Günstiger Wohnraum?

"Niemand will, dass in Heidelberg nur reiche Menschen leben"

Immobilienentwickler Andreas Epple und Daniela Reich über teures Bauen und Wohnen - Sie fordern vorausschauendere Bodenpolitik

05.05.2021 UPDATE: 06.05.2021 06:00 Uhr 5 Minuten, 25 Sekunden
„Wie viele Einwohner möchte man in 20 Jahren in Heidelberg haben?“, fragt Andreas Epple. Unser Foto zeigt ihn mit seiner Nachfolgerin Daniela Reich vor der Epple-Zentrale in Bergheim. Foto: hen

Von Sebastian Riemer

Heidelberg. Der Immobilienentwickler Epple baut und vermarktet seit fast vier Jahrzehnten Wohnimmobilien – viele davon in Heidelberg. Ende des Jahres gibt Gründer Andreas Epple (60) die Leitung des operativen Geschäfts ab an Daniela Reich (46), die seit Mai 2020 in der Geschäftsführung sitzt. Im RNZ-Gespräch erklären sie, warum sie die Firma Epple für gemeinnützig halten, wie man günstigen Wohnraum schafft – und wieso sie sich von der Stadt eine vorausschauendere Grundstückspolitik wünschen.

Herr Epple, warum schaffen private Immobilienentwickler wie Ihr Unternehmen in Heidelberg eigentlich so wenig bezahlbaren Wohnraum?

Epple: Was bedeutet denn bezahlbar? Von wem bezahlbar?

Bezahlbar mit dem Gehalt einer Bäckereiverkäuferin oder eines Pflegers.

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Epple: Bezahlbaren Wohnraum für Pfleger und Bäckerinnen schaffen wir durchaus, aber eben nicht nur. Das Entwickeln von Immobilien ist sehr viel teurer geworden – vor allem aus drei Gründen. Der wichtigste sind die Grundstückspreise. Hans-Jochen Vogel, einst Oberbürgermeister von München, hat mal ausgerechnet, dass die Baulandpreise dort seit dem Krieg um 36.000 Prozent angestiegen sind – das sind jährlich gut zehn Prozent. Heidelberg liegt da sicher drunter, aber wahrscheinlich nicht viel.

Was sind die anderen beiden Gründe?

Epple: Zum einen die vielen Normen beim Bauen, die sich ständig verändern, etwa bei Brandschutz oder Energieeffizienz. Und dann ist da noch die normale – und zur Zeit hohe – Preissteigerung der Baukosten.

Man könnte einwenden, es gibt noch einen vierten Grund: den Gewinn der Immobilienentwickler. Mit wie viel Prozent kalkulieren Sie denn bei Ihren Projekten?

Epple: Bei der Roh-Rendite – also vor Steuern und etwaiger Gewährleistungsansprüche – kalkulieren wir mit zehn Prozent. Damit bezahlen wir noch einen Teil der Geschäftskosten und tragen das unternehmerische Risiko. Ein Projekt kann ja auch mal schief gehen. Gewinne sind notwendig, um das für die Projektentwicklung erforderliche Eigenkapital zu bilden.

Mal aus Sicht des Gemeinwohls gefragt: Wozu brauchen wir als Gesellschaft private Bauträger, die Rendite machen?

Reich: Wir bauen Häuser und Wohnungen, in denen Menschen gerne leben. So entsteht eine lebenswerte Stadt. Rendite ist nicht unser Hauptantrieb, wir wollen gute Lebensräume schaffen, die zukunftstauglich sind. Nehmen wir unser Quartier am Turm in Rohrbach: Die Menschen leben sehr, sehr gerne dort. Mit solchen Projekten tragen wir zum Gemeinwohl bei.

Epple: Wohnen ist wie Essen ein Grundbedürfnis. Da könnten Sie auch fragen: Wieso dürfen ein Restaurant oder ein Supermarkt dazu beitragen, unsere Grundbedürfnisse zu befriedigen?

In Heidelberg sollen Bauherren bald verpflichtet werden, statt wie bisher 20 dann 30 Prozent der Mietwohnungen – oder sogar mehr – unter Marktpreis für Nicht-so-viel-Verdiener zur Verfügung zu stellen. Wie finden Sie das?

