Das Heidelberger Porträt

Immer neue Ideen zur Kultur in der Stadt

Dorothea Paschen vereint ungewöhnliche Voraussetzungen und Talente - Unternehmerfamilie, Schauspielerin, Grünen-Politikerin

02.08.2019 UPDATE: 04.08.2019 06:00 Uhr 3 Minuten, 34 Sekunden

Strahlende Persönlichkeit: Dorothea Paschen vor einer Arbeit von Inock Kim Seifert in der Gedok-Galerie. Heute ist sie Vorsitzende der Gemeinschaft der Künstlerinnen, nachdem sie ihr Stadtratsmandat 2014 aufgegeben hatte. Foto: Friederike Hentschel

Von Birgit Sommer

Heidelberg. Dorothea Paschen verkörpert eine ganz besondere Mischung von einer Heidelbergerin. Sie stammt aus einer Unternehmerfamilie und genoss eine anthroposophische Erziehung. Sie saß unter den ersten Grünen im Heidelberger Gemeinderat. Sie war in jungen Jahren Friedensaktivistin und kann heute noch kräftig auf den Tisch hauen, wenn ihr etwas in der Kommunalpolitik nicht gefällt. Sie klebte Anti-Atomkraft-Aufkleber in die Wohnung und auf ihr Fahrrad, während ihr Ehemann am Kernforschungszentrum Karlsruhe das Institut für Technikfolgenabschätzung leitete.

Dorothea Paschen arbeitete als Schauspielerin und Regisseurin und zog dabei drei Kinder groß. Sie managt heute als Vorsitzende die Gedok, die Gemeinschaft der Künstlerinnen und Kunstförderer in Heidelberg. Sie golft und segelt. Und produziert immer neue Ideen in Sachen Kultur. Was für eine Frau!

Gerade 80 Jahre alt geworden, hat Dorothea Paschen nichts von ihrem Tatendrang eingebüßt. Mal die Tochter besuchen, die bei Rom lebt, oder den Sohn, HNO-Arzt in Berlin, mal mit den Freundinnen aus der Volksschule in Garmisch-Partenkirchen die Berge besteigen ("Ich habe Bergweh!"), mal in der Gesellschafterversammlung der Pforzheimer Firma Witzenmann Entscheidungen treffen. Das passt alles in ihren Terminkalender - genauso wie ihre Enkel.

Paschens Urgroßvater Heinrich Witzenmann hatte den beweglichen Metallschlauch erfunden und 1886 die Witzenmann GmbH in Pforzheim gegründet. Flexible Metallelemente stellt die Firma heute noch her und beschäftigt dazu 3000 Mitarbeiter im Hauptbetrieb und in 23 Tochterfirmen weltweit. Dorothea Paschen kennt das Geschäft, ihr Mann Herbert ist Aufsichtsratsvorsitzender, Sohn Philip, der Wirtschaftsingenieur, in der Geschäftsführung.

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Eine spannende Unternehmerfamilie des 20. Jahrhunderts. Herbert Witzenmann, Dorotheas Vater, war nicht nur Firmenchef. Er war Schriftsteller, er war Anthroposoph und wollte ursprünglich Pianist werden. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg musste er im zerstörten Pforzheim den Betrieb neu aufbauen. Weil auch das Haus der Witzenmanns in Trümmern lag, zog die junge Familie mit Sohn und drei Töchtern nach Garmisch-Partenkirchen, in das Ferienhaus der Großeltern.

Dort war, erinnert sich Dorothea Paschen, mit den vielen frisch angekommenen Flüchtlingen eine Menge los. Ihre Mutter, die österreichische Lyrikerin und Mezzosopranistin Maria Wozak, machte aus dem Esszimmer einen Salon. "Eine äußerst ärmliche Kulturgemeinde", lacht Paschen, "wo sich Leute trafen, die heimatlos waren."

Paschen wurde also in ein ganz außergewöhnliches Elternhaus hineingeboren. Sie zehrt davon und arbeitet sich manchmal auch daran ab. Daran, dass die Mutter der ältesten Tochter die Begabung als Sängerin absprach. Dabei hat "Doro", wie ihre Freunde sie nennen, immer wahnsinnig gerne gesungen, hat bei "Grünen"-Veranstaltungen etwa Brecht-Songs interpretiert, und hat das Lob eines Kritikers auch schriftlich vorliegen: "Glockenreine Stimme."

