Heidelberg

20 Mitglieder des Gemeinderats feierlich im Rathaus verabschiedet

Das neue Gremium mit 14 Parteien und Wählervereinigungen wurde vereidigt. Dabei gab es einen Abschied mit Wehmut und Augenzwinkern.

25.07.2024 UPDATE: 25.07.2024 04:00 Uhr 4 Minuten, 1 Sekunde
Noch einmal kamen die 20 Ausscheidenden zum Gruppenfoto zusammen mit OB Würzner (vorne, Mitte), den Bürgermeisterinnen Stefanie Jansen (l.), Martina Pfister (r.) und Bürgermeister Jürgen Odszuck (dritte Reihe, r.). Foto: Rothe

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Was hat dieser Gemeinderat nicht alles mitgemacht und geleistet: Sitzungen in der Neuen Universität mit Abstand, Masken und Corona-Ampeln. Dazu kamen jede Menge schwieriger Entscheidungen im Zuge der Ukraine-Krise, mit einem großen Bedarf an Unterkünften für Geflüchtete und gestiegenen Baupreisen. 

Für 20 Mitglieder dieses historischen Gremiums ist nun endgültig Schluss. Am Dienstag wurden sie mit einer feierlichen Zeremonie verabschiedet. Kurz darauf nahmen die 20 Neuen mit den 28 Wiedergewählten erstmals im Großen Rathaussaal Platz, wo sie in den nächsten fünf Jahren noch viele Diskussionen führen werden.

> Viel mehr Gemeinsames als Trennendes: Großes Lob hatte Oberbürgermeister Eckart Würzner für den scheidenden Gemeinderat übrig. Angesichts der Pandemie und des russischen Angriffskriegs habe es trotz vieler Diskussionen in Heidelberg immer eine "starke Hilfsbereitschaft" gegeben: "Wir haben gezeigt, wir können in Krisensituationen zusammenstehen." Auch den neuen Karlstorbahnhof, das Mobilitätsnetz, die Eröffnung des Kongresszentrums und die Verabschiedung des Masterplans für das Neuenheimer Feld habe man gemeinsam umgesetzt.

Blick in den neu gruppierten Großen Rathaussaal: Der neu gewählte Gemeinderat ist im Durchschnitt 44 Jahre alt und damit fast drei Jahre jünger als das alte Gremium. 19 Frauen sind vertreten, 14 Parteien und Gruppierungen. Foto: Rothe

> Humorvolle Verabschiedung: Für jeden der scheidenden Stadträte hatte Würzner eine kleine Laudatio vorbereitet, die er mit Augenzwinkern vortrug. Werner Pfisterer, der seit dem 22. Oktober 1989 im Gemeinderat saß, nannte er etwa ein Urgestein – "ich spreche jetzt nicht von Fossil", Otto Wickenhäuser (ebenfalls CDU) fragte er ungläubig beim Blick in die Vereinsmitgliedschaften, ob er Ski fahre.

Und bei der Verabschiedung von Arnulf Weiler-Lorentz (Bunte Linke) merkte der OB süffisant an: "Anders als ihr früherer Beruf, Anästhesist, es vermuten ließ, hielten Sie die Diskussionskultur immer aktiv und lebendig." Es habe kein Gutachten gegeben, das Weiler-Lorentz nicht noch vor der Sitzung zu Hause auseinandergenommen habe. Ganz ernst sagte Würzner aber dann: "Es wird was fehlen."

> Die Zeitenwende: Zu Judith Marggraf (GAL), die 25 Jahre dabei war, sagte Würzner, er könne sich nicht vorstellen, dass sie, die so häufig die Wogen im Gemeinderat geglättet habe, nicht mehr dabei sei. Über Jan Gradel, der 30 Jahre im Rat war, könnte der OB stundenlang erzählen, was man gemeinsam erlebt habe.

Derek Cofie-Nunoo (Grüne) nannte er eine "Lichtgestalt der Heidelberger Politik". Dessen Abschied ging Würzner nahe: Als der ehemalige Grünen-Fraktionsvorsitzende, OB-Kandidat und Generation_HD-Gründer wieder zu seinem Platz ging, seufzte der OB ins Mikro: "Es finden schon Veränderungen statt."

Zu jedem weiteren der scheidenden Stadträte fand Würzner ein paar Worte: Karl Emer, Martin Ehrbar, Mathias Michalski, Michael Eckert, Michael Rochlitz, Kathrin Rabus, Manuel Steinbrenner, Bernd Zieger, Simone Schenk, Luitgard Nipp-Stolzenburg, Sahin Karaaslan, Anita Schwitzer, Johannah Illgner und Nicolá Lutzmann.

> Stehende Ovationen für den Dienstältesten: Werner Pfisterer wurde die Ehre zuteil, als dienstältester Stadtrat die Abschlussrede zu halten. Er würde es begrüßen, wenn mehr unterschiedliche Berufe, Altersklassen und gesellschaftlichen Gruppen im Rat wären. Den Neuen gab er mit: "Lasst Widerspruch zu, lebt nach vorne und versteht im Rückblick."