Epple: Das ist für uns finanziell schmerzhaft, aber wäre wohl machbar, wenn man sich darauf einstellen kann. Solche Vorgaben zu lösen, gehört mit zu unserem Auftrag als privater Entwickler, um zu einer guten, lebendigen, vielfältigen Stadt beizutragen.

Um die Rendite als Kostenfaktor in Heidelberg gänzlich auszuschalten, fordern manche inzwischen, bei Bauprojekten vorrangig oder sogar nur noch sogenannte "gemeinwohlorientierte Bauträger" zum Zuge kommen zu lassen ...

Epple: Wir sind in Heidelberg der private Entwickler, der am meisten preisgebundenen Wohnraum realisiert hat – alleine im Quartier am Turm sind es 100 Wohnungen. Und wir bauen eben auch so, dass Menschen dauerhaft zufrieden sind. Das ist nachhaltig, weil Häuser, in denen man gerne lebt, nicht so schnell abgerissen werden. Ich stimme Frau Reich deshalb zu: Wir tragen mit unseren Mitteln zum Gemeinwohl bei.

Sollte der Staat aus Ihrer Sicht die Schaffung von Wohnraum dem Markt überlassen?

Epple: Klare Antwort: Ja und Nein! Der Markt ist ein effizienter Verteilungsmechanismus, aber es gibt Menschen, die sich nicht über den Markt mit Wohnraum bedienen können. Also darf man nicht alles dem Markt überlassen. Das funktioniert auch gut, etwa beim Hospital-Areal in Rohrbach, wo wir ja beteiligt sind. Die städtische GGH schafft dort preiswerten Wohnraum, wobei die Miete maximal 30 Prozent des Nettolohns beträgt und sich dynamisch mit dem Einkommen ändert – und Private wie wir subventionieren dieses Modell.

Reich: So ein dynamisches Modell geht nur mit der öffentlichen Hand, denn nur diese kann das Einkommen der Mieter auch überprüfen.

Trotz innovativer Modelle wird es weiter Menschen geben, die kaum Chancen haben, in Heidelberg eine Wohnung zu finden, die sie sich leisten können. Auch die erwartete Gemeinderatsentscheidung zu mehr preisgebundenem Wohnraum wird das Problem höchstens lindern. Wie kann man es denn lösen?

Epple: Wichtig ist, den kommunalen Wohnungsbestand weiter auszubauen. Aber dennoch glaube ich nicht, dass man es schaffen kann, wirklich jedem Menschen, der hier leben will, das auch zu ermöglichen. Denn: In unserer attraktiven Stadt wollen mehr Menschen leben, als wir Platz haben.

Richtig. Der Trend geht sogar dahin, dass nur Gutverdiener in Heidelberg leben können. Wie finden Sie das?

Epple: Nicht gut. Auch wir wollen keine Quartiere bauen, in denen nur eine Art von Menschen wohnt. Ein gutes Projekt ist durchmischt – und zwar materiell, sozial, nach Alter und Lebensstilen.

Reich: Niemand will, dass in Heidelberg nur reiche Menschen leben. Aber in diesem Kontext muss man auch ehrlich über Zielkonflikte sprechen: Man will mehr Wohnraum – aber sträubt sich oft zugleich gegen Flächenversiegelung und mehr Dichte.

Plädieren Sie dafür, den Siedlungsraum der Stadt auszuweiten und auf Wiesen und Felder zu bauen?

Epple: Nein, aber wir plädieren dafür, diese Diskussion zu führen. Wir müssen uns fragen: Wie viele Einwohner möchte man in 20 Jahren in Heidelberg haben?

Und, wie viele möchten Sie haben?

Reich: Darüber muss politisch diskutiert werden.

Epple: Ein Beispiel: Patrick-Henry-Village ist eine Exklave – und nach den aktuellen Plänen soll das auch so bleiben. Da frage ich mich: Wenn man mehr Wohnraum will, warum orientiert man sich da nicht von PHV aus nach Nordosten und macht die Exklave so zu einem innerörtlichen Stadtteil?