Als ihre Eltern sie nach Erlangen der Mittleren Reife in ein Heidelberger Mädchenpensionat steckten, hatte die 17-Jährige nach dem freien Leben in Garmisch und Pforzheim keine Lust auf diese Enge. Aus Trotz kämpfte sie darum, die private Schauspielschule Haller besuchen zu dürfen. Eine private Sprachschule schloss sich an - und da wirkte als Lehrer "ein hübscher junger VWL-Student", der bereits Diplom-Dolmetscher war. 1964 heiratete sie diesen Herbert Paschen.

Doch zuerst lebte Dorothea Paschen ihr Schauspielerleben, am Nationaltheater in Mannheim, bei den Freilichtspielen in Schwäbisch Hall, an den Komödienhäusern in Stuttgart und Düsseldorf, in Darmstadt und Karlsruhe. Ihre Lieblingsrolle? Die so unglücklich verliebte Christine in Arthur Schnitzlers "Liebelei".

Mit drei kleinen Kindern schaffte sie später noch Gastauftritte, auch am Heidelberger Theater und Orchester. Die Kinder und deren Au-Pair-Mädchen kamen manchmal mittags in die Theaterkantine. Oder die Mutter hatte morgens um 10 Uhr schon vorgekocht. "Frau Paschen, Sie sehen so verkocht aus", verspottete sie damals der Chef des Zimmertheaters, Gillis van Rappard.

Das Leben als Schauspieler fanden die Kinder dann wohl alle nicht so erstrebenswert, keiner eiferte der Künstlerin nach, die in den achtziger Jahren auch Regie führte ("Da habe ich total viel gelernt."). Nicht einmal der jüngste Sohn Philipp. "Er wäre sehr begabt", findet Dorothea Paschen.

Dann kam die Politik. Dorothea Paschen war damals "total friedensbewegt", und sich um die Umwelt zu kümmern, lag sowieso nahe bei ihrer anthroposophischen Erziehung. 1984 wurde sie Stadträtin der Grün-Alternativen Liste. Eigentlich kam sie ja aus einem ganz anderen Umfeld. "Die Kämpfe in der Fraktionssitzung - ich dachte, um Gottes willen, wo bin ich hier gelandet." Der Neuling musste lernen, bei Seilschaften mitzuziehen.

Für zehn Jahre zog Dorothea Paschen dann mit ihrem Mann nach Berlin. Das Büro für Technikfolgenabschätzung, das er leitete, wurde beim Bundestag angesiedelt. Ab 2009 saß sie noch einmal für fünf Jahre im Heidelberger Gemeinderat. "Mit großer Freude", wie sie bekennt. Dreimal wurde sie zur Fraktionsvorsitzenden gewählt, bereitete sich akribisch auf die Sitzungen vor. Sonntags kamen die dicken Pakete mit den Unterlagen. Mehrmals in der Woche war sie auf Terminen. Da Herbert Paschen nach den Worten seiner Frau ein "Workaholic" ist, ging das ganz gut. "Nur manchmal sagte mein Mann, es wäre ganz schön, wenn wir mal wieder was zusammen machen würden", erinnert sich Doro Paschen.

Sie spricht von Freundschaften, die über Parteigrenzen hinweg entstanden, von Vorurteilen, die über den Haufen geworfen wurden, von Alt-OB Zundel, der die Grünen wegen ihrer guten Gemeinderatsarbeit geschätzt, aber nicht gemocht habe. "Es hat Freude gemacht", ist ihr Fazit. Als Paschen ihr Stadtratsmandat 2014 aufgab, gewannen die Künstlerinnen der "Gedok" sie als Vorsitzende. Mit einer Galerie in der Weststadt haben sie jetzt Räume für ihre Aktivitäten. Dorothea Paschen ist dabei. Ihre Liebe zur Groteske etwa lebte sie mit einem Dada-Abend aus. Im Herbst sind Veranstaltungen zum Fontane-Jahr geplant.

Auch ein privater künstlerischer Plan existiert: Zusammen mit ihren Geschwistern will sie der von den Eltern verfassten Lyrik einen neuen Auftritt verschaffen. "En famille", sozusagen. Das ist ganz einfach: Bruder Wolfgang Witzenmann ist Pianist, Flötist und Komponist, die Schwester aus New York malt, die zweite Schwester singt Chansons. Und Dorothea Paschen kann die Texte exzellent darstellen.

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