Fastnachtsumzug Heidelberg

Wetterfeste Narren und tonnenweise Süßkram (plus Video und Fotogalerien)

Beobachtungen beim Fastnachtszug - Von Niederlagen, weichem Wurfmaterial und Veganern

05.03.2019 UPDATE: 06.03.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 56 Sekunden

HKK-Präsident Heindl und "Perkeo" Thomas Barth geben den Rathausschlüssel an OB Eckart Würzner zurück. Foto: Buchwald

Von Holger Buchwald, Matthias Kehl und Sebastian Riemer

Heidelberg. Von so ein paar Regentropfen lassen sich doch die Heidelberger nicht die Stimmung vermiesen. Die Eindrücke unserer Reporter vom Fastnachtszug durch die Innenstadt:

> Wie viele da sind: Die Polizei zählt 70.000. Eine gute Schätzung im Vergleich zum Riesenauflauf 2018, als über 100.000 kamen. Nur "Perkeo" Thomas Barth und Wolfgang Heindl, Präsident des Heidelberger Karneval Komitees (HKK), wollen sich der Realität nicht beugen. Sie behaupten stur: Das sind wieder über 100.000.

> Wer den Größten hat: 65 zu 68! Heidelberg muss die Niederlage offiziell anerkennen - und das gegenüber einem Stadtteil! Weil vier Gruppen - wegen des windigen Wetters - kurzfristig absagten, laufen am Dienstag nur 65 Zugnummern mit. Da war der Zug in Ziegelhausen am Sonntag mit seinen 68 Zugnummern zweifelsohne größer. Auch wenn Perkeo es am Ende nicht wahrhaben will: "Es war eine Zugnummer mehr als in Ziegelhausen", behauptet er nach dem Zug kühn. Heidelbergs Obernarr muss lachen, während er das sagt. Auch er weiß wohl, dass der vor 44 Jahren eingemeindete Bergstadtteil dieses Jahr die Nase vorn hat.

> Wer da so alles mitläuft: Es ist eine irre Idee und sie geht auf: Das erste Live-Konzert beim Fastnachtszug begeistert die Zuschauer. Die AC/DC-Coverband "Dirty Deeds" hebt - vom Wagen aus - mit Krachern wie "T.N.T" die Stimmung. Zur Musik passen die durchtrainierten Footballer der Heidelberg Hunters, die in Spielmontur mitlaufen. "Wir haben Spaß und begeistern die Leute für unseren Sport", sagt Oliver Meier. Aber nicht nur die "Dirty Deeds" haben Fans. Bei der Guggemusik der Morschbachdeifel aus Bad Wimpfen klatschen auch OB Würzner und seine Dezernenten beglückt mit. Premiere feiert der Wagen der "Reilinger Kraichbach Schlabbe" - und sie lieben es: "Der Höhepunkt ist der Weg durch die Altstadt", sagt Stefan Grahlert, dessen Crew viktorianische Kostüme trägt. Ihr "Steampunk"-Wagen inklusive Minibar hilft beim Spaß haben. Eine Freude sind die lustigen Genossen von "Vegan in Heidelberg", die - als Schweine verkleidet "die Sau rauslassen". Sie verteilen Karotten - und Infobroschüren über Massentierhaltung. Am Bratwurst-Stand guckt manch einer betreten zu Boden.

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> Was die Hexen treiben: Der Trend geht zur harmlosen Hexe. Wegen dieser Gestalten weinen schon lange keine Kinder mehr. Den Mythos halten dann aber doch die Ziegelhäuser Hexen von der TSG, die Vinninger Brunnenhexen und die Hexenzunft Oberderdingen aufrecht: Da wird erschreckt, gekidnappt, blau angemalt, mit Konfetti eingeseift - und sogar Mützen gestohlen. Den meisten Opfern gefällt’s.

> Was geworfen wird: Popcorn, Popcorn, Popcorn - alle werfen es. Wegen des Trends, dass das Publikum die Kamelle zurückwirft, haben die Fastnachter reagiert: Weiches hat Vorrang. Manche werfen sogar Tempos. Eine echte Rarität und daher beliebt: Kleine Chips-Tüten, die etwa die Pfaffengrunder Karneval Gesellschaft unters Volk bringt. Richtig viel Budget für Wurfgeschosse gibt es beim Jugendgemeinderat Heidelberg: Sie werfen echte Milka-Schokoriegel - und sogar Mini-Spielzeug. Allein das Heidelberger Karneval Komitee (HKK) bringt eine Tonne Süßes unter das Volk. Am Marktplatz ist aber noch etwas übrig. "Wir haben ein paar Kartons übersehen", lacht Perkeo. Der Rest wird nun an Kinder verschenkt.

> Wie das Wetter mitspielt: Just als der Zug startet, ebbt der Regen ab - und viele packen sofort ihre Regencapes ein. Bei der Schlüsselübergabe am Rathaus reißt sogar an zwei kleinen Stellen die dicke Wolkendecke auf. Perkeos Aufruf: "Guckt mal, blauer Himmel!" ist trotzdem übertrieben. "Uh, ist das kalt", klagen viele an der Zugstrecke. Das liegt auch daran, dass viele Kaltgetränke zu sich nehmen. Wärmende Ganzkörper-Tieranzüge aus Niki-Stoff - Haie, Frösche, Tiger, Einhörner - sind auch dieses Jahr wieder im Trend. Kreativer sind Yvonne Fanz und ihre Mutter Doris Steinbrecher, die mit dem kleinen Paul am Marktplatz stehen. Sie sind als Mexikanerinnen verkleidet: Der Poncho wärmt.

> Wie es endet: Um 15.45 Uhr fährt der HKK-Wagen am Marktplatz ein. Heindl und Perkeo zünden sich "aus alter Tradition" erst einmal einen Zigarillo an. "Wenn die Polizei mir am Ende sagt, dass alles unfallfrei gelaufen ist, bin ich zufrieden", sagt Heindl glücklich. Die Tanzgarde der Karnevalsgesellschaft Polizei (KGP) sprüht noch voller Energie, dabei haben sie bereits um 11.11 Uhr zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder die Polizei in der Römerstraße gestürmt. Auch die "Golden Girls" der Kurpfälzer Trabanten wollen noch zur Musik von DJ Herbert weitertanzen. "Wir sind noch lange nicht fertig", sagt Heike Merk, die Trabanten ziehen später in den "Roten Ochsen". Doch zuvor gibt Perkeo auf der Bühne den Rathausschlüssel an den OB zurück: "Bis zur Kommunalwahl kannst Du wieder alleine weitermachen." Und dann schallt es schon aus den Lautsprechern "Jetzt geht’s los" - und das Tanzvolk stürmt herbei. Es wird proppenvoll, die Party ist noch lange nicht vorbei.

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