Darum warnte die Katastrophen-Warn-App ihre Nutzer so spät
Innenministerium: "Abwägen von Exaktheit und Schnelligkeit"

In der Kartenansicht der Warnapp "Nina" kann man sehen, für welchen Bereich die Warnung gültig ist. Foto: dpa
Heidelberg. (rie) Als die Katastrophen-Warn-Apps "Nina" und "Katwarn" am Samstag um 8.19 Uhr erstmals ihre Nutzer informierten, waren zweieinhalb Stunden vergangen, seit sich der Chemieunfall bei der Firma Kluthe ereignet hatte. Viele RNZ-Leser reagierten irritiert: Was bringen Apps, die im Gefahrenfall so lange brauchen, um zu warnen?
Wie es zu einer Warnung kommt: "Es ist eine Abwägung zwischen Exaktheit und Schnelligkeit, wie und wann die Gefahrenabwehrbehörden vor Ort warnen", sagt Hermann Schröder, Leiter der Abteilung Bevölkerungsschutz und Krisenmanagement des Innenministeriums. Zunächst habe die Feuerwehr am Samstag klären müssen: Welcher Stoff tritt da aus, wohin zieht er - und welche Verhaltensweise ist zu empfehlen? "Mit einer unklaren Meldung würden wir die Bevölkerung nur unnötig verunsichern", so Schröder. Zudem hätten die Messfahrzeuge erst einmal rausfinden müssen, wohin das ausgetretene Lösungsmittel Toluol genau wehe: "Es waren ja der Stadt- und der Landkreis betroffen."
Die Notfallkette habe funktioniert. Feuerwehr und Polizei seien rasch vor Ort, die von der Qualmwolke eingehüllte Autobahn A5 schnell gesperrt gewesen - und schon gegen 6.30 Uhr seien die ersten Rundfunkdurchsagen mit dem Hinweis, Fenster und Türen zu schließen, gelaufen. Um 8.06 Uhr sei dann vom Feuerwehr-Lagezentrum in Heidelberg die Anforderung ans Ministerium gekommen, eine Warnung der Warnstufe 2 zu veröffentlichen. Diese ging - nach inhaltlicher Prüfung - um 8.19 Uhr raus.
Wer die Warnung bekommt: Alle Nutzer der Apps "Nina" und "Katwarn" bekamen die Warnung direkt auf ihr Smartphone. Zudem ging sie an alle Rundfunkanstalten im betroffenen Gebiet heraus. Da es sich um eine Warnung der Stufe 2 handelte, mussten die Rundfunksender nicht sofort ihr Programm unterbrechen - sondern konnten sie auch nach dem Ende des aktuellen Liedes bringen. Bei Warnstufe 1 werden alle Rundfunkprogramme sofort unterbrochen - "auch beim letzten Elfmeter im WM-Finale", wie Schröder sagt. Bei der Warnstufe 3 werden nur die App-Nutzer, nicht aber der Rundfunk informiert.
Wieso es in der Region zwei Apps gibt: "Nina" ist die Warn-App des Bundes, die dieser auch allen Bundesländern zur Verfügung stellt. Sie wird - wie die Radiosender - über das satellitengestützte "Modulare Warnsystem" (Mowas) bestückt - und warnt bundesweit. "Katwarn" wurde vom Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme im Auftrag öffentlicher Versicherer entwickelt - und vom Rhein-Neckar-Kreis eingeführt. Seit Kurzem ist auch sie an das "Mowas"-System angeschlossen und liefert dessen Informationen. Allerdings: "Katwarn" gibt es nicht überall. Wer beruflich oder privat etwa in Stuttgart ist, wird von dieser App nicht gewarnt.