Der ehemalige Landtagsabgeordnete Werner Pfisterer bei seiner Abschlussrede. Foto: Rothe

> Familiäre Atmosphäre: Die Rathaus-Mitarbeiter hatten für gemütliche Sitzecken gesorgt. In der Pause zwischen den Sitzungen des alten und des neuen Rates gab es Sekt, Selters und Häppchen. Während das Heidelberger Streichquartett mit Mozart für den feierlichen Rahmen sorgte, ließen sich alte Bekannte blicken: Altstadträtin Irmtraud Spinnler etwa und auch Ex-Bürgermeister Wolfgang Erichson.

> Neuer Gemeinderat vereidigt: 14 Parteien und Wählervereinigungen sind nun im Gemeinderat. Im Chor sprachen die 48 Mitglieder Würzner die Eidesformel nach. Danach ging es nur noch darum, die im Vorfeld ausgehandelte Sitzverteilung in den Ausschüssen und Aufsichtsräten im Paket abzusegnen. Einstimmig.

> Kleiner Misston am Rande: Einzig Gunter Frank, der als Einzelstadtrat für die Initiative für Demokratie und Aufklärung (IDA) in den Gemeinderat einzog, sorgte für einen Mini-Eklat. Er wollte zu einer Grundsatzrede über die in seinen Augen verfehlte Corona-Politik ausholen – bis er von Würzner abgewürgt wurde: Er dürfe nur zum Tagesordnungspunkt sprechen.


Diese Fraktionen gibt es im neuen Gemeinderat – Drei Einzelstadträte

Stärkste Fraktion sind nach wie vor die Grünen (13 Sitze), gefolgt von der CDU (7), der SPD (6) und den "Heidelbergern" (5 Sitze). Darüber hinaus bildet nur noch die AfD eine eigene Fraktion (3 Sitze). Björn Leuzinger (Die Partei) und Gunter Frank (Initiative für Demokratie und Aufklärung) bleiben Einzelstadträte. Andere Parteien und Wählervereinigungen haben sich zu Fraktionsgemeinschaften zusammengeschlossen.

> Volt und "Heidelberg in Bewegung" (HiB) (5 Sitze): Die pro-europäische Partei Volt war der Überraschungssieger der Kommunalwahl und erreichte aus eigener Kraft drei Sitze. Trotzdem haben sich Katharina Born, Andreas Gottschalk und Thymon Matias dazu entschieden, mit Waseem Butt und Klaudia Rzezniczak von HiB gemeinsame Sache zu machen.

> Die Linke und die Bunte Linke: Die Linken-Stadträtinnen Sahra Mirow und Zara Kiziltas, die ihren Mitstreiter Bernd Zieger verloren haben, bilden nun mit Hilde Stolz (Bunte Linke) eine rein weibliche Fraktion. Sie sehen Überschneidungen bei sozialen und ökologischen Themen.

> FDP und Freie Wähler: Die beiden Liberalen Karl Breer und Tim Nusser machen jetzt mit Frank Beisel (Freie Wähler) gemeinsame Sache. In der vergangenen Amtsperiode war Beisel noch mit der GAL in einer Fraktionsgemeinschaft.

> GAL-Stadtrat Michael Pfeiffer kooperiert nun enger mit den Grünen und hat auch an ihrer Seite im Rathaussaal Platz genommen. Sie bilden aber keine Fraktionsgemeinschaft. Die Grünen überlassen Pfeiffer aber je einen der ihr zustehenden Sitze im Mobilitäts-, im Jugendhilfe- und im Sportausschuss.


Der erste Nachrücker

Der neue Gemeinderat war noch nicht konstituiert, da gab es schon die erste Überraschung: Jens Riedel, der bei der Kommunalwahl am 9. Juni auf der AfD-Liste kandidiert hatte und für die Rechtspopulisten die drittmeisten Stimmen geholt hatte, ist inzwischen aus der Partei ausgetreten. Damit rückt für ihn nun Albert Maul in den Gemeinderat ein. Der Mann, der vergangenes Jahr in Neuenheim wegen seiner Mitgliedschaft in der AfD für Streit gesorgt hatte und der den "Heidelberg in Bewegung"-Stadtrat Waseem Butt nach dessen kritischem Kommentar in der RNZ in seinem Laden lautstark zur Rede gestellt hatte.


Geehrte

> Zusammen bringen sie es auf 110 Jahre Erfahrung in den städtischen Gremien: Oberbürgermeister Eckart Würzner ehrte während der feierlichen Verabschiedung des alten Gemeinderates fünf langgediente Räte.

> Jan Gradel war seit 1. September 1994 Mitglied des Gemeinderates und von September 2002 bis April 2023 darüber hinaus CDU-Fraktionsvorsitzender. Würzner überreichte ihm das Verdienstabzeichen des Städtetags in Gold für 30-jährige Treue.

> Ausgezeichnet für jeweils 20 Jahre wurden Karl Breer (FDP), Karl Emer (SPD), Christoph Rothfuß und Frank Wetzel (beide Grüne). Sie waren vor ihren drei Amtsperioden im Gemeinderat auch im Bezirksbeirat.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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