Sie meinen, indem man das Airfield und die umliegenden Felder bebaut und so eine geschlossene Siedlung bis zum Pfaffengrund zieht?

Epple: Ich fordere das nicht, ich stelle es zur Diskussion.

Aber Sie sind doch Realist genug zu wissen, dass es dafür in Heidelberg keine Mehrheit geben würde.

Epple: Die Politik muss solche Dinge diskutieren. Wenn man konstatiert, dass Wohnungen fehlen, muss man sie bauen oder mit den Folgen des knappen Angebotes leben. Die Grundfrage für Politik und Bürgerschaft lautet doch: Was ist für uns eine gute Stadt? Das müssen wir zuerst beantworten und dann danach handeln.

Reich: Erst dann kann man auch eine vorausschauende Bodenpolitik machen: Die Stadt könnte heute schauen: Wo wächst die Stadt hin? Und genau dort Grundstücke kaufen, für die sie erst in 20, 30 Jahren Baurecht schafft. Das würde viel Handlungsspielraum eröffnen – genau so wie das in Heidelberg viel zu wenig genutzte Instrument des Erbbaurechts.

Das Erbbau-Modell sorgt dafür, dass ein Grundstückseigentümer einem anderen gegen einen Erbbauzins ermöglicht, auf diesem Grundstück sein eigenes Wohneigentum zu errichten.

Reich: Genau. So geht nachhaltige Stadtentwicklung, weil man nicht die Kontrolle verliert, im Grundbesitz bleibt und in 99 Jahren – so lange läuft üblicherweise ein Erbbaurechtsvertrag – wieder alle Möglichkeiten hat. Und: Man ermöglicht damit Familien, viel günstiger Eigentum zu erwerben, weil der von ihnen zu zahlende Erbbauzins viel, viel günstiger ist, als wenn sie das Grundstück kaufen müssten.

Epple: Es ist ja heller Wahnsinn, dass Städte ihre wenigen Flächen verkaufen, um kurzfristig ihre Haushalte zu sanieren.

Die Stadtspitze um Oberbürgermeister Würzner führt diese Zukunftsdiskussion nicht, handelt kurzsichtig und kümmert sich viel zu wenig um vielversprechende Modelle wie die Erbpacht: Ist es das, was Sie sagen wollen?

Epple: Nein, ich habe schon das Gefühl, dass der OB, aber auch Baudezernent Odszuck und Konversionsbürgermeister Heiß versuchen, weitsichtiger zu handeln als es vor Jahren der Fall war. Aber angesichts eines viel vielfältigeren Gemeinderats und eines heute ganz anderen Bürgerbewusstseins hat man es bisher nicht geschafft, neue Kommunikationsformen zu entwickeln, um solche Prozesse besser zu moderieren.

Ein Ergebnis dessen sind langwierig und mit viel Ressourcenaufwand geplante Großprojekte, die per Bürgerentscheid gekippt werden – siehe die jahrzehntelange Debatte um den Betriebshof.

Epple: Genau. Die Gemengelage ist extrem schwierig für die Vertreter der repräsentativen Demokratie. Ich habe oft das Gefühl, in Heidelberg denken viele, alle anderen seien viel dümmer als sie selbst.

Sprechen wir zum Abschluss über das aktuell größte Epple-Projekt in Heidelberg: Ihre Firma hat 2015 die ehemaligen Bürogebäude der Heidelberger Druckmaschinen an der Kurfürsten-Anlage gekauft. Gemeinsam mit den benachbarten Stadtwerken und der GGH entwickeln Sie ein 3,6 Hektar großes Areal neu. Was entsteht dort?

Reich: Aktuell nutzen Firmen der Kreativwirtschaft die Gebäude als Zwischennutzung. Wir wollen dort ein modernes, urbanes Quartier für Menschen jedes Alters bauen. Anfang Juli kürt unsere Jury einen Sieger des städtebaulichen Wettbewerbs.

Und wann ziehen die ersten Menschen dort ein?

Reich: Wenn alles gut läuft, in Etappen ab 2027.

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