Ein Gespräch mit dem scheidenden Vorsitz des Heidelberger Studierendenrats

Die Vorsitzenden der Verfassten Studierendenschaft hatten viel Gegenwind, nun hören sie auf, eine positive Bilanz ziehen sie dennoch

22.11.2016 UPDATE: 24.11.2016 06:00 Uhr 3 Minuten, 9 Sekunden

Louisa Erdmann und Pietro Viggiani d’Avalos hatten ein Jahr lang den Vorsitz der Studierendenschaft inne. Foto: Rothe

Von Denis Schnur

Vor einem Jahr übernahmen Louisa Erdmann und Pietro Viggiani d’Avalos den Vorsitz der Verfassten Studierendenschaft (siehe Hintergrund) an der Uni Heidelberg. Nun sind die 20- und der 21-Jährige noch kommissarisch im Amt, bis der Studierendenrat endlich Nachfolger für die beiden Economics-Studenten fin-det. Noch mal kandidieren wollen sie aber nicht.

Hintergrund

Die beiden Vorsitzenden der Verfassten Studierendenschaft (VS) werden je für ein Jahr gewählt. Die Amtsperiode von Louisa Erdmann und Pietro Viggiani d’Avalos begann etwas früher, da ihre Vorgänger zurückgetreten waren - und dauert etwas länger, da noch keine Nachfolger

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Die beiden Vorsitzenden der Verfassten Studierendenschaft (VS) werden je für ein Jahr gewählt. Die Amtsperiode von Louisa Erdmann und Pietro Viggiani d’Avalos begann etwas früher, da ihre Vorgänger zurückgetreten waren - und dauert etwas länger, da noch keine Nachfolger gefunden wurden. Die Vorsitzenden haben mehrere Funktionen inne:

Referate-Konferenz (Refkonf): Sie sind Vorsitzende der Referate-Konferenz - das ist das Exekutivorgan der VS. Die Referate sind mit den laufenden Aufgaben der Studierenden-Vertretung betraut.

Dienststellenleitung: Als Leiter der Dienststelle der VS sind sie als Arbeitgeber verantwortlich für alle Angestellten der Studierendenschaft.

Rechtliche Vertreter: Die Vorsitzenden unterzeichnen Verträge, haften im Zweifelsfall und sind erster Ansprechpartner für andere Gremien.

Arbeitsaufwand: Etwa 40 Stunden pro Woche - während des Semesters - investieren die Vorsitzenden in ihre Arbeit.

Aufwandsentschädigung: Zu Beginn der Amtsperiode bekamen die beiden 150 Euro pro Monat. In der Zwischenzeit wurde der Obolus auf 400 Euro erhöht.

Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) ist die CDU-nahe Hochschulgruppe. Mitglieder anderer Gruppen warfen ihr in den letzten Jahren vor, hauptsächlich durch die Abwesenheit ihrer Vertreter im Studierendenrat (Stura) aufzufallen. Im Dezember 2015 reichten vier RCDS-Mitglieder eine Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe ein, durch die die Satzung der VS für ungültig erklärt werden soll. Als Grund führten sie demokratische Mängel an. Das Verfahren läuft noch. dns

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Glückwunsch! Als erstes Vorsitz-Duo habt ihr eine komplette Amtszeit überstanden. Wie oft habt ihr ans Aufgeben gedacht?

Pietro: Ein- oder zwei Mal.

Louisa: Beim Abwahlantrag auf jeden Fall. Im Wahlkampf im Juni war es auch schwierig. Ich bin da in die Liberale Hochschulgruppe eingetreten. Und die hat Wahlkampf für einen verantwortungsbewussten Umgang mit dem Stura-Budget gemacht. Einige haben das als Selbstbereicherungsvorwurf gesehen und gefragt, wie ich Vorsitzende sein könne, wenn ich gleichzeitig Aktiven so etwas vorwerfe.

Aber eine ernsthafte Alternative war ein Rücktritt nie?

Pietro: Nein, nie.

Noch einmal kandidieren wollt ihr aber auch nicht?

Louisa: Das hatten wir uns zwischenzeitlich überlegt. Es lief ja wirklich ganz gut. Aber dann kam der Abwahlantrag. Da war klar, dass wir keine Lust mehr haben.

Dabei ist der Antrag klar gescheitert. Fast alle Stura-Mitglieder haben euch unterstützt. Gibt das nicht Rückenwind?

Louisa: Doch, aber in der anschließenden Referate-Konferenz wurden unsere Rechte beschnitten - gerade, was Öffentlichkeitsarbeit angeht. Wenn man das rausnimmt, ist es nur ein Verwaltungsjob.

Der Ärger kam, weil ihr eine Versammlung des RCDS besucht habt, die im Haus einer Verbindung stattfand. Was war die Idee dahinter?

