Fällt Fastnacht aus?

Karnevalsvereinen wird empfohlen, die Kampagne 2020/21 ausfallen zu lassen

Die Perkeo-Gesellschaft hat ihre Prunksitzung im Februar abgesagt, der Dachverband empfiehlt die Absage aller Veranstaltungen, doch die meisten Heidelberger Vereine warten erstmal ab.

05.06.2020 UPDATE: 06.06.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 33 Sekunden
Dichtes Gewusel auf der Bühne, Gedränge im Saal: So sieht es bei einer normalen Prunksitzung der Perkeo-Gesellschaft aus (hier 2013 in der Stadthalle). Angesichts der Corona-Krise ist sie für die nächste Kampagne abgesagt. Archiv-Foto: Kresin

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Tausende am Straßenrand beim Fastnachtszug, dichtes Gedränge bei der Kampagnen-Eröffnung im Hauptbahnhof, fröhliches Schunkeln im Saal – noch ist unklar, was davon in diesem und nächsten Jahr möglich sein wird. Während die Vereinigung Badisch-Pfälzischer Karnevalsvereine ihren Mitgliedern empfiehlt, alle Veranstaltungen für die Kampagne 2020/2021 abzusagen, wartet die überwiegende Mehrheit der Heidelberger Clubs noch ab. Einzig die Perkeo-Gesellschaft hat sich bereits entschieden. Die traditionelle Prunksitzung, die im Februar im Leimener Portland Forum stattfinden sollte, ist abgesagt.

"Ich will kein Spielverderber sein", sagt "Perkeo" Thomas Barth. Für ihn war die Absage aber die richtige Entscheidung: "Wie soll das bitte gehen? Sollen die Bläser mehrere Meter voneinander entfernt spielen? Und müssen die Gardetänzerinnen vor ihrem Auftritt 14 Tage in Quarantäne?" Dass die Perkeo-Gesellschaft jetzt schon die Notbremse ziehe, habe vor allem finanzielle Gründe. Der Saal muss angemietet, Verträge mit bekannten Künstlern geschlossen werden. Und wenn dann vielleicht nur noch ein Bruchteil des Publikums in den Veranstaltungssaal gelassen werden dürfte, bestünde das Risiko, dass der Verein auf hohen Kosten im fünfstelligen Bereich sitzen bleibe.

Vor allem hat aber die Gesundheit für Barth oberste Priorität. Er weiß, wovon er redet: Seine eigene Mutter war an Covid-19 erkrankt. Sie leidet immer noch an den Folgen. Zudem komme mit Sicherheitsabstand bei einer Prunksitzung auch keine Stimmung auf: "Schunkeln mit Verlängerungskabel, das kann ich mir nicht vorstellen."

Über eine mögliche Absage des Fastnachtszuges müsse man sich jetzt noch keine Gedanken machen, meint Barth. Und das sieht auch der Vorsitzende des Heidelberger Karneval Komitee (HKK), Wolfgang Heindl, so: "Es ist noch keine Entscheidung getroffen." Man wolle den Juni noch abwarten, das HKK werde sich im Juli zusammensetzen. Ohnehin wollen alle Vereine wenigstens einen Teil der Fünften Jahreszeit retten – oder sich alternative Konzepte überlegen.

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"Ich werde mich hüten, jetzt schon alles abzusagen", sagt Hans-Günther Schwab, Vorsitzender der Kurpfälzer Trabanten. Für ihn zählt, dass die jugendlichen Mitglieder des Fanfarenzugs oder der Tanzgarde eine Perspektive haben und gerne zu den Proben kommen. "Wenn es vertretbar ist, werden wir Veranstaltungen anbieten", so Schwab. Da man den Rottmann-Saal in Handschuhsheim angemietet habe, seien die Kosten überschaubar. Dass die Trabanten den Zuschauern im Hauptbahnhof aber zur Kampagnen-Eröffnung den närrischen Marsch blasen dürfen, glaubt Schwab nicht. "Vielleicht können wir aber wenigstens eine Veranstaltung im Freien machen."

"Wir haben einen großen Vorteil. Bei unseren Sitzungen treten nur eigene Leute auf", sagt Alexander Föhr, Sitzungspräsident der Ziegelhäuser Karneval Gesellschaft (ZKG): "Wir müssen keine Verträge schließen, keine Künstler hinzubuchen." Auch der Fastnachtszug im Bergstadtteil werde zum großen Teil mit eigenen Leuten bestritten. Daher wolle sich das Präsidium erst nach den Pfingstferien zusammensetzen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. "Die Leute müssen aber sehen, dass die Fastnachter Flagge zeigen", so Föhr.

Der Heidelberger Carneval Club (HCC) Blau-Weiß hat laut deren Sitzungspräsident Detlev Barbis schon einen "Plan B" in der Tasche. Für ihn ist klar: "Das wird keine Fastnacht wie wir sie kennen." Nachdem 1991 der Karneval wegen des Golfkrieges bundesweit abgesagt wurde, habe er sich geschworen, dass es so etwas nicht mehr geben werde. Barbis ist als "unser Till" auch Büttenredner – und als solcher fände er es schade, wenn er all die "Steilvorlagen", die die Corona-Krise biete, auslassen müsse. Auch er wartet den Juli ab.

Die Corona-Krise hat die Pfaffengrunder Karneval Gesellschaft (PKG) bereits jetzt schwer getroffen. Kommende Woche wollte sie eigentlich ihr närrisches 66-jähriges Jubiläum feiern. "Wir haben viel Arbeit in die Vorbereitung gesteckt", bedauert Heidi Ehrhard, Leiterin der PKG-Geschäftsstelle, die Absage. Was die Kampagne 2020/21 angehe, warte man noch ab. "Wir entscheiden am Freitag nächste Woche."

"Wir wollen keinen Schnellschuss", sagt Marco Jäger, Sitzungspräsident der Karnevalsgesellschaft der Polizei (KGP). Die letzten Wochen hätten gezeigt, dass man erfinderisch sein müsse: Der Vorstand trifft sich in Zoom-Meetings, die Tanzgarden bekommen ihre Übungen per Video nach Hause geschickt. Jäger: "Wir wollen nichts erzwingen, aber die Hoffnung stirbt zuletzt." Seniorensitzungen werde es wohl nicht geben. Über alles andere könne man im September reden.

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