkehr informierte Oberbürgermeister Eckart Würzner beim Branchentreff die Heidelberger Handwerker.

Ein Elektromobilitätskonzept für das gesamte Stadtgebiet erstellt derzeit das Fraunhofer-Institut für

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Über Ideen und Planungen der Stadt in Sachen Verkehr informierte Oberbürgermeister Eckart Würzner beim Branchentreff die Heidelberger Handwerker.

Ein Elektromobilitätskonzept für das gesamte Stadtgebiet erstellt derzeit das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Dazu werden die Handwerker auch befragt.

Prämie für Öko-Autos: Der Kauf eines Elektro-, Erdgas- oder Hybridfahrzeugs, für das es keine Kaufprämie der Bundes-Förderung Elektromobilität gibt, wird vom städtischen Umweltamt mit einem Zuschuss von 1000 Euro belohnt.

Der Öffentliche Nahverkehr wird auf wasserstoffbetriebene Elektrobusse umgestellt. Für die Anschaffung können auch Hersteller aus der Schweiz, aus Polen und China zum Zuge kommen. Jede Straßenbahn ist schon ein Elektro-Fahrzeug.

Mit 320 städtischen Fahrzeugen will man auf batterie- oder wasserstoffbetriebene Elektro-Fahrzeuge umsteigen. Die Ladeinfrastruktur wird ausgebaut.

Taxilizenzen werden in Zukunft nur erteilt, wenn das Auto CO2-neutral fährt.

Sperrzonen wird es nicht nur in der Altstadt geben, sondern auch anderswo im Stadtgebiet - auch wenn Heidelberger (Bergheimer) Luft 2017 im Jahresmittel erstmals den Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid einhielt. Benziner seien nicht umweltfreundlicher als Dieselautos, meinte Würzner: "Es wird noch eine Diskussion über die Gefahr von Feinststaubpartikeln kommen." (bik) 

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Diese Zeichen der Zeit brachte er den Handwerkern bei der Veranstaltung im ehemaligen Bahnbetriebswerk nahe: "Sie müssen auf ein solches System vorbereitet sein." Denn viele der Unternehmer können sich noch nicht vorstellen, wie dann Arbeit und Notdienst-Einsätze funktionieren sollen. Kreishandwerkermeister Norbert Menges fand Lastenräder an der Baustelle "fern jeder Realität". Laptop, Spezialwerkzeug und Ersatzteile, die bisher Platz im Auto fänden, könnten nicht einfach auf dem Rücken getragen werden. Bei Pollern an den Zufahrten ("Nicht grundsätzlich falsch") und beim Parken der Handwerkerautos ging es ihm um einfache und kostengünstige Genehmigungen. Menges sagte auch, auf wen die Handwerker ihre Kosten abwälzen werden: "Die Leute, die in diesem Bereich wohnen, werden es mit einem Zuschlag bezahlen."

Den Verfechtern von Elektro-Lastenrädern bot er ein zweiwöchiges Praktikum bei einem Handwerker an. Das ließ sich Thilo Gauch von "Electric Bike Solutions" nicht zweimal sagen. Allerdings meint auch er: "Für 95 Prozent der Handwerker kommt das Lastenrad nicht infrage." Martin Illing, der Obermeister der Elektroinnung, hat seinen Firmensitz in der Altstadt und ist bereits Gauchs Kunde. "Der Verkehr in der Altstadt ist unerträglich", findet Illing. Er will demnächst eine Infoveranstaltung für seine Kollegen organisieren, weil die finanzielle Förderung der Lastenräder durch das Land interessant sei: Es gibt 30 Prozent Zuschuss zu den Anschaffungskosten, maximal 3000 Euro. "Damit kostet das Lastenrad netto nicht mal 3500 Euro." Auch Dietmar Clysters, Obermeister der Kfz-Innung Rhein-Neckar-Odenwald, empfahl, Fördermittel, etwa für gasbetriebene Fahrzeuge, zu nutzen. Bei einem Zwölftonner seien das 40.000 Euro.

Wie man als IT-Firma mit Sitz in der Ebert-Anlage mit zehn Mitarbeitern und und dazu einer siebenköpfigen Familie ohne Autos auskommt, führte Christian Koinegg vor Augen: Seine Mitarbeiter sind mit elektrischen Lastenrädern unterwegs oder mit Carsharing-Autos. Selbstverständlich finanziert Koinegg seinen Leuten das Jobticket für den öffentlichen Nahverkehr. Im Bedarfsfall schickt er ihnen das passende Werkzeug mit Fahrradkurieren hinterher.

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Und die Familie mit fünf Kindern? "Wir fahren alle mit dem Nahverkehr, auch in den Urlaub", sagt er, "wenn das mal nicht möglich ist, nehmen wir ein Taxi." Das sei immer noch billiger, als ein eigenes Auto zu finanzieren. Und eine Verkehrsberuhigung in der Altstadt sei absolut überfällig.

Hier hakte Heidelberg-Marketing-Chef Mathias Schiemer ein: "Ab Juli darf kein Reisebus mehr durch die Altstadt zum Universitätsplatz fahren." Bei zehntausend Altstadt-Bewohnern und zwölf Millionen Touristen in Heidelberg ist es für Schiemer schon "fünf nach zwölf", was die Belastung der Heidelberger betrifft. Als Vorbild gilt ihm Salzburg. Die österreichische Stadt habe es mithilfe von Pollern geschafft, Wohlfühlstadt zu sein, und dennoch gelange jeder Handwerker zu seinen Kunden.

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