Halle 02 Heidelberg

Die Bilanz nach dem ersten Jahr ohne Zuschüsse

Hannes Seibold und Felix Grädler hatten 2018 "beste Jahr" seit dem Start im Jahr 2002

22.02.2019 UPDATE: 23.02.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 50 Sekunden

Die beiden Geschäftsführer Felix Grädler (rechts) und Hannes Seibold beim Halle 02-Fotoshooting - mal aus einer anderen Perspektive. Nicht mehr gefangen im "Förderkorsett der Stadt" machte das Veranstaltungshaus 2018 gute Umsätze. Foto: privat

Von Anica Edinger

Heidelberg. Clueso: ausverkauft. Dendemann: ausverkauft. Bosse: ausverkauft. Meute: ausverkauft. In Heidelberg ist die Halle 02 einer der großen Sterne am Veranstaltungshimmel. Und das, obwohl dem alten Güterbahnhof in der Bahnstadt vor rund zwei Jahren die städtischen Zuschüsse erst stark gekürzt und schließlich komplett gestrichen wurden.

Die beiden Geschäftsführer Hannes Seibold (44) und Felix Grädler (34) mussten so vom einen auf den anderen Tag ihr komplettes Profil umkrempeln. Was sich gut zwei Jahre nach der Entscheidung des Gemeinderats getan hat, welche neuen Konzepte zum Tragen kamen und was die beiden Heidelberger von der städtischen Kulturförderung halten, darüber sprachen sie im RNZ-Gespräch.

Herr Grädler, Herr Seibold, 2018 war Ihr erstes Jahr ohne städtische Zuschüsse. Wie lief’s?

Grädler: So gut wie noch nie.

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Das müssen Sie erklären.

Grädler: Wir haben das beste Jahresabschlussergebnis in unserer Geschichte eingefahren. Mit über dreieinhalb Millionen Euro Umsatz, über 200.000 Besuchern und 150 Live-Musik-Acts.

Wie kann es sein, dass man mit weniger Unterstützung bessere Zahlen macht?

Seibold: Wir haben etwa sogenannte Risiko-Bookings einfach nicht mehr gemacht - also Veranstaltungen, bei denen sich die Künstler ausprobieren konnten, die gerade auf dem Sprung nach oben sind, aber noch nicht viel Publikum anziehen. Auch die Nischen bedienen wir jetzt viel weniger. Und beim Eintritt haben wir einige Ermäßigungen rausgenommen. Außerdem treten wir jetzt auch als Event-Veranstalter auf. Wir vermieten unsere Räume für Firmenveranstaltungen - im letzten Jahr fand etwa das große Festival für Digitale Bildung bei uns statt, aber auch in der Automobilbranche sind wir sehr gut nachgefragt.

Grädler: Wir konnten einfach viel freier und flexibler agieren, weil wir nicht mehr in diesem Förderkorsett der Stadt gefangen waren.

Gefangen?

Grädler: Wir hatten ja eine Rahmenvereinbarung mit dem Gemeinderat, in der festgeschrieben war, was wir für die Kultur machen sollen. 75.000 Euro haben wir dafür bekommen und von unserer Seite noch einmal das Dreifache draufgelegt.

Seibold: Das hat auch emotional aufgewühlt. Wir mussten uns vor den Stadträten immer bis auf die Unterhosen ausziehen.

Sie sind einst als Vorkämpfer für die Sub- und Gegenwartskultur angetreten. Diese findet in der Halle 02 jetzt viel weniger statt. Tut Ihnen das weh?

Seibold: Früher haben wir viel Programm nach unserem Geschmack gemacht - jetzt trifft das Programm eben nicht mehr immer unseren eigenen Geschmack. Damit muss man umzugehen lernen.

Grädler: Wir sind jetzt vernunftgetrieben - für die Wirtschaftlichkeit unseres Hauses und die Mitarbeiter.

Was sagen die Mitarbeiter zum neuen, weniger kulturorientierten Profil der Halle 02?

Seibold: Für die Mitarbeiter war gerade das Kulturprogramm schon eine Herzensangelegenheit. Allerdings hat das einige im Jahr auch hunderte Stunden gekostet - zusätzlich zur normalen Arbeit.

Grädler: Wir haben natürlich immer noch sehr viele kulturelle Veranstaltungen - einmal im Jahr besucht uns etwa ein "Artist in Residence". Und fast 150 Konzerte pro Jahr sprechen für sich, das sind immerhin drei pro Woche. Dennoch haben wir das Kulturprogramm deutlich runtergefahren. Was vielen Mitarbeitern dabei besonders wehtat, war das Absagen des "Alternativen Frühlings". Den wird es auch dieses Jahr nicht mehr geben.

Ist all das nicht das Ergebnis verfehlter Kulturpolitik in Heidelberg?

Seibold: Die Kulturförderung folgt jedenfalls keinem klaren Muster. Wenn man die ganzen Musikspielstätten zusammennimmt, haben diese zusammen 400.000 bis 500.000 Besucher im Jahr, das Theater Heidelberg als Beispiel hat um die 160.000 Besucher und das Kurpfälzische Museum circa 60.000 pro Jahr. Beide werden mit Millionenbeträgen von der Stadt gefördert, den Clubs wurden im neuen Doppelhaushalt für Live-Musik gerade einmal 75.000 Euro zugestanden. Das ist vielleicht nicht verfehlt, aber in jedem Fall komisch. Es ist nicht transparent, wer weshalb welche Förderung bekommt. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung korreliert nicht mit dem, was gefördert wird.

Was meinen Sie damit konkret?

Seibold: In Heidelberg hat sich seit den siebziger Jahren bis auf kleine Schönheitskorrekturen in der Kulturförderung so gut wie nichts geändert. Gegenwartskultur findet wenig bis keine Beachtung. Aber genau hier kristallisiert sich Neues und verändert den Mainstream. Hier sind keine hohen Summen nötig, um nachhaltig etwas zu bewegen. Und dann warten alle Kulturschaffenden in Heidelberg auch noch auf die Kulturleitlinien, die ja seit Jahren bald fertig sein sollen.

Was sollte sich ändern?

Grädler: Es muss mehr temporäre Nutzung möglich gemacht werden. So hat auch unsere Geschichte angefangen - und ich sage mit Überzeugung: Eine Halle 02-Geschichte wäre heute nicht mehr möglich. Dazu fehlt manchmal die Risikobereitschaft in der Verwaltung, in den Ämtern. Es gibt so viele freie Flächen in der Stadt - man muss nur den Mut haben, diese zu nutzen.

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