Pietro: Die Idee war eine Öffnung gegenüber jeder Hochschulgruppe. Wo das stattfand, war uns egal. Für andere war dagegen der Ort das wichtigste. Dabei waren wir dort, um dem RCDS zu erklären, dass sie engagierter in der Hochschulpolitik sein müssen. Deshalb finden wir das Treffen bis heute sinnvoll.

Dabei hatte der RCDS gegen die Satzung der VS geklagt, also ihr gerade erst ins Amt gekommen seid.

Louisa: Stimmt, unsere Arbeit wurde davon aber kaum geprägt. Der Prozess läuft noch. Das Verhältnis zum RCDS wurde nicht schlechter. Es gibt auch Mitglieder, die sich von der Klage distanzieren.

Wie steht es im Prozess?

Pietro: In unserer Legislatur rechnen wir nicht mit einem Ergebnis. Wir müssen sehen, was rauskommt, aber der Stura sollte das definitiv auf die Tagesordnung setzen. Offenbar gibt es eine Unzufriedenheit mit der Struktur und man könnte Teile verbessern.

Zum Beispiel?

Pietro: Man sieht, dass die meisten Anträge von hochschulpolitischen Listen und wenigen Fachschaften kommen. Ansonsten ist die Mitarbeit der Fachschaften nicht so groß. Vielleicht wäre es besser, wenn mehr Leute direkt gewählt würden.

Louisa: Die größten Schwächen haben wir definitiv im Wahlsystem festgestellt. Da ist das Problem, dass Wahlbeteiligung und Listenplätze aneinander gekoppelt sind. Erst ab einer Beteiligung von rund 50 Prozent hätten Listen und Fachschaften gleich viele Plätze. Das ist utopisch.

Ihr schreibt im Abschiedsbrief von "Machtspielchen" und "Angriffen auf persönlicher Ebene". Klingt nicht, als wäre alles gut gelaufen …

Louisa: Man hat gemerkt, dass Feindseligkeiten aufkamen, als ich offengelegt hab, welche politische Richtung für mich richtig ist. Man hat das Gefühl, dass man aufgrund seiner Meinung von einigen nicht mehr ernst genommen wird.

Ihr fordert mehr Respekt für andere politische Meinungen. Aufgrund dieser Erfahrung?

Louisa: Man muss verstehen, dass der Grundtenor der Studierendenschaften in Deutschland eher links ist. Das ist auch nichts, was man kritisieren muss. Aber es ist schwierig, wenn man zu den politischen Minderheiten gehört. Wir haben das mitbekommen. Was mich zu dem Satz angeregt hat, war aber die Vorstellung der neuen Vorsitz-Kandidaturen. Da war jemand vom RCDS und es wurde sofort etwas getwittert wie: "Iih, der ist in der CSU. Alle anderen Alternativen kommen eher in Frage". Das finde ich schon eine extreme Aussage.

Wenn ihr nun Bilanz zieht: Worauf seid ihr stolz?

Pietro: Auf jeden Fall darauf, dass wir die Wahlbeteiligung gesteigert haben. Außerdem haben wir beim Thema Transparenz etwas in Gang gesetzt. Zum Beispiel werden alle Referatsbeschlüsse online gestellt.

Louisa: Wir haben auch die Beziehung zum Rektorat neu aufgebaut. Vorher gab es kaum Kontakt - wenn, dann eher negativ. Wir haben versucht, ohne Vorurteile reinzugehen und wurden sehr herzlich aufgenommen, was die Produktivität deutlich steigerte.

Mal angenommen, es finden sich bald Nachfolger für euch. Was gebt ihr ihnen mit auf ihren Weg?

Louisa: Wir wünschen uns erst mal, dass nicht die politische Gesinnung bei der Wahl entscheidet, sondern Kompetenz und Engagement. Ansonsten sollten sie nie den Spaß an der Sache verlieren.

Pietro: Man sollte sich nicht demotivieren lassen, vor allem von der Refkonf.

Mit welchen Fragen werden die sich befassen müssen?

Beide: Studiengebühren!

Louisa: Die Refkonf hat sich da klar gegen die Pläne von Ministerin Bauer positioniert. Außerdem wird das Landeshochschulgesetz reformiert. Ich glaube, da ist es sinnvoll, den Kontakt ins Ministerium aufrechtzuerhalten.

Geht ihr zufrieden in "Ruhestand"?

Louisa: Ja, wir können allen nur raten, sich zu engagieren. Fast jeder hat neben dem Studium etwas Zeit. Man sollte einfach mal in eine Stura-Sitzung kommen. Die sind mittlerweile ja erträglich geworden. Und ein kleines bisschen schafft man es doch immer, etwas zu bewegen. Wenn nicht wir als Studierende, wer dann?

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