Demo in Heidelberg

"Europa schreddert gerade seine moralischen Werte"

Zwei Veranstaltungen zum Tag des Flüchtlings - Flashmob des Asylarbeitskreises und Demo der Seebrücke - Aufruf an die Landesregierung, Menschen Zuflucht zu geben

04.10.2020 UPDATE: 05.10.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 53 Sekunden
„No Moria 2.0. Wir haben Platz“: Beim Protestmarsch der Seebrücke wurde die Aufnahme von Flüchtlingen gefordert. Foto: böh

Von Marie Böhm

Heidelberg. Die Bilder vom brennenden Moria – der größten Flüchtlingsunterkunft Griechenlands auf der Insel Lesbos – gingen um die Welt. Seither wird die europäische, aber auch die deutsche Flüchtlingspolitik von vielen Seiten kritisiert. Zurückhaltend wird politisch derzeit auf eine europäische Lösung der Aufnahmeprobleme gehofft. Das ist aber nicht annähernd genug, finden Kritiker. Im Gegenteil, Flüchtlingen innerhalb Europas würde das Leben immer schwerer gemacht. "Die letzten Gesetzesentschlüsse zum Thema Asylrecht haben große Verschärfungen, was die Aufnahme von Flüchtlingen angeht", erklärt Annette Schiffmann.

Die Vorstandsvorsitzende des Asylarbeitskreises machte am vergangenen Freitag zum Weltflüchtlingstag einen "Flashmob" an der Schwanenteichanlage mit. Damit nahmen die Mitarbeiter an der "Jerusalema-ChallengeJerusalema-Challenge" teil, die derzeit ein Trend im Internet ist. Dabei tanzen die Teilnehmer zu dem Lied "Jerusalema", um auf die Flüchtlingsproblematik hinzuweisen. "Das Lied ist in einer der häufigsten afrikanischen Sprachen gesungen, Isizulu. Es geht darin um das Suchen nach einem utopischen, friedlichen Ort. Einer Heimat", berichtet Julia Kampus, eine der Mitglieder des Asylarbeitskreises. "Wir wollen Heidelberg als einen so sicheren Ort, wie es Jerusalem in diesem Lied ist. Eine Heimat, offen und willkommen."

Tanzender „Flashmob“ zum Tag des Flüchtlings: Mitarbeiter des Asylarbeitskreises tanzten zu dem Lied „Jerusalema“. Foto: Alex

Dafür wäre aber noch einiges zu tun, meint Schiffmann. "Das Asylrecht ist sehr eng gefasst. Viele haben keine Perspektive, Asyl zu bekommen, auch wenn sie in Notlagen sind." Ein anderes Problem läge im Arbeitsrecht für Asylbewerber: "Eigentlich sollten alle Leute, die schon hier sind und arbeiten, auch bleiben dürfen. Aber vielen wird das Arbeitsrecht entzogen, wenn sie ihren Pass nicht vorzeigen können oder aus Angst vor Abschiebung nicht zeigen wollen." Das Ergebnis sei eine unnötige Belastung der Steuerzahler: "Es gibt in Deutschland Zehntausende, die zwar arbeiten können und wollen, es aber nicht dürfen. Eine Veränderung der Rechtslage würde sofort helfen."

Gleich im Anschluss an den Flashmob startete die Seebrücke eine Veranstaltung am selben Ort. Moderiert wurde die Kundgebung zum Thema Flüchtlingsaufnahme und der anschließende Protestmarsch zur Neckarwiese von Mia Lindemann: "Deutschland wartet auf eine europäische Einigung. Aber bis die gefunden ist, wird das Problem nur noch schlimmer. Europa schreddert gerade seine moralischen Werte!" Dabei gäbe es mehr als genug Platz, um mehr Flüchtlinge geordnet und dezentral aufzunehmen. Die Demonstration war deswegen Teil des Starts der Initiative "Sicherer Hafen Baden-Württemberg", welche die Landesregierung zum stärkeren Einsatz für Flüchtlinge aufruft. "Hauptsächlich geht es uns um die Flüchtlinge in Moria", erklärt Lindemann. 24 Kommunen innerhalb Baden-Württembergs hätten sich schon bereit erklärt, Platz und Unterkunft für sie bereit zu stellen. Von der Landesregierung würde dies aber noch nicht erlaubt.

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Aber auch die Heidelberger selbst hätten noch einiges zu ändern, was die Aufnahme von Flüchtlingen angeht. Das findet jedenfalls Stadtrat Waseem Butt, der bei der Demo dabei war. Besonders kritisiert er die Grünen, die in Heidelberg eine Verlagerung der Flüchtlingsunterkunft in die schwer zugänglichen Wolfsgärten bewerbe. "Heidelberg ist Vorreiter in vielen Sektoren. Wir sollten auch hier ein Vorbild sein und es richtig machen